Herr Prof. Krüger, seit 2018 gibt es die Nationale KI-Strategie der Bundesregierung. Sie will Deutschland als führenden Standort für Künstliche Intelligenz etablieren. Sind wir auf einem guten Weg?
Zumindest stimmt die Bereitschaft, hier wirklich etwas voranzubringen. Was das Fördervolumen angeht gehören wir zur europäischen Spitze. Hoch anzurechnen ist der Politik außerdem, dass man auch in der Pandemiezeit nicht vom Kurs abgewichen ist. Im Gegenteil: Man hat den Digitalisierungsschub durch Corona als Chance begriffen, noch schneller voranzukommen und weitere Investitionen zu planen. Allerdings, muss man auch sagen, hat die Bundesregierung von diesen Geldern erst einen relativ kleinen Teil ