Digitalisierung ohne Disruption

Digitale Finanzdienstleister leiden unter dem konservativen Anlageverhalten der Deutschen. Zunehmend entstehen Partnerschaften zwischen Fintechs und Banken.
Mirko Heinemann Redaktion

Den digitalen Vermögensverwaltungen, auch „Robo Advisors” genannt, wurde eine große Zukunft vorausgesagt. Jetzt aber sieht es so aus, als sei deren Siegeszug irgendwo auf halber Strecke ausgebremst worden. Die Hoffnungen der Robo-Anbieter hätten sich nicht erfüllt, erklärte Matthias Hübner, Partner der Beratungsgesellschaft Oliver Wyman, jüngst gegenüber dpa. „Sparer halten sich bei bei einfachen, automatisierten Geldanlagen stark zurück.” Den Grund für die Zurückhaltung sieht er in den traditionellen Banken, die ihrem bewährten Kundenstamm lieber die eigenen Fonds verkauften. Bei den Robo-Angeboten geben Sparer an, welche Anlagezeiträume, Einkommen und Risikoneigungen sie haben. Danach schlägt ein Computer ein Standardportfolio vor – meist aus Indexfonds (ETFs) von Anlageklassen wie Aktien, Anleihen und Immobilien.


Umgekehrt aber drängen etablierte Banken mittlerweile ebenfalls in den digitalen Markt und machen den jungen Unternehmen zu schaffen. Hübner beobachtet bereits erste Übernahmen und Rückzüge bei den Robos. Dieser Trend werde sich beschleunigen. Anbieter von digitalen Vermögensverwaltungen, darunter viele neu gegründete Unternehmen, hätten die Bedeutung einer bekannten Marke und die Kosten für Akquise neuer Kunden unterschätzt. Zudem richteten sich deren Geldanlage-Programme an eine kleine Nische von Kunden, die selbst gerne Internet-Angebote nutzen und zugleich an Wertpapieren interessiert sind. Viele Deutsche aber scheuen sich offenbar davor, ihr Vermögen anonym und von einer virtuellen Maschine verwalten zu lassen.


2017 noch klang das anders. Damals sprachen die Wyman-Analysten von „übertroffenen Erwartungen”, sahen aber schon damals eine entscheidende Wachstumsbremse: die starke Zurückhaltung der Deutschen, wenn es um die Nutzung digitaler Angebote allgemein und Risiken bei der Finanzanlage im Speziellen geht. „Um die Skepsis zu mindern, braucht es noch mehr Erfahrung mit digitalen Anlagekonzepten in der Praxis“, erklärte Hübner damals. „Außerdem steht der Beweis noch aus, dass Robo Advisors verglichen mit traditionellen Portfoliomanagern auch bei fallenden Kursen die besseren Vermögensverwalter sind.“


Diesen Beweis sind sie immer noch schuldig. Was sie aber ausmacht: Die Robos sind preiswerter als etwa die von Finanzexperten gemanagten Fonds großer Finanzdienstleister, deren Gebühren einen Teil der Gewinne wieder auffressen. Deshalb wächst der Markt, wenn auch nicht so schnell wie gedacht: 2018 lag das von Robo Advisors verwaltete Vermögen in Deutschland bei geschätzten drei bis vier Milliarden Euro, fürs laufende Jahr prognostiziert der Datendienstleister Statista ein Volumen von rund 7,5 Milliarden Euro. Aber die Erkenntnis der Neuanbieter, der Fintechs, reift: Ohne etablierte Partner geht es nicht. Das erkannte etwa das junge Unternehmen Ginmon, das seinen Kunden digitale Vermögensverwaltung anbietet. 2018 ist es eine Partnerschaft mit der Börse Stuttgart eingegangen. Sie gebe dem Start-up Zugang zu einer „äußerst Kapitalmarkt-affinen Kundschaft“, hieß es damals.


Da die Geldanlage-Start-ups von knappen Provisionen leben müssen, ist für sie ein hohes Anlagevolumen der Kunden entscheidend. Vorreiter auf dem deutschen Markt ist Scalable Capital, ein Robo Advisor, der eng mit der ING-DiBa zusammenarbeitet. Die Geldgeber des Münchner Unternehmens, der Hedgefonds Blackrock, Holtzbrinck Ventures und Tengelmann Ventures, haben jüngst die Gesamtfinanzierung des Robo Advisors auf 66 Millionen Euro erhöht. Sie wollen, dass der Finanzdienstleister noch schneller wächst. Scalable verwaltet eigenen Angaben zufolge mehr als 50.000 Kundenportfolios mit Einlagen von 1,5 Milliarden Euro und beschäftigt mittlerweile mehr als 100 Mitarbeiter in London und München. Laut Schätzungen des Finanzportals biallo.de wird Scalable noch in diesem Jahr die Marke von zwei Milliarden Euro knacken.


Während führende Banken, Asset Manager und Versicherer eigene digitale Angebote auflegen, geht Scalable den umgekehrten Weg: Das bislang im virtuellen Raum operierende Unternehmen will eine persönliche Beratung anbieten – eine Dienstleistung, die direkt ins Kerngeschäft der Banken zielt. Das Angebot gilt für Privatanleger mit einem Anlagevermögen ab 100.000 Euro. Um Beratung vor Ort anbieten zu können, reisen Mitarbeiter von Scalable Capital in die deutschen Metropolen und bieten dort Termine an. „Gerade vermögende Privatanleger kennen und schätzen die Vorteile von Technologie in der Geldanlage”, sagte Erik Podzuweit, Geschäftsführer von Scalable Capital, gegenüber dem Handelsblatt. „Klar ist aber auch, dass sich manche Investoren bei sechs- und siebenstelligen Anlagesummen eine persönliche Betreuung wünschen.“ Bereits heute würden Portfolios mit einem Volumen von über 100.000 Euro mehr als ein Drittel des verwalteten Kundenvermögens von Scalable Capital ausmachen.


Jetzt fallen also auch die letzten Barrikaden. Nun will auch der Verband der privaten Banken seinen Mitgliedern die Zusammenarbeit mit FinTechs erleichtern. Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB), Andreas Krautscheid, fordert vor allem mehr Sicherheit für die Banken bei der Auslagerung von Dienstleistungen. Es gehe vor allem darum, Risiken richtig einzuschätzen und die Anforderungen zu definieren, die FinTechs erfüllen müssen, wenn sie mit Banken kooperieren. Der Verband präsentierte eine Leitlinie, nach der sich Banken und FinTechs bei ihrer Zusammenarbeit richten können.


Der aktuelle Status quo im Markt für Finanz-Fintechs sei unbefriedigend, machte Krautscheid deutlich. Die Umsetzung der regulatorischen Anforderungen bei einer Zusammenarbeit mit den jungen Unternehmen dauere teilweise bis zu 18 Monate. „In dieser Zeitspanne hat sich so manche technische Innovation wieder von selbst erledigt.”

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