Mit Kapital die Welt verbessern

Die Nachfrage nach ESG-Investments, alternativen Kapitalanlagen oder „Grünen Fonds“ steigt rapide.
Illustration: Banu Nefes Yildiz
Illustration: Banu Nefes Yildiz
Mirko Heineman Redaktion

Viele Anleger setzen dabei nicht nur auf Rendite mit Trendthemen wie erneuerbare Energien, Klimawandel, Vegetarismus, sondern sie wollen mit ihrem Geld auch etwas bewirken. Der kommende Trend lautet: „Impact Investing“.

 

Wer in nachhaltige Geldanlagen investieren möchte, hat inzwischen eine enorme Auswahl an Möglichkeiten. Meistens wählen diesbezüglich orientierte Anleger einen Investmentfonds, der ökologische und soziale Kriterien berücksichtigt und gute Unternehmensführung einbezieht – auch „ESG-Investment“ genannt. ESG, für „Environmental“, „Social“ und „Governance“, ist für viele aber mehr als nur eine Reihe von Investitionskriterien. Die Deutsche Bank etwa definiert ESG als eine „Ambitionserklärung für die Welt, wie sie sein sollte, wenn die Finanzkraft zur Unterstützung der umfassenderen Ziele der Gesellschaft eingesetzt werden kann.“ ESG soll also die Macht haben, die Welt zu verändern – zum Guten, natürlich.

 

Das ESG-Segment wächst schnell. Laut Marktbericht des Forums Nachhaltige Geldanlage (FNG) waren Ende 2020 mehr als 335 Milliarden Euro in Deutschland nachhaltig angelegt – eine Steigerung um 25 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der Bericht erfasst Investmentfonds, Mandate sowie Eigenanlagen und Kundeneinlagen grüner Banken, bei denen ESG-Kriterien angewendet werden. Laut dem Marktbericht wendeten 93 Prozent aller Fonds und Mandate Ausschlusskriterien an. Besonders häufig werden Unternehmen ausgeschlossen, die gegen Menschenrechte und internationale Arbeitsstandards verstoßen oder in Korruption und Bestechung verwickelt sind. Deutlich zugenommen hat der Stellenwert von Kohle als Ausschlusskriterium – es kletterte auf Platz drei der Ausschlusskriterien nach den beiden oben genannten.

 

Zwar gibt es Investoren, denen es vor allem auf den gesellschaftlichen Effekt ankommt und denen die Erwirtschaftung von Gewinnen nicht so wichtig ist. Laut Marktstudie 2020 der Bundesinitiative Impact Investing sind dies aber nur 18 Prozent aller derjenigen, die auf diese Weise ihr Geld anlegen. Über die Hälfte der Investoren aber erwartet marktübliche Erträge. Ein wachsender Anteil erhofft sich durch die Nachhaltigkeitskriterien sogar eine überdurchschnittliche Rendite. Kein Wunder: Herausforderungen wie Klimawandel, Ressourcenmangel, Artensterben, Wasserknappheit und Pandemien verlangen nach neuen Lösungsstrategien. Investitionen in Klimaschutz, Wasser oder erneuerbare Energien werden immer stärker nachgefragt.

 

Das Problem vieler Investmentfonds, die in dezidiert nachhaltige Geschäftsmodelle investieren: Die meisten investieren einfach in ETFs, also Indexfonds, die bestimmte Sektoren abbilden – zum Beispiel Unternehmen, die erneuerbare Energien bereitstellen, elektrische Mobilität fördern oder vegetarische Produkte anbieten. Mit dem Kapital wird der jeweilige Sektor gestärkt, aber aktiver Einfluss wird nicht ausgeübt. Die Stimmrechte, die Aktionäre üblicherweise wahrnehmen, treten sie an die Fondsgesellschaften ab. Solche passive Investments können sinnvoll sein, um von aktuellen Trendthemen zu profitieren. Um die Welt zu verändern, taugen sie aber nur bedingt.  

