Ökologie, Ökonomie, Soziales

Der Gebäudesektor ist für 30 Prozent aller CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich. Welche Stellschrauben können dafür sorgen, dass Bauen nachhaltiger wird?

Illustratorin: Laura Neuhäuser
Illustratorin: Laura Neuhäuser
Eike Schulze Redaktion

Das Tagungsgebäude St. Wunibald von Kloster Plankstetten wurde zum größten Teil aus nachwachsenden Rohstoffen errichtet. Die Konstruktion besteht aus einem Holzständer, der mit Fichtenholz verschalt wurde. Die zusätzliche Dämmung besteht aus Stroh. Die Hölzer und das Stroh stammen aus den eigenen Wäldern und von ökologisch bewirtschafteten Feldern. Die Idee dabei war es, alle wesentlichen Materialien zum Bauen regional zu beschaffen, um so unter anderem CO2 zu sparen. Und selbstverständlich verfügt das Mehrzweckgebäude  über einen Passivhaus-Standard. Mehr Nachhaltigkeit beim Bauen geht heutzutage kaum.

Klimaschutz und Soziales

Ginge es nach Bundesumweltministerin Steffi Lemke und Bundesbauministerin Klara Geywitz, würden sich wohl noch mehr Architekten ein Beispiel an St. Wunibald nehmen. Beide betonten unlängst unisono auf einer Pressekonferenz, wie wichtig das Bauen mit nachwachsenden Rohstoffen ist. „Bauen und Klimaschutz müssen immer zusammen und sozial gedacht werden“, sagte Geywitz. Und Lemke ergänzte: „Wir werden für die Klimakrise andere Städte brauchen als die, die sich mit Beton und Asphalt immer schneller erhitzen.“

Dies scheint auch notwendig, denn etwa 40 Prozent der CO2-Emissionen weltweit entfallen auf den Gebäudesektor. In Deutschland sind Bau und Nutzung von Gebäuden für etwa 30 Prozent der Emissionen verantwortlich. Nachdem der Energieverbrauch für das Heizen und Kühlen bei Neubauten über die letzten Jahrzehnte gesenkt wurde, muss nun der gesamte Lebenszyklus eines Gebäudes in den Blick treten und ökologisch optimiert werden: von der Baustoffherstellung über Errichtung und Betrieb bis hin zu Rückbau oder Abriss.

Alleine acht Prozent der CO2-Emissionen stammen aus der Produktion von Zement. Damit steht beim nachhaltigem Bauen vor allem der bewusste Umgang mit Materialien im Fokus. Das Umweltbundesamt (UBA) haut in die gleiche Kerbe. Gemeinsam mit der Kommission für nachhaltiges Bauen (KNBau) entstand ein Empfehlungspapier, in dem es heißt: „Durch eine intensive Nutzung von Holz ist ein treibhausgasneutraler Bau und langfristiger Erhalt von Gebäuden nach aktuellen Berechnungen möglich.“

Illustratorin: Laura Neuhäuser
Illustratorin: Laura Neuhäuser

Zukünftig sollen sowohl beim Erhalt und der Modernisierung wie auch beim Bau von Gebäuden mehr natürliche Materialien zum Einsatz kommen. Das heißt, es muss nicht immer etwas neu entwickelt werden, auch traditionelle Baustoffe haben ihren Platz.

Nachhaltiger Industriebau – geht das?

Aber gerade beim Büro und beim Bau von Handelsflächen stoßen die traditionellen Baustoffe wie Holz an ihre Grenzen, von Industriebauwerken ganz zu schweigen. Will man möglichst klimaschonend bauen, sind Veränderungen notwendig. Zwei Wege erscheinen vielversprechend, zum einen mehr auf erneuerbare Ener-gien in der Produktion zu setzen oder durch andere Verfahren zu verbessern, um einen „neuen“ Zement herzustellen. Die Herkulesaufgabe, die die Politik der Wirtschaft gestellt hat: Zement soll zukünftig möglichst CO2-arm hergestellt werden.

