Schnell geht anders. Im August 2016 hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, BMWK, das Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende verabschiedet. Vor allem die Ausstattung mit modernen Messeinrichtungen und intelligenten Messsystemen wurde hier geregelt. Der offizielle Startschuss zum gesetzlichen Roll-out dieser intelligenten Messsysteme fiel dann aber erst knapp vier Jahre später, im Februar 2020. Seitdem haben dennoch erst 49 Prozent der Messstellenbetriebe ihren Roll-out erfolgreich gestartet, attestiert jetzt eine aktuelle Studie des Beratungshauses PWC von April.
Weil der Smart-Meter-Roll-out noch nicht so weit fortgeschritten ist, wissen viele Verbraucherinnen und Verbraucher gar nicht, dass sich neben ihrem Stromanbieter und dem Netzbetreiber ab sofort – oder wenn die smarte Messung endlich mal in der Fläche ankommt – ein weiterer Dienstleister um die Energieversorgung kümmert. Denn bei den analogen Zählern sind die Netzbetreiber für alle diesbezüglichen Fragen zuständig. Werden die Zähler smart und digital, kommt der Messstellenbetreiber als Vertragspartner ins Spiel. Das können weiterhin die Netzbetreiber sein, weil die in fast allen Netzgebieten auch die Aufgaben des grundzuständigen Messstellenbetreibers übernommen haben. Grundsätzlich können Privathaushalte aber auch einen anderen Dienstleister mit dem Betrieb beauftragen.
Dass sich auf dem Feld der Energie(abhängigkeit) etwas tun muss, hat der russische Krieg gegen die Ukraine noch einmal verdeutlicht. Langfristig, so die Strategie der Bundesregierung, müssen wir nicht nur unabhängiger von russischen Öl- und Gaslieferungen werden – was mittelfristig mit LNG-Lieferungen aus Katar, den USA, Indonesien oder Malaysia überbrückt werden könnte – sondern in der Energieversorgung auch nachhaltiger. Und genau dafür brauchen wir die digitale Transformation, etwa in Form der Smart Meter. Die Deutsche Energie Agentur dena schreibt in einer aktuellen Analyse zur Energiewende: „Dezentralität, Digitalisierung und gewissermaßen auch eine Demokratisierung der Energieversorgung sind wesentliche Bausteine, um den notwendigen Umbau der Energiesysteme in Deutschland und Europa erfolgreich fortzuführen.“
Intelligente Messsysteme liefern dafür – idealerweise in Echtzeit – die notwendige Datengrundlage. Denn mit dem Ausbau erneuerbarer Energie als primäre Energiequelle wird die Stromerzeugung nicht nur dezentraler, sondern vor allem auch volatiler. Nur mit Datenanalysen, die Hochzeiten bei Verbrauch und Produktion eruieren und anschließend zusammenführen, lässt sich eine gewisse Stabilität in ein solches System bringen.
»Ein zügiger Smart-Meter-Roll-out wäre auch aus
Sicht der Verbraucher:innen wünschenswert.«
Ohne Smart Meter, respektive die so gewonnenen Daten, also keine Energiewende. Da ist es schon etwas verwunderlich, dass der Roll-out so schleppend vorangeht. Wobei das laut PWC-Studie relativ ist. Denn seit der letzten Standortbestimmung 2021 habe sich bereits einiges getan, befindet Ralf Kurtz, Partner bei PWC. Vor einem Jahr waren es nämlich gerade einmal 19 Prozent der Messstellenbetreiber, die bereits mit der Installation digitaler Geräte begonnen hatten. Und auch rechtlich wurde an einigen Stellen nachgebessert, wie Kurtz unterstreicht: „Das Messstellenbetriebsgesetz wurde novelliert, technische Richtlinien des BSI konkretisiert und das Stufenmodell für die Weiterentwicklung der Standards für die Digitalisierung der Energiewende veröffentlicht.“ Dennoch bleibe es bei der Tatsache: Messstellenbetreiber müssen den Smart-Meter-Roll-out schnellstmöglich umsetzen. Und das wollen 87 Prozent der von PWC befragten Studienteilnehmer auch tun – zumindest die bis 2023 gesetzlich vorgeschriebene Roll-out-Quote von zehn Prozent wollen sie erreichen. Schaffen sie das nicht, setzen sie ihre Grundzuständigkeit aufs Spiel, was aktuell 13 Prozent der Befragten befürchten.
In der PWC-Standortbestimmung nennen 84 Prozent der Befragten die Wirtschaftlichkeit bei Anwendung der Preisobergrenzen als größte Herausforderung. Hinzu käme die Sicherstellung einer leistungsfähigen und verfügbaren Wide-Area-Networt(WAN)-Kommunikation. Gemeint ist ein Rechnernetz, das sich beispielsweise im Unterschied zum LAN geografisch weit erstreckt – Stichwort Dezentralität. Aber auch die Komplexität, starke Abhängigkeiten der IT- und Prozessschnittstellen, Lieferengpässe sowie ein stark erhöhter Personalaufwand bei der operativen Umsetzung werden als Bremse für den Einbau intelligenter Messsysteme genannt.
Ein zügiger Smart-Meter-Roll-out wäre aber auch aus Sicht der Verbraucherinnen und Verbraucher wünschenswert. Denn über sogenannte Mehrwertservices, beispielsweise in Form von Analysen oder Visualisierungen zum Verbrauch, könnten die richtigen Impulse zu Energie- und damit Kosteneinsparungen kommen. Aber auch der Ausbau der E-Mobilität hängt stark von den Smart Metern ab. Denn je mehr E-Fahrzeuge auf deutschen Straßen unterwegs sind, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass abends Millionen davon zur selben Zeit an der heimischen Wallbox hängen. Ein Netzbetreiber kann über die intelligenten Messstellen regeln, wann Strom ins Netz gespeist oder ihm entzogen wird und so Autos beispielsweise nacheinander laden lassen. Gleiches gilt übrigens auch für die immer beliebter werdenden Wärmepumpen.
Das alles ist zum jetzigen Zeitpunkt allerdings Zukunftsmusik. Denn zunächst sieht das Messstellenbetriebsgesetz Smart Meter nur für Verbrauchsstellen über 6.000 Kilowattstunden Strom im Jahr vor oder für Haushalte, die ein Kraftwerk von mindestens sieben Kilowatt betreiben – etwa die Solaranlage auf dem Dach. Der durchschnittliche Haushalt in Deutschland ohne eigenes Solarpanel wird damit also selbst dann noch länger auf das eigene intelligente Messsystem warten müssen, wenn der hierzulande ohnehin zögerliche Roll-out an Fahrt gewinnt. Ob die aktuelle Situation am Energiemarkt daran etwas ändert, wird sich zeigen.