Drohnen retten die Ernte

Bauern sind konservativ im Wortsinne: Sie bewahren die Erde und das Land. Gleichzeitig sind sie aufgeschlossen gegenüber der Digitalisierung und technologischen Innovationen, die sie im Alltag einsetzen.

Illustration: Sophie Mildner
Illustration: Sophie Mildner
Tom Bröcker Redaktion

Ein Klischee über Landwirte lautet, sie seien Neuem gegenüber grundsätzlich misstrauisch: „Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht“, sagt das Sprichwort – und irrt im Bereich moderner Technologie gewaltig. Die Frauen und Männer der Scholle verwenden ganz selbstverständlich digitale Lösungen, setzen künstliche Intelligenz (KI) ein, steuern fliegende Hightech und erzeugen auf ihren Flächen gleichzeitig Nahrungsmittel und Strom.

Schon heute nutzen mehr als 80 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland digitale Lösungen, zeigt eine repräsentative Studie im Auftrag des Deutschen Bauernverbands, des Branchenverbands Bitkom und der Landwirtschaftlichen Rentenbank.

Besonders beliebt sind laut der Befragung GPS-gesteuerte Landmaschinen, die von 45 Prozent der Bauern genutzt werden. Traktoren mit GPS-Parallelfahrsystem halten exakt die Spur, setzen bei der Aussaat auf dem Acker jede Reihe im gleichen Abstand oder bringen Düngemittel gleichmäßig aus. GPS-Systeme in Verbindung mit einem Display im Cockpit, das dem Fahrer Leitlinien anzeigt, helfen unbearbeitete von bearbeiteten Bereichen zu unterscheiden, das verhindert Überlappungen und Auslassungen.
 

Digital nachhaltig
 

Falls der Trecker gerade im Düngeeinsatz ist, stellt ein System eine sinnvolle Ergänzung dar, das an der TU München entwickelt wurde: Ein Sensor am Fahrzeug misst das Licht, das die Ackerpflanzen reflektieren, eine Software berechnet daraus deren Ernährungsstatus und leitet das Ergebnis an die Steuerung der Düngemitteldüsen weiter, die so genau die richtige Menge spritzen – das ist sparsam und schont die Umwelt.

Der nachhaltige Umgang mit Ressourcen ist ohnehin ein gängiges Motiv der Landwirte, daran arbeiten 40 Prozent mit Agrar-Apps für Smartphone oder Tablet. Darüber hinaus verwenden fast die Hälfte der Betriebe mit Nutztieren KI-basierte Fütterungssysteme und 21 Prozent der Milchviehbetriebe KI-Melkroboter, mehr als ein Viertel überwachen ihre Tiere mit Sensortechnik. Denn Hochleistungskühe, die pro Jahr bis zu 10.000 Liter Milch geben, sind empfindlich. Sensoren in der Ohrmarke oder im Halsband erfassen Daten wie Fresszeiten, Wiederkäuen, Liegen und Herumlaufen, die Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand der Tiere ermöglichen. Schon etwas größere Aufklärungsinstrumente sind Drohnen, die ein Zehntel aller Landwirte steigen lassen. Das kann Leben retten: Rehkitze verbergen sich bei Gefahr, beispielsweise wenn ein Mähdrescher naht, instinktiv in hohem Gras und werden so oft Opfer der Maschinen – vor dem Mähen lässt der technikaffine Bauer daher eine Drohne mit Kamera aufsteigen, um die Tiere aufzuspüren und zu bergen.

 

PUNKTGENAUE BEWIRTSCHAFTUNG
 

Kameras mit besonderen Farbfiltern an GPS-gesteuerten Drohnen können auch Bilder liefern, auf denen der Zustand von Böden und Pflanzen zu erkennen ist, zu trockene oder zu wenig gedüngte Bereiche erscheinen eingefärbt, sogar manche Krankheiten lassen sich so erkennen. Die Daten bilden die Basis für digitale Karten eines Feldes – damit kann der Landwirt punktgenau und in der richtigen Menge dort wässern, düngen oder Pflanzenschutzmittel ausbringen, wo nötig.

Drohnen können sogar als Helikopter im Kampf gegen den gefürchteten Maiszünsler fungieren, einen Schmetterling, dessen Raupen an Maispflanzen großen Fraßschaden verursachen. Dazu werfen die Fluggeräte in regelmäßigen Abständen murmelgroße Zellstoffkugeln mit Eiern der Trichogramma-Schlupfwespe ab, eines natürlichen Feindes des Schädlings. Nachdem die Wespen geschlüpft sind, übernehmen sie die Gelege des Maiszünslers, der sich so gar nicht erst entwickeln kann. Das Abwerfen der Nützlinge dauert nur wenige Minuten, per Hand bräuchte der Bauer mindestens die fünffache Zeit – und da es sich um umweltfreundliche biologische Schädlingsbekämpfung handelt, gibt es für die anfallenden Kosten finanzielle Förderung des Staates.

So etabliert ist Agrophotovoltaik, kurz Agri-PV, noch nicht. Dabei ist es eine genial einfache Idee: ein Acker, eine Wiese, eine Obstplantage oder ein Stück Reben, darüber halbdurchlässige Solarmodule – fertig ist die Anlage, mit der eine Fläche sowohl zur Lebensmittelproduktion als auch zur Stromerzeugung genutzt wird. Der Betreiber kann die Energie für seinen eigenen Hof verwenden oder als zusätzliche Einkommensquelle ins öffentliche Netz einspeisen. Das Konzept hat sogar das Zeug dazu, die Stromversorgung des Landes mit zu sichern: Nach Einschätzung des Fraunhofer ISE in Freiburg liegt das Solarstrom-Potenzial von Agri-PV bei bis zu 1.700 Gigawatt Leistung – für ein klimaneutrales Deutschland müsste die Solarstromkapazität 400 bis 600 Gigawatt betragen.
 

Zukunft Agri-PV


Darüber hinaus können die Solarmodule das Grün vor Hitze und Trockenheit schützen – ein starkes Zukunftsargument angesichts der häufigen Dürren der jüngeren Vergangenheit, die mit dem Klimawandel noch zunehmen dürften. Allerdings bedarf es einer genauen Abwägung, welche Pflanzen unter welcher Anlage gezogen werden, denn manche Kulturen wie Mais, Kartoffeln oder Soja können empfindlich auf den zusätzlichen Schatten reagieren und geringere Erträge abwerfen, gut funktioniert die Methode in der Regel bei Wein und Obst.

Heidelbeeren und Himbeeren sind es auf dem Hof von Fabian Karthaus im nordrhein-westfälischen Büren. Auf einem halben Hektar hat er über den Stauden in rund 2,5 Metern Höhe dachartig Solarmodule aufgestellt. Sie spenden den Waldfrüchten schützenden Schatten und lassen genügend Licht für einen optimalen Ertrag durch. Und natürlich produziert die Anlage Strom: rund 640.000 Kilowattstunden pro Jahr, rechnerisch ausreichend für 150 Haushalte.

Karthaus ist ein Pionier, denn in Deutschland gibt es bisher vor allem Agri-PV-Anlagen zu Forschungszwecken. Die Landwirtschaft könnte sich ein Beispiel nehmen an dem Land, das für Technologieoffenheit steht wie kein zweites: In Japan sind bereits mehr als 3.000 Agri-PV-Anlagen installiert.

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