Es ist ein prominentes Beispiel und es unterstreicht, wie schwer es ist, echte Alternativen zu herkömmlichen Kunststoffen zu finden: Seit Jahren ist der dänische Spielzeughersteller Lego auf der Suche nach neuen umweltfreundlichen Materialien, die die beliebten, aber erdölbasierten Plastikbausteine zukunftsfähig machen. Denn die Nachhaltigkeitsziele des Unternehmens sind ehrgeizig. Bis 2032 sollen die CO2-Emissionen um 37 Prozent verringert werden. Dafür will man in Billund in den nächsten zwei Jahren 1,2 Milliarden US-Dollar investieren. Die Illusion, das eine „magische Material“ zu finden, habe man allerdings bereits aufgegeben, sagte Lego-Chef Niels Christiansen kürzlich gegenüber der britischen Financial Times – obwohl man aberhunderte Alternativen getestet habe. Nun musste auch der Versuch eingestampft werden, Lego-Steine aus recycelten PET-Flaschen herzustellen. Nach zwei Jahren Forschung und Entwicklung war klar, dass hier keine wesentlichen Einsparungen an CO2 möglich waren. Aufgeben will man in Dänemark dennoch nicht, genauso wenig wie die gesetzten Ziele herabstufen.
Nachhaltigkeit und Kunststoffe – es ist ein Widerspruch, der bisher kaum gelöst werden kann, obwohl es zahlreiche Versuche und Initiativen gibt. Da das eine „magische Material“ fehlt, gibt es grundsätzlich zwei Strömungen, Kunststoffe nachhaltiger zu machen: Zum einen, indem grüne Erdölalternativen in der Herstellung eingesetzt werden, zum anderen, indem die bereits produzierten Kunststoffe durch intelligentes Recycling wiederverwendet werden. Zur ersten Kategorie gehört etwa die Kunststofferzeugung mit nachhaltigem Methanol. Erst Anfang des Jahres hat das schwedische Chemie-Unternehmen Perstorp 100 Millionen Euro von der Europäischen Union für das „Project Air“ erhalten, um kommerziell Methanol auf Basis von CO2, Petrochemie-Rückständen, Wasserstoff und Biomethan zu erzeugen. 500.000 Tonnen CO2 sollen der Atmosphäre so pro Jahr entzogen werden. Die Anlage soll bis 2026 am Perstorp-Standort in Stenungsund, Schweden entstehen. Kunststoffproduktion in Kombination mit CO2-Reduktion – klingt nach großem Potenzial. Ob das Projekt diese Erwartungen auch halten kann, bleibt abzuwarten.
Kunststoffe auf Pflanzenbasis
Alternativ kommen auch immer häufiger biobasierte Polymere zum Einsatz. Dabei handelt es sich um Kunststoffe auf Pflanzenbasis. Klingt zunächst nachhaltig, weil Pflanzen klimaneutral sind und nachwachsen. Der Anbau im großen Stil, den es für die Nutzung in der Kunststoffproduktion braucht, zeichnet jedoch ein anderes Bild: Es werden große Felder benötigt, die gedüngt und bewässert werden müssen, im Zweifel entstehen Monokulturen mit einer schlechten Umweltbilanz. Auch ihr Recycling kann je nach Ausgangsmaterial sehr komplex und mit einem hohen Wasserverbrauch verbunden sein. Und: Viele biologisch abbaubare Kunststoffe werden nach wie vor auf Erdölbasis hergestellt. Das Joint Research Centrum der Europäischen Kommission weist daher darauf hin, dass „biobasiert“ nicht zwangsläufig auch nachhaltiger heißen muss, speziell wenn es um den Vergleich zu hochwertigem Recycling geht. Zumal ein effizientes Recycling – auch bekannt als Kreislaufwirtschaft – das ohnehin schon bestehende Müllproblem nicht noch zusätzlich vergrößert, was vor allem in Form schwimmender Plastikinseln in den Weltmeeren zu einer Belastung für Mensch, Tier und Umwelt wird.
Ziel muss es also sein, den Kreis effizient zu schließen. Aus Kunststoff, egal ob herkömmlich oder Bio, sollte wieder neuer Kunststoff werden – zumal wir in der Produktion, siehe Lego, noch keine wirklichen Alternativen gefunden haben.
In puncto Recycling liegt vor allem Europa bisher gut im Rennen. Laut des Verbands Plastics Europe stammen von den weltweit 400 Millionen Tonnen produziertem Kunststoff knapp 38 Millionen Tonnen aus recycelten oder biobasierten Rohstoffen. In Europa machen zirkuläre Rohstoffe sogar schon 19,5 Prozent der gesamten Kunststoffproduktion aus. Und laut Verband wächst die Produktion von zirkulären Kunststoffen in Europa 16-mal schneller als die von fossilbasierten.
Durchdachtes Recycling-Design
Um die Berge an Plastikmüll zu reduzieren, müsste die Kreislaufwirtschaft allerdings weltweit die Tendenzen aufweisen, wie es derzeit in Europa der Fall ist. Dort sei die Kunststoffindustrie in der Entwicklung von zirkulären Kunststofftechnologien führend, attestiert Plastics Europe. Leider sinke ihr Anteil an der weltweiten Produktion jedoch kontinuierlich. Lag er im Jahr 2002 noch bei 28 Prozent, sind es heute nur mehr 14 Prozent. Als Hauptgründe führt der Verband die hohen Energiekosten, die Regulierung und den begrenzten Zugang zu Rohstoffen an.
Zumal Europa ab 2050 vor einer weiteren Herausforderung stehen wird: Wenn mit dem Green Deal der EU wirklich keine fossilen Rohstoffe mehr in der Produktion eingesetzt werden dürfen, werden wir die Nachfrage nach Kunststoffen allein aus dem Recycling nicht mehr decken können. Das liegt daran, dass sich nicht 100 Prozent der Kunststoffe recyceln lassen und der Bedarf weltweit kontinuierlich steigt. Auch deshalb wird weiter viel Geld in die zweigleisige Forschung und Entwicklung investiert. Ziel ist es, in Zukunft durch ein durchdachtes Recycling-Design einen deutlich größeren Anteil an Kunststoffen mechanisch oder chemisch für die Wiederverwendung aufzubereiten und neue, nachhaltige Quellen für die Produktion zu finden. Vor allem beim chemischen Recycling ist auch in Europa noch deutlich Luft nach oben. Hier trägt die Industrie nur mit 0,2 Prozent, weltweit sogar mit unter 0,1 Prozent der Gesamtproduktionsmenge bei.
Bei allen Bemühungen, die Kunststoffproduktion umweltfreundlicher zu gestalten, braucht es vor allem aber auch eine weltweit konzertierte Aktion, Kunststoffmüll zu reduzieren. Europa mag zwar als gutes Vorbild vorangehen, hat aber nur wenig Strahlkraft, wenn der Rest der Welt sagt „nett, aber zu teuer.“ Oder aber wir finden doch noch das eine „magische Material“ als nachhaltige Alternative – vielleicht dann, wenn der Druck noch weiter zunimmt.