Sie sind der Dreh- und Angelpunkt für den Handel, stationär wie online: Warenlager. Effiziente und gut organisierte Warenlager können die Betriebskosten senken, die Kundenzufriedenheit erhöhen, ein Geschäftsmodell skalieren und über die Bestandsverwaltung sogar für ein Mehr an Nachhaltigkeit sorgen. Die große Frage ist jedoch, wie organisiert man ein Warenlager effizient und gut? Die Antwort lautet heutzutage eindeutig: mit Hilfe digitaler Technologien, Künstlicher Intelligenz und – immer häufiger – sogenannter Cobots.
In einem modernen Warenlager arbeiten Mensch und Maschine tatsächlich Hand in Hand – und das höchst effizient. Eine Studie des Online-händlers Amazon aus dem vergangenen Jahr hat gezeigt, dass die Koexistenz von Mensch und Roboter in der Lagerlogistik bares Geld einspart, und zwar bis zu einer halben Milliarde US-Dollar jährlich. Konkret ermittelt dafür eine KI, wie die Regale im Lager bestückt sein müssen, damit die sogenannten Picker – also die menschlichen Kommissionierer, die dem Lager die Waren entnehmen – von den Roboterregalen optimal beliefert werden, um die Waren dann für den Versand an die Kunden zusammenzustellen. Die Amazon-Studie zeigt, dass der Einsatz der KI dazu beigetragen hat, dass die Strecke, die die Roboter zurücklegen mussten, um ganze 62 Prozent verringert werden konnte
Und weniger Strecke heißt in dem Zusammenhang weniger Zeit und mehr Effizienz. Dadurch konnten wiederum 31 Prozent der Roboter, die die Regale anheben und bewegen, eingespart werden. In der Folge verringerte sich auch der Platzbedarf, konkret um 29 Prozent im Vergleich zu Fulfillment-Centern, in denen keine intelligente Automatisierungstechnik zum Einsatz kam. Bei Amazon war man von den Studienergebnissen so begeistert, dass die Automatisierung sukzessive auf alle Fulfillment-Center ausgerollt werden soll.
HAND IN HAND
Wobei diese „Regalroboter“ noch verhältnismäßig einfach gestrickt sind. Eine echte Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine machen erst die sogenannten Cobots möglich. Die Bezeichnung steht für „collaborative robots“. Cobots sind so konstruiert und programmiert, dass sie, vereinfacht ausgedrückt, über ihre verbaute Sensorik die Aktivitäten ihrer menschlichen Arbeitskollegen erkennen und so besser mit ihnen zusammenarbeiten können – etwa, indem sie die Picker beim Kommissionieren unterstützen. Hier müssen Unternehmen allerdings genau hinschauen, ob sich das Preis-Leistungs-Verhältnis tatsächlich rechnet. Denn noch sind Investitionen in Robotik verhältnismäßig teuer und stehen nicht immer im Verhältnis zu den Personalkosten. Es kommt also auf Auslastung und Auftragslage an, ob und wie Mensch und Maschine im Fulfillment zusammenarbeiten – und auf den Zugang zu entsprechenden Fachkräften.
DIE TECHNIKKOMBINATION MACHT DEN UNTERSCHIED
Allerdings tut sich auch auf technologischer Seite viel. Neue Entwicklungen und Kooperationen sorgen dafür, dass sich die Cobots stetig weiterentwickeln und der Zugang somit immer günstiger wird. Und dank einer Kombination verschiedener Technologien können mittlerweile auch ganz andere Einsatzgebiete erschlossen werden. So haben beispielsweise ganz aktuell Siemens, Universal Robots und Zivid gemeinsam eine KI-basierte Lösung für Kommissionierarbeiten entwickelt. Ziel ist es, große Mengen und Varianten von Lagerhaltungseinheiten unabhängig von Form, Größe, Trübung oder Transparenz automatisch zu kommissionieren. Dafür kombinieren die drei Unternehmen ihre jeweiligen Expertisen. Universal Robot steuert den Cobot bei, Zivid eine 3D-Kamera und Siemens die dafür nötige Bildverarbeitungssoftware. Letztere ist eine auf Deep Learning basierende Bildverarbeitungssoftware, die Roboter dazu befähigt, Aufgaben auszuführen, die bisher manuell bewältigt wurden. „Die Kooperation mit Siemens und Zivid zeigt, wie wir unsere Roboterplattform immer mehr mit KI-Technologien verknüpfen. Damit stellen wir einmal mehr unter Beweis, dass wir Automatisierung für jeden und überall möglich machen möchten“, betont Daniel Friedman, Global Director Strategic Partnerships bei Universal Robots.
DIE GRENZEN DER TECHNIK
Was die neue Entwicklung von Siemens, Universal Robots und Zivid so besonders macht, ist ein kleines Wort: Transparenz, und zwar physische. Denn die war bisher eine große Herausforderung für die Automatisierung im E-Commerce-Fulfillment. Obwohl die großen E-Commerce-Marktplätze seit Jahren mit Hochdruck an einer Lösung arbeiten, waren transparente Polybeutel, wie sie im E-Commerce häufig zum Einsatz kommen, für die Greifer bisher immer ein Problem – „sie konnten sie nicht richtig erkennen.“
Das Beispiel zeigt, dass der technologische Fortschritt zwar auch immer stärker Einzug in die modernen Warenlager des Handels hält, den Menschen als Arbeitskraft aber auch auf absehbare Zeit nicht komplett ersetzen kann. Derzeit geht es vielmehr darum, dass die Technik den Fachkräften schwere oder repetitive Arbeiten abnimmt, die Qualitätskontrolle dennoch nach wie vor beim „human brain“ liegt und auch liegen muss. Denn auch wenn neue Entwicklungen dazu kommen, braucht es Menschen, die all diese Technologien so konzertieren, dass sie am Ende wirklich einen Mehrwert bieten. Apropos neue Entwicklungen: Zwei neue Trends, die in diesem Jahr deutlich zunehmen, sind zum einen das autonome Fahren innerhalb der Lagerhallen. Hier ist die Entwicklung tatsächlich schon recht weit, weil der geschlossene Raum und die kontrollierten Bedingungen das autonome Fahren verhältnismäßig sicher machen. Und auch der Flugverkehr in den Hallen nimmt zu – in Form von Drohnen. Mit ihnen lässt sich gerade auf großen Flächen der Bestand effizient kontrollieren.
Dennoch gilt auch hier, dass sorgfältig ausgewählt werden muss, wann welche Kombination von KI und Technologie sinnvoll ist. Denn nur, weil etwas grundsätzlich möglich ist, muss es noch lange keinen Mehrwert bieten. Das gilt für den selbstfahrenden Stapler genauso wie für den Cobot, die Drohne und auch den Menschen: Alle müssen sich in der Zusammenarbeit beweisen.