So setzt heute schon die F.C. Nüdling Betonelemente GmbH & Co. KG bei der Produktion von  Beton ausschließlich auf Ökostrom, der auch in werkseigenen Photovoltaikanlagen erzeugt wird. Im Rahmen eines hausinternen Energiesparwettbewerbs seien nahezu 120.000 Kilowattstunden oder 37.000 Kilogramm CO2 eingespart worden. Andere Anbieter entwickeln neue Betonprodukte. Einige Pilotprojekte sind hierzu bereits entstanden. Gemeinsam mit den Partnern Cool Planet Technologies und dem Helmholtz-Zentrum Hereon hat der Zementhersteller Holcim eine CO2-Abscheideanlage installiert, die auf einer innovativen Membrantechnologie basiert. Die ersten Erfahrungen sind sehr positiv. Das Pilotprojekt läuft noch zwei Jahre und soll eine Abscheidung von 90 Prozent CO2 erreichen. Das so gewonnene flüssige CO2 kann dann anderen Akteuren zur Verfügung gestellt werden, beispielsweise um daraus Kraftstoffe zu produzieren. Doch diese neuen Verfahren bei der Herstellung von Zement verteuern gleichzeitig die Produktion, das dürfte sich im Preis niederschlagen, auch wenn durch die CO2-Abscheidung ein interessantes Nebenprodukt entsteht, dass sich zusätzlich vermarkten lässt, so weit dies durch die Politik nicht verhindert wird.

High-Tech beim Bau ist ein weiterer Schritt zur Klimaneutralität. So entstand mit dem „Cube“ ein Bürohochhaus der nächsten Generation. Zwei Aspekte sind bei dem Gebäude bemerkenswert. Es entstand ein 42,5 Meter hoher glasverkleideter Baukörper mit einer zweischaligen Fassade, die zum einen ein zu starkes Aufheizen bei Sonnenschein verhindert und gleichzeitig die überschüssige Wärme nutzt, um in schattigen Bereichen eine angenehme Temperatur zu gewährleisten. Diese Konstruktion wird als osmotische Hülle bezeichnet und ist damit quasi ein Fingerzeig ins Bauen von morgen. Darüber hinaus verfügt das Gebäude über eine smarte Gebäudesteuerung. Die zentrale Rechnereinheit steuert mittels Apps verschiedene Funktionen wie Raumklima, Zugangskontrollen, Buchungssysteme, Beleuchtung oder Fahrstühle. „Cube“ hat eine nutzbare Fläche von 19.500 Quadratmeter und einen extrem ehrgeizigen ENEV-Standard von 30.

Solche, so genannte „Green Buildings“ haben den Anspruch,  ressourcenarm, umweltschonend und energiesparend zu sein, vom Bau über den Betrieb bis hin zur Demontage. Basierend auf den drei wichtigen Säulen der Nachhaltigkeit Ökologie, Ökonomie und soziale Aspekte wurden in den letzten Jahren verschiedene Zertifizierungssysteme für nachhaltige Gebäude entwickelt, die mit einer Bandbreite an Bewertungskriterien eine Art Leitfaden bieten. International gibt es über 40 verschiedene Zertifizierungssysteme mit den unterschiedlichsten Herangehensweisen und Zielsetzungen. In Deutschland gilt das Zertifikat der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen DGNB als richtungweisend. Das Zertifizierungssystem ist in unterschiedlichen Varianten für Gebäude, Quartiere und Innenräume verfügbar. Als Planungs- und Optimierungstool hilft es allen am Bau Beteiligten bei der Umsetzung einer ganzheitlichen Nachhaltigkeitsqualität.

Auch das DGNB-System fußt auf den drei zentralen Nachhaltigkeitsbereichen Ökologie, Ökonomie und Soziokulturelles, die gleichgewichtet in die Bewertung mit einfließen. Bewertbar wird die Performance in diesen Qualitäten durch Zertifizierungskriterien. Diese sind individuell abgestimmt auf verschiedene Nutzungstypen und sowohl für Neubau, Bestand als auch Sanierung und den Gebäudebetrieb anwendbar.

Nächster Artikel