Mit gutem Gewissen

Nachhaltigkeit bei der Geldanlage liegt im Trend. Was Großinvestoren vormachen, fällt Privatanlegern noch schwer – oft wegen mangelnder Beratung oder aus Angst um die Rendite. Doch Studien zeigen: Nachhaltigkeit kostet keine Performance.
Illustration: Luisa Jung by Masha Heyer
Gregor Hallmann Redaktion

Immer mehr Menschen wollen mit ihrem Geld keine Unternehmen, Projekte oder Länder finanzieren, die ihren eigenen Wertvorstellungen widersprechen. Deshalb suchen sie nachhaltige Anlagen, die Ökologie, soziale Aspekte sowie gute Unternehmensführung berücksichtigen. In der Finanzbranche hat sich dafür das Kürzel ESG durchgesetzt: E steht für Environment (Umwelt), S für Social (Soziales) und G für Governance (Unternehmensführung).


Der Markt boomt: Das Volumen nachhaltiger Geldanlagen stieg 2017 in Deutschland um neun Prozent auf einen Rekordwert von 171 Milliarden Euro, meldet der Fachverband FNG (Forum Nachhaltige Geldanlagen). Er definiert „nachhaltige Geldanlagen“ als Anlagen mit strengen ESG-Kriterien auf Produktebene. Das Volumen „verantwortlichen Investierens“ war mit 1,4 Billionen Euro noch viel höher. Darunter versteht das FNG Anlagen, bei denen auf institutioneller Ebene – etwa dem Vermögensverwalter – ESG-Kriterien beachtet werden.
„Das Wachstum nachhaltiger Geldanlagen übertrifft das Wachstum des Gesamtmarktes deutlich“ sagt FNG-Geschäftsführerin Claudia Tober. Allerdings ist der Markt von institutionellen Investoren geprägt, besonders von kirchlichen und Wohlfahrtsorganisationen, Pensionsfonds, Versicherungen und Stiftungen. Privatanleger machen weniger als zehn Prozent aus.


Beratung als Barriere

 

„Aus Umfragen wissen wir, dass fast die Hälfte aller Privatanleger gerne Nachhaltigkeitsaspekte bei Anlageentscheidungen berücksichtigen würden“, erklärt Professor Christian Klein, der dazu an der Universität Kassel forscht. „Sie machen es aber nicht, weil ihnen keine nachhaltigen Geldanlagen von ihren Bankberatern aktiv angeboten werden, weil sie sich schlecht informiert fühlen und weil sie fälschlicherweise davon ausgehen, dass sie auf Rendite verzichten müssten.“


Die Sorge um die Rendite kann die Wissenschaft inzwischen entkräften: „Wir haben über 2.000 Studien ausgewertet“, erklärt Alexander Bassen, Professor an der Universität Hamburg, „etwa die Hälfte zeigt einen positiver Zusammengang zwischen Rendite und Nachhaltigkeit, etwa 40 Prozent der Studien finden einen neutralen und nur zehn Prozent einen negativen Zusammenhang.“ Damit sei klar: „Die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien schadet nicht und kann in vielen Fällen mit einer besseren Performance einhergehen.“

 

Verwirrende Vielfalt

 

Auch wenn die Rendite stimmt: Anleger müssen sich bei nachhaltigen Geldanlagen noch zurechtfinden. Verwirrend ist die Vielfalt der Strategien, die für Nachhaltigkeitsziele benutzt werden. Das FNG nennt drei Grundphilosophien: Vermeiden, Fördern und Beeinflussen. „Das Vermeiden über Ausschlusskriterien wird am häufigsten angewandt“, sagt Claudia Tober, „so werden Anlagen ausgeschlossen, die beispielsweise mit Waffen, Atomkraft, Pornografie oder Glücksspiel verbunden sind.“ Beim Beeinflussen sollen Unternehmen für die Berücksichtigung von ESG-Kriterien gewonnen werden, über Stimmrechtsausübungen und Aktionärsanträge oder den direkten Kontakt zur Unternehmensführung. Beim Fördern werden nachhaltige Branchen und Firmen gezielt gekauft, etwa in Themenfonds zu Klimawandel oder Ökoeffizienz.


„Einfache Ausschlüsse führen zur Portfoliobereinigung um wesentliche Risiken oder ethische Grundsatzfragen“, erklärt Alexander Bassen, „kombinierte Strategien aus positiver Titelselektion und Best-in-Class-Ansätzen können Nachhaltigkeitsthemen umfassender berücksichtigen.“ Best-in-Class heißt: Investierbar sind Unternehmen, die im Branchenvergleich in ökologischer, sozialer und ethischer Sicht herausragen. „Ein reines Best-in-Class-Portfolio birgt allerdings die Gefahr, dass zum Beispiel Rüstungsfirmen enthalten sind, die einen geringeren CO2-Ausstoß haben als andere Rüstungsfirmen“, warnt Christian Klein. „Wer absolut nicht in Waffenproduktion investieren will, braucht einen Fonds, der Rüstung als Ausschluss definiert.“ Die meisten Fondsmanager, ergänzt Klein, würden eine Kombination aus mehreren Ansätzen verwenden.


Der Begriff „nachhaltig“ ist weder geschützt noch genau definiert, das macht die Orientierung im Produktdschungel schwer. Allerdings gibt es Kennzeichnungen wie das Luxflag in Luxemburg oder das FNG-Siegel in Deutschland. „Dieser Qualitätsstandard hilft, glaubwürdige, vernünftige und solide Nachhaltigkeitsfonds auf einen Blick zu identifizieren“, sagt Claudia Tober. „Den nationalen Labels liegt aber kein gemeinsames Verständnis von Nachhaltigkeit zugrunde“, gibt Magdalena Kuper, die Nachhaltigkeitsexpertin des deutschen Fondsverbandes BVI, zu bedenken.


Außerdem seien nicht alle Produkte, die als nachhaltig angeboten werden, nach diesen Labels klassifiziert.

 

EU schiebt an

 

Europa will nachhaltiges Investieren fördern. „Auf EU–Ebene werden gerade Vorgaben zur Taxonomie, also zur genauen Definition nachhaltiger Anlagen, zu Nachhaltigkeits-Benchmarks und zu Transparenzanforderungen verabschiedet oder stehen kurz vor dem Abschluss“, sagt Alexander Bassen, „dadurch wird sicherlich mehr Klarheit in die Abgrenzung von nachhaltigen Geldanlagen gebracht.“ Für BVI-Expertin Magdalena Kuper ist noch vollkommen unklar, wie die Taxonomie wirken wird: „Im Vorschlag der EU-Kommission ist sie vor allem als Grundlage für nationale Labels beziehungsweise das geplante EU-Ecolabel für Finanzprodukte angedacht.“

Andere EU-Vorschriften dürften der nachhaltigen Geldanlage aber einen Schub geben, glaubt Christian Klein: „Ab Mitte nächsten Jahres wird zur Pflicht, bei Beratungsgesprächen in der Bank auf das Thema Nachhaltigkeit einzugehen – die Auswirkungen werden enorm sein, und die Nachfrage nach nachhaltigen Geldanlageprodukten wird immens wachsen.“ Für Umwelt und Gesellschaft wäre das gut, und Anleger könnten Rendite mit gutem Gewissen erzielen.

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