 

»Investments in ETFs können sinnvoll sein, um von aktuellen Trendthemen zu profitieren. Um die Welt zu verändern, taugen sie aber nur bedingt.«

 

Wer einen Schritt weiter gehen und wirklich etwas verändern möchte, betreibt „Impact Investing“. Gemeint ist die direkte Einflussnahme auf Geschäftsentscheidungen über die Kapitalbeteiligung. Grundidee: Nachhaltig denkende Investoren mit politischem Gestaltungswillen nehmen über ihre Stimmrechte als Aktionäre Einfluss auf die Unternehmenspolitik – so können sie eine umweltfreundlichere Produktion einfordern, eine nachhaltigere Wertschöpfungskette anregen oder die Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien bei der Beschaffung durchsetzen.

 

In diese Kerbe schlägt das Fintech Inyova, das sich selbst als digitale Plattform für Impact Investing bezeichnet. Wer dort investiert, nutze Geldanlage als Hebel, um die Wirtschaft nachhaltiger zu machen, so Gründer und CEO Dr. Tilmann Lang: „Unsere Kunden nehmen über Unternehmen, in denen sie investiert sind, aktiv Einfluss auf Klimaschutz, Mobilitätswende und den sozialen Wandel.“ Dafür erwerben Kunden ein langfristig ausgelegtes und über einen Algorithmus risikooptimiertes Portfolio aus Anleihen und Aktien. Inyova rechnet dabei mit der „langfristigen Durchschnittsrendite des globalen Aktienmarkts“, so Lang. Der entscheidende Unterscheid zu einem digitalisierten ESG-Fonds ist, dass Invoya nicht in ETFs, sondern direkt in Unternehmensanteile, also in Aktien, investiert – nach eigenen Angaben ist Invoya der einzige digitale Vermögensverwalter außerhalb der USA, der dazu in der Lage ist und die entsprechende Lizenz hat. Damit bekommen Inyova-Investoren Einfluss in der Wirtschaft – sowohl über ihr Stimmrecht auf Aktionärsversammlungen als auch über die öffentliche Wirkung, die Inyova erzielt. „Darüber verändern wir die Welt“, so Lang, „und machen sie ökologischer, sozialer, besser.“

 

Noch einen Schritt weiter gehen Impact-Investoren, deren vorrangiges Ziel nicht das Streben nach Gewinn ist, sondern ihr gesellschaftlicher Zweck. Was die Ziel-Unternehmen vereint ist, dass sie eine soziale Funktion innerhalb der Gesellschaft erfüllen, sie werden deshalb als Sozialunternehmen bezeichnet. Und so ähnlich ticken auch die Anleger, die in solche Unternehmen investieren. Ihr Investment bemisst sich in der Regel an einer gesellschaftlichen Rendite, also einer positiven gesellschaftlichen oder ökologischen Wirkung. Bei dieser Art von Geldanlage kann der Gewinn natürlich nicht so hoch sein wie bei einem auf Rendite getrimmten Produkt.

 

Die Themen, die Impact-Investoren verfolgen, sind: Klimaschutz, Gesundheit und Wohlergehen, bezahlbare und saubere Energie sowie hochwertige Bildung, so die Marktstudie 2020 der Bundesinitiative Impact Investing. Wird dort nach dem größten Bedarf für Impact Investing in Deutschland gefragt, sind wiederum Klimaschutz, saubere, also erneuerbare Energie, demografischer Wandel und Bildung die Top-Themen, für die ein großer Investitionsbedarf gesehen wird. Dies zeigt, dass die globalen Megatrends auch bei Impact-Investoren ganz oben auf der Agenda stehen.

 

Die Ähnlichkeit zu ESG- oder SRI-Geldanlageprodukten ist frappierend. Nur scheint in diesen beiden oben bereits angesprochenen Sektoren die Definition von Nachhaltigkeit recht dehnbar zu sein. Zu diesem Schluss kommt jedenfalls Gabriele Glahn-Nüßel, Leiterin der Abteilung Wertpapiere & Vorsorge bei der Nürnberger Umweltbank: „Das Problem ist, dass ein Teil der als nachhaltig beworbenen Investments lediglich einen grünen Anstrich hat“, sagt die Finanzexpertin. „So sind auch bei Weitem nicht alle Umweltfonds streng nachhaltig. Fonds beispielsweise, die nach dem Best-in-Class-Ansatz investieren, wählen die vergleichsweise nachhaltigsten Unternehmen jeder Branche aus, aber sie schließen keinen Wirtschaftszweig aus. Daher investieren sie grundsätzlich auch in Atomstrom, Erdöl, Waffen oder die Chlorindustrie. Das erwarten Kapitalanlegerinnen und -anleger aber nicht von einer nachhaltigen Anlage. Doch für sie ist es oft schwierig, die Spreu vom Weizen zu trennen.“

 

Auch das Forum Nachhaltige Geldanlagen FNG bemängelt die fehlende einheitliche Klassifizierung von Finanzprodukten, hofft aber für die Zukunft auf einen selbstregulatorischen Effekt: „Die Finanzwirtschaft wird den sozialen und ökologischen Rucksack ihrer Produkte zunehmend offenlegen“, so Dr. Helge Wulsdorf, Mitglied im Vorstand des FNG. „Dabei ist dann sehr genau zu schauen, welche nachhaltigen Qualitätsanforderungen gerade ausdrücklich wirkungsbezogene Produkte erfüllen müssen, damit es nicht zu einer Irreführung der Anlegerinnen und Anleger kommt. Schließlich wollen diese nicht nur finanzielle Rendite erwirtschaften, sondern mit ihren Geldanlagen auch einen nachweisbaren Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung leisten.“

 

»Die Finanzwirtschaft wird den sozialen und ökologischen Rucksack ihrer Produkte zunehmend offenlegen.«
– Dr. Helge Wulsdorf Vorstand, Forum Nachhaltige Geldanlagen

 


Unter anderem, um die Definition von nachhaltigem Investment zu schärfen, hat sich die Bundesinitiative Impact Investment gegründet. Sie möchte laut eigener Darstellung dazu beitragen, „Voraussetzungen zu schaffen, dass künftig noch mehr Kapital zur Bewältigung sozialer und ökologischer Herausforderungen im Sinne der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen eingesetzt wird.“ Als aktuelle Herausforderungen benennt die Initiative noch zu wenig geeignete Anlageprodukte in unterschiedlichen Asset- und Risikoklassen, mangelnde Unterstützung durch die Politik zum Beispiel durch die Anpassung rechtlicher Rahmenbedingungen sowie fehlende Anreizmechanismen für mehr impact-orientierte Unternehmensgründungen und -finanzierungen, die im größeren Rahmen das Potenzial von Impact Investing demonstrieren könnten.

 

Der Markt für Impact Investing befindet sich noch in der Pionierphase. Es gibt zwar bereits einige spezialisierte Investmentfonds, doch hat das Thema noch nicht den Mainstream erreicht. Gleichzeitig jedoch wächst das Interesse von Seiten der Investoren, der Sozialwirtschaft und der Wissenschaft an Impact Investing in Deutschland.

 

 

 

Was bedeutet ESG?
Die Abkürzung steht für die drei Kriterien „Environmental“, „Social“ und „Governance“. Sie wird auf Unternehmen angewandt, die erstens umweltfreundlich agieren, zweitens soziale Standards bei Mitarbeitern und über die gesamte Lieferkette hinweg beachten und drittens eine „gute Unternehmensführung“ vorweisen können, sprich: transparent und ehrlich agieren. Die Abkürzung wurde erstmals 2004 in einem Bericht der Vereinten Nationen verwendet. Darin wurde erklärt, wie die Einhaltung bestimmter Kriterien bei Investitionsentscheidungen positive Auswirkungen auf die Gesellschaft und die Finanzmärkte haben könnte. Für bestimmte Kriterien wird in der Finanzwelt auch der Begriff „SRI-Investment“ (Socially Responsible Investment) verwendet.

 

Die fünf Merkmale des Impact-Investments
1. Intentionalität
Mit dem Investment wird beabsichtigt, zu einer nachhaltigen Transformation der Wirtschaft und Gesellschaft beizutragen.

2.Zusätzlichkeit
Der positive Beitrag des Investments – zum Beispiel zu den Sustainable Development Goals (SDGs) beziehungsweise zur EU-Taxonomie – soll signifikant sein und glaubhaft dargelegt werden. Mögliche negative Beiträge sind hierbei auch zu berücksichtigen.

3. Wirkungskanäle
Die (direkten oder indirekten) Wirkungskanäle des Investments sollen erläutert werden.

4. Messbarkeit
Der positive Beitrag muss anhand messbarer Kriterien – zum Beispiel Sustainable Development Goals, EU-Taxonomie beziehungsweise Governance-Kriterien – dargelegt werden.

5. Transparenz
Über den positiven Beitrag muss transparent berichtet werden.

 

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