Quo vadis, Einzelhandel?

Die Branche befindet sich im Umbruch. Wir haben einige der spannendsten aktuellen Trends für Sie zusammengestellt.

 

Illustration: Josephine Warfelmann
Illustration: Josephine Warfelmann
Klaus Lüber Redaktion

Omnichannel
Kundinnen und Kunden kaufen verstärkt kanalübergreifend, viele Händler werden in Zukunft nicht mehr um Omnichannel-Angebote herumkommen. Deshalb suchen Einzelhändler nun nach Möglichkeiten, digitale und physische Einkaufserlebnisse zu integrieren. Dieses Konzept des Omnichannel-Einzelhandels zielt darauf ab, Kunden ein nahtloses Kauferlebnis zu bieten – unabhängig davon, ob sie im Geschäft, online oder über ein Mobilgerät einkaufen. So sollen Verbrauchern etwa dieselben Bestände, Preise und Werbeaktionen über alle Kanäle hinweg zur Verfügung gestellt werden. „Der Anspruch der Konsumentinnen und Konsumenten an das ideale Einkaufserlebnis steigt unaufhaltsam. Kein Wunder: Mit zunehmenden digitalen Möglichkeiten wächst die Erwartungshaltung an die praktische Umsetzung – das gilt insbesondere für die junge Zielgruppe der Gen Z, die täglich und individuell zwischen Einkaufskanälen wechselt. Händler:innen müssen hier technologisch unbedingt am Ball bleiben, sonst verlieren sie die Konsument:innen der Zukunft“, sagt Dr. Kai Hudetz, Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung (IFH) Köln, im Rahmen der „Google Omnichannel Future Study“ (GOFS), an der neben dem IFH auch Google und der Handelsverband Deutschland (HDE) mitgewirkt haben.

Alles für die Community
Die sogenannte Customer Journey soll in Zukunft zum echten Erlebnis werden. Das jedenfalls haben sich immer mehr Einzelhändler vorgenommen. So spricht die Firma Globetrotter inzwischen von einer „sozialen Funktion“, welche die Marke weit über den bloßen Verkauf von Produkten übernehmen will. Ziel ist es, ein echtes Community-Gefühl entstehen zu lassen, einen Raum zu schaffen, in dem das Unternehmen gar nicht mehr so sehr als Verkaufsplattform, sondern als Treffpunkt und Inspirationsquelle für Experten wahrgenommen wird. Dies passiert in sogenannten Clubhütten, loungigen Bereichen, die zum Schmökern in einer beeindruckenden Auswahl von Büchern einladen oder im Rahmen von Veranstaltungen Outdoor-Fans bei Info-Abenden zusammenbringen. Etwa dazu, wie man richtig mit einem GPS-Gerät umgeht oder welche Kleidung für welche Klimazone zu empfehlen ist. Auch Prominente wie der Extremsportler und Abenteurer Jonas Deichmann sind zu Besuch, um über ihre Erfahrungen zu berichten.

Secondhand wird salonfähig
Gebrauchtware wird zunehmend beliebt bei Konsumentinnen und Konsumenten. Basierend auf einer aktuellen Studie des IFH Köln sowie des Marktforschungsinstituts Appinio rechnet der Handelsverband HDE für 2023 mit einem Wachstum des Secondhandmarktes um acht Prozent auf dann 15 Milliarden Euro. Das seien gut zwei Prozent des gesamten Umsatzvolumens im deutschen Einzelhandel. Besonders beliebt sind Kleidung und Accessoires, Spielwaren sowie Elektronikprodukte. Genutzt werden dafür vor allem digitale Kanäle: 68 Prozent der Befragten gaben Plattformen wie Ebay Kleinanzeigen und Vinted an, 44 Prozent nutzen Flohmärkte für ihren Einkauf, 33 Prozent erwerben Kleidung und Produkte in stationären Secondhandläden und 13 Prozent gehen auf Kleidertauschpartys. Auch das Marktforschungsunternehmen GfK veröffentlichte kürzlich seinen Nachhaltigkeitsindex und kommt zu dem Ergebnis, dass Konsumentinnen und Konsumenten wieder nachhaltiger einkaufen. Mit der sich aufhellenden Verbraucherstimmung stieg der Index im April 2023 wieder an und lag bei 99,9 Punkten – 6,6 Punkte mehr als im Januar. Auch das Bewusstsein für soziale Nachhaltigkeit und die Erwartungen der Menschen an ein verantwortungsvolles Handeln von Unternehmen nahmen zu.

Röntgenblick durch Warenlager
Die Integration fortschrittlicher Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI), Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR) revolutioniert die Art und Weise, wie Kunden einkaufen. AR ermöglicht es, Kleidung virtuell anzuprobieren, während KI-gestützte Chatbots dabei unterstützen, die gewünschten Produkte effizienter zu finden. Einzelhändler können aber auch ihre eigenen Prozesse optimieren. Ein Beispiel ist das US-amerikanische Unternehmen Lowe’s, das seinen Mitarbeitenden ein interaktives, digitales Abbild, einen sogenannten digitalen Zwilling, seiner Filialen zur Verfügung stellt. Über ein Headset können Mitarbeitende mit der 3D-Visualisierung interagieren. Richtet eine Mitarbeitende oder ein Mitarbeiter etwa den Blick auf ein Regal, werden Informationen über die gewünschte Bestückung eingeblendet. Dadurch wird sichergestellt, dass es mit den richtigen Produkten in den richtigen Konfigurationen bestückt ist. Ein „Röntgenblick“ macht es außerdem möglich, Artikel in höher gelegenen Regaletagen zu identifizieren, ohne eine Leiter  benutzen zu müssen.

Klicken und Abholen
Onlinebestellungen sind extrem komfortabel. Sich die Produkte nach Hause liefern zu lassen, wird gerade in größeren Städten aber zunehmend zum Ärgernis. Überlastete Paketboten liefern die Ware unzuverlässig aus, oft muss das sperrige Regal oder, noch schlimmer, der schwere Sessel in einer empfindlich weit entfernten Filiale abgeholt werden. Innovative Retailer reagieren auf diese Situation mit einer Reihe von neuen Angeboten. Etwa, indem sie Optionen für die Abholung im Geschäft und Lieferungen bis an die Bordsteinkante anbieten. Kunden können dann Bestellungen online aufgeben und sie in einem Geschäft in der Nähe abholen. Für Händler, die im Bereich E-Commerce aktiv sind, ist dies auch eine Möglichkeit, die großen Mengen an Retouren zu verringern. Denn bis retournierte Waren wieder zum Verkauf bereitstehen, vergehen mitunter mehrere Wochen. Mit Click & Collect können Kunden ihre bestellte Kleidung direkt im Laden anprobieren und nur die Teile kaufen, die wirklich passen. Außerdem zieht die Abholung verstärkt Kundinnen und Kunden in den Store.

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Wirtschaft
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