Schwankender Input

Bei der Energiewende spielen Speicher eine essenzielle Rolle, im Großen wie im Kleinen.

Illustration: Rosita Uricchio
Illustration: Rosita Uricchio
Lars Klaaßen Redaktion

Als Russland im Februar die Ukraine überfiel, rückten in Deutschland schlagartig die hiesigen Gasspeicher in den Fokus: Sind sie ausreichend befüllt, wie lange kommen wir im Falle eines Lieferstopps mit den Reserven über die Runden? Wie auch andere europäische Staaten ist Deutschland bei der Energieversorgung in hohem Maße auf Importe angewiesen. Über 70 Prozent unseres Bedarfs beziehen wir aus dem Ausland. Bei Erdgas sind es 94 Prozent, davon über die Hälfte aus Russland. Auch darüber hinaus spielen Energiespeicher eine wichtige Rolle: als essenzieller Baustein für die Energiewende. Selbst wenn wir uns irgendwann komplett von fossilen Energien wie Erdgas verabschiedet haben, werden diese bestehenden Speicher noch gebraucht – und viele neue unterschiedlicher Art.

Erneuerbare Energie aus Wind und Sonne steht zunächst in Form von Strom zur Verfügung, soll aber für die unterschiedlichen Bereiche unseres Energiesystems nutzbar gemacht werden. Um die Versorgung mit erneuerbaren Energien künftig sicherzustellen, bedarf es eines komplexen, aufeinander abgestimmten Zusammenspiels von Wärme, Mobilität und Industrie. Diese sogenannte Sektorkopplung dient dazu, den schwankenden Input auszugleichen, der mit dem Anteil erneuerbarer Energie im System zunimmt. Bei Windstille und Bewölkung sinkt der Ertrag von Windkraftanlagen und Solarkraftwerken. Das kann bis unter den aktuellen Bedarf gehen. Zu anderen Zeiten ist der Input dann wieder größer, als parallel verbraucht wird. Zwischenzeitliche Überschüsse müssen also gespeichert werden, um bei Bedarf darauf zurückgreifen zu können. Hierfür können etwa Batteriespeicher genutzt werden. Selbst die Akkus von E-Autos ließen sich kurzzeitig als Zwischenspeicher nutzten, wenn sie zum Beispiel über Nacht nicht bewegt werden.

Um die unterschiedlichen Sektoren unseres Energiesystems koppeln zu können, muss elektrische Energie zudem umgewandelt werden. Je nach Anwendungsgebiet bieten sich dafür entweder synthetische Gase (Power-to Gas), alternative Kraftstoffe (Power-to-Fuel/-Liquids) oder chemische Rohstoffe (Power-to-Chemicals) an. Bei der Umwandlung geht bislang noch viel Energie verloren. Zudem sind die Anlagen in der Regel teuer und nicht für den flexiblen Betrieb mit erneuerbarem Strom konzipiert. Wissenschaftler entwickeln Technologien, um die Effizienz, Flexibilität und Wirtschaftlichkeit solcher Anlagen
zu steigern. Da bislang bei solchen Umwandlungsprozessen noch viel Energie verloren geht, betont das Umweltbundesamt (UBA), sollten solche Brennstoffe nur dann genutzt werden, wo es technisch nicht möglich ist, erneuerbare Energien und erneuerbaren Strom direkt zu nutzen.

Mittel- und langfristig wird dabei ein Element laut UBA dennoch eine wichtige Rolle spielen: „So wird Wasserstoff direkt als Brennstoff in Gaskraftwerken erforderlich sein, um die Stromversorgung dauerhaft zu gewährleisten und die fluktuierende Stromerzeugung aus Photovoltaik- und Windkraftanlagen auszugleichen.“ Dies geschieht über Elektrolyse. Mit der Energie des vorhandenen Stroms wird Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff aufgespalten. Der Wasserstoff lässt sich als Gas speichern und bei Bedarf wieder in elektrische Energie umwandeln. Diese Rückverstromung lässt sich mit Brennstoffzellen bewerkstelligen. Als erneuerbarer Brenn-, Kraft- und Rohstoff wird Wasserstoff, so das UBA, „langfristig vornehmlich in der chemischen Industrie, der Stahlindustrie sowie in Luft- und Schiffsverkehr und Teilen des Schwerlastverkehrs benötigt.“ Hierfür kann die vorhandene Infrastruktur für Erdgas genutzt werden, auch die Speicher.

Im Energiesystem der Zukunft wird Wasserstoff eine ganz andere Rolle übernehmen als heute das Erdgas, das bislang einen großen Teil der Erzeugung ausmacht. Davon geht man im Denk- und Politiklabor Agora Energiewende aus, das im April 2022 zwölf Thesen zu Wasserstoff veröffentlicht hat: „Saisonale Wasserstoffspeicher werden unverzichtbar sein, denn die Erzeugung von Solarenergie ist im Sommer am höchsten, aber auf der Nordhalbkugel wird in der Regel die meiste Energie im Winter verbraucht. Das Erzeugungsprofil der Windkraft hingegen ist im Winter besser, aber nicht selten ist der Wind wochenlang schwach.“ Die Experten der Agora Energiewende plädieren dafür, geologische Speicher anzulegen, insbesondere Salzkavernen. Diese würden die geringsten Kosten verursachen.

Doch Lösungen finden sich auch im Kleinen. So stellen etwa Microgrids eine wichtige Komponente für die Energiewende dar: Sie vernetzen nachhaltige Energiequellen wie Windkraftanlagen mit Energiespeichern wie Batterien und mit Energieverbrauchern aus verschiedenen Sektoren, etwa Elektrizität, Wärme oder Mobilität. Die lokalen Netze können sowohl ans überregionale Netz gekoppelt werden als auch autonom im Inselbetrieb Haushalte und Industrieunternehmen mit Energie versorgen. Allerdings treten beim Betrieb solch dezentraler Energienetze aktuell immer wieder Probleme auf, da die Steuerung komplex ist.

Hier setzt ein Projekt an, in dem Wissenschaftler der Universität Paderborn, des SICP – Software Innovation Campus Paderborn sowie die Wirtschaftspartner WestfalenWIND und Westfalen Weser Netz ihr Know-how zusammenbringen. Sie entwickeln Betriebs- und Regelungsverfahren auf Basis von künstlicher Intelligenz, die eine stabile Energieversorgung sicherstellen. „Microgrids haben den Vorteil, dass durch deren lokale Integration regenerative Energie verbrauchsnah bereitgestellt und damit über kurze Entfernung direkt vom Verbraucher genutzt werden kann“, erläutert Gunnar Schomaker, „Research and Development Manager – Smart Systems“ im SICP. „Dadurch können überregionale Energienetze entlastet werden und der Bedarf für den Netzausbau sinkt.“ Außerdem erhöhe sich wiederum der Anteil der regenerativen Energien, da der verlustbehaftete Transport über die langen Distanzen sowie unnötige Abschaltungen regenerativer Kraftwerke aufgrund von Netzengpässen vermieden würden. Schwankender Input Bei der Energiewende spielen Speicher eine essenzielle Rolle, im Großen wie im Kleinen.

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