Herr Isele, Inova Semiconductors räumt serienweise Innovationspreise ab – haben Sie ein Patentrezept, wie man Trends erkennt und selbst setzt?
Das gibt es nicht. Für uns ist es extrem wichtig, immer einen heißen Draht zu den OEM zu haben, den Autoherstellern, für die wir unsere Produkte entwickeln. Wir verstehen, was sie brauchen, können die großen Linien sehen und entsprechend handeln. Das war schon bei unserer Gründung 1999 so: Es kristallisierte sich heraus, dass digitale Displays im Fahrzeug immer wichtiger werden – Inova hat begriffen, dass diese Anzeigen verbunden werden müssen und digitale Interfaces dafür entwickelt. Mit unserem System APIX sind wir auf dem Gebiet der Übertragung von Displaydaten heute einer der Marktführer. Und mit dem gleichen Innovationsansatz haben wir ein zweites Feld erschlossen.
Können Sie das erläutern?
Vor ein paar Jahren hat die Interieur-Beleuchtung im Auto massiv an Bedeutung gewonnen. Ich komme von BMW, da hieß es: Licht ist das neue Chrom. Licht ist flexibel einsetzbar, mit dynamischen Effekten und Animationen lassen sich verschiedenste Situationen darstellen und begleiten, ob man langsam fahren möchte oder schnell, tags unterwegs ist oder nachts. Für all diese Fälle braucht es LED mit smarten Treibern – die haben wir entwickelt und daraus unser System ISELED, kurz für Intelligent Smart Embedded LED, das Sensor- und Lichtnetzwerke unterstützt.
Was ist das Neueste, an dem Sie gerade arbeiten?
Im Lichtbereich wird Ende des kommenden Jahres die nächste Generation hochdynamischer, vernetzter Systeme in Serie gehen. Unsere jüngste Entwicklung für die Hochgeschwindigkeits-Datenübertragung im Fahrzeug heißt APXpress, das heißt Automotive Pixeldata Express, was unseren Anspruch verdeutlicht: Das Netzwerk überträgt alle möglichen Daten moderner Autos, ob von Displays, Steuergeräten oder Fahrerassistenzsystemen, dabei kann es 512 virtuelle Kanäle mit bis zu viermal 32 Gigabit verbinden. Damit bilden wir den Trend der zonalen Architektur im Auto ab: Ein paar wenige vernetzte Zentralsteuergeräte, und in der Peripherie Zonen-Controller, die dort ankommende Signale bündeln. Das spart auch Leitungen, Gewicht und Rechenleistung.
Wer setzt denn in der Automobilbranche derzeit die Trends?
Noch vor rund fünf Jahren war Europa das Nonplusultra, doch asiatische Hersteller hatten schon einen Aufholwettbewerb gestartet, mittlerweile sind sie auf einem hohen Niveau. In zwei bis drei Jahren können sie auf Augenhöhe sein. Denn die Innovationsgeschwindigkeit in Asien ist gigantisch. Wir sehen das beim Design-in: Europäische OEM entscheiden über die eingesetzte Technik drei Jahre, bevor das erste Auto auf der Straße sein wird – in China kann die Entscheidung noch im April fallen, wenn das Modell im Dezember anläuft.
Woher rührt der Unterschied?
Die dortigen Hersteller gehen ein größeres Risiko ein, sie haben keine Angst zu scheitern oder sagen kurz vor der Deadline: Wenn diese Idee nicht funktioniert, lasse ich sie eben weg. In manchen Technologiebereichen ist das möglich.
Wird die europäische Autoindustrie auf Rang zwei abrutschen?
Geschwindigkeit ist nicht alles. Die europäischen Unternehmen haben eine irrsinnige Innovationskraft und einen großen technologischen Vorsprung – noch. Sie müssen sich ranhalten. Aber sie haben auch mit schwierigen Rahmenbedingungen zu kämpfen, die es so in Asien nicht gibt und eine langfristige Strategie erschweren. Ein Paradebeispiel: das Hin und Her um das Ende des Verbrennungsmotors in der EU. Oder die ineffektive Förderung der Elektromobilität in Deutschland: Statt eine plumpe Kaufprämie für E-Autos aufzulegen, hätte man das Geld lieber in den Ausbau der Ladeinfrastruktur stecken sollen. Ähnliches sehe ich in der Förderung der Halbleiterindustrie, unserer Branche.
Wie meinen Sie das?
Große Unternehmen aus Taiwan oder den USA stellen in Deutschland eine Chipfabrik für viele Milliarden auf die grüne Wiese und bekommen dafür Fördergelder, das ist ja in Ordnung. Aber wäre es nicht nachhaltiger, hiesige Halbleiterhersteller dabei zu unterstützen, für die hiesige Autoindustrie zu produzieren, den Hauptabnehmer? Nicht unbedingt mit Geld, sondern durch Bürokratieabbau, Steuererleichterungen, Investitionsanreize. Oder durch langfristig wirksame Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel, etwa Reformen im Bildungsbereich: Unsere Hochschulen sind weit hinterher bei der Ausbildung von Halbleiterprozessentwicklern. Bei den Fachkräften fehlt uns das ganze Spektrum: Chipentwickler, Test- und Produktingenieure, Fachleute für Applikation. Unsere Gesellschaft vergisst zunehmend die Bedeutung der MINT-Fächer und der Naturwissenschaften für unseren Wohlstand.
Wäre das Umfeld für Inova im Ausland manchmal einfacher?
Wir sind und bleiben ein Münchner Unternehmen und sind stolz, für Qualität „Made in Germany“ zu stehen. Wir haben hunderte Millionen von Chips produziert und geliefert.
Chips von Inova werden so entwickelt, dass fehlerhafte Produkte nahezu ausgeschlossen sind. Das ist für Kunden ein wichtiges Gütesiegel.
Was bedeutet „Made in Germany“ für Sie noch?
Dass Menschen unter guten Bedingungen arbeiten, dass sie sich am Arbeitsplatz wohlfühlen können. Inova zieht demnächst um in ein größeres Gebäude in München, denn wir sind auf Expansionskurs. Unser Umsatz ist in den vergangenen Jahren jeweils zweistellig gestiegen, und das wird wohl noch einige Zeit so weitergehen. Wir haben jetzt 56 Mitarbeiter und wollen bis Ende des kommenden Jahres 70 beschäftigen, längerfristig peilen wir 80 bis 90 an. Am neuen Firmensitz stehen uns 2.500 Quadratmeter zur Verfügung, doppelt so viel wie im Moment, hinzu kommen attraktive Social Spaces. Raum zur Entfaltung und Kommunikation ist uns wichtig und fördert die Innovationskraft. Diese Gestaltung fördert die Attraktivität des Arbeitsplatzes, schließlich gehen die meisten von uns arbeiten, um zu leben, und leben nicht, um zu arbeiten.
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