Herr Dr. Meeder, die CropEnergies AG möchte die chemische Industrie defossilisieren. Können Sie das kurz erklären?
Defossilisierung ist in der Tat das richtige Stichwort. In den politischen und gesellschaftlichen Diskussionen reden wir immer über Dekarbonisierung, also die Abkehr von Kohlenstoffen, aber das ist zu kurz gesprungen. Ein Teil der Energieversorgung lässt sich mit z. B. PV- oder Windstrom tatsächlich dekarbonisieren. Darüber hinaus sind Kohlenstoffverbindungen aber sowohl als Energieträger als auch als Baustein für die Chemieindustrie unverzichtbar. Sie begegnen uns im Alltagsleben in unzähligen Variationen – von Farben und Lacken bis hin zu komplexen Kunststoffen. Wenn wir den Klimawandel ernst nehmen, dann müssen wir davon wegkommen, z. B. Kunststoffe aus fossilen Kohlenstoffen herzustellen. Die Lösung dafür sind vielmehr erneuerbare Kohlenstoffe, etwa aus landwirtschaftlichen Rohstoffen. Und da kommt CropEnergies ins Spiel. Mit über einer Million produzierten Kubikmetern pro Jahr sind wir Marktführer in Europa für die Herstellung von erneuerbarem Ethanol. Ethanol ist ein wichtiger Grundstoff für die chemische und die Lebensmittelindustrie. Als Beimischung zu Kraftstoffen verringert er außerdem den CO2-Ausstoß.
Können Sie uns genauer erklären, wie Sie das machen?
Das Ethanol stellen wir aus der Vergärung landwirtschaftlicher Rohstoffe her, aber auch zunehmend aus biogenen Abfall- und Reststoffen. Ganz wichtig: Die Kreislaufwirtschaft ist Teil unserer Strategie. Wir verwenden 100 % der Rohstoffe, die wir regional beziehen. Aus den Reststoffen, die bei der Ethanolproduktion anfallen, stellen wir unter anderem proteinreiche Lebens- und Futtermittel her. Ein weiteres Nebenprodukt ist biogenes CO2, das bei der alkoholischen Gärung entsteht. Wir verflüssigen es und liefern es z. B. an die Getränkeindustrie. Wir haben also einen komplett geschlossenen Kreislauf.
Noch einmal zur chemischen Industrie – wie wichtig sind für sie Ethanol und andere Kohlenstoffverbindungen?
Ethanol ist ein Wundermolekül. Sie können aus Ethanol sehr viele Basischemikalien herstellen, die selbst wiederum in unzähligen Wertschöpfungslinien Verwendung finden. Auch für die Herstellung von Kunststoffen braucht man Kohlenstoffe. 2020 hatte die Chemiebranche weltweit einen Bedarf von 450 Millionen Tonnen Kohlenstoffen, die zu 85 % aus fossilen Quellen stammten. Für 2050 rechnet das Nova Institut mit einem Bedarf von einer Milliarde Tonnen und prognostiziert, dass die dann zu 20 % aus biogenen Rohstoffen, zu 25 % aus CO2 und zu 55 % aus recyceltem Material stammen. Wir stellen nun eben biogenes Ethanol zur Verfügung. Das ist für die chemische Industrie eine hervorragende Möglichkeit, ihren fossilen CO2-Fußabdruck zu reduzieren.
Zukunftsfrage: Wie geht es weiter mit CropEnergies, was ist geplant?
Wir werden im Chemie- und Industriepark Zeitz bei Leipzig eine Anlage zur nachhaltigen Produktion von erneuerbarem Ethylacetat bauen. Das ist ein Lösungsmittel, das zum Beispiel in Verdünnern und Nagellackentfernern steckt. Sie können damit aber auch nachhaltige Farben, Lacke oder Kleber herstellen. Wir planen ab 2025 eine Jahresproduktion von 50.000 Tonnen Ethylacetat. Ein weiteres Projekt ist die Planung einer Anlage zur Herstellung von Ethylen. Ethylen ist die meistproduzierte organische Grundchemikalie und ein unverzichtbarer Ausgangsstoff. In beiden Werken setzen wir auf unser nachhaltiges Ethanol, auf Kreislaufwirtschaft und damit auf die Defossilisierung der Industrie.
www.cropenergies.com
»Die chemische Industrie braucht Kohlenstoff«
Auch in Zukunft brauchen die chemische und andere Industrien kohlenstoffbasierte Rohstoffe. CropEnergies setzt auf deren nachhaltige Produktion.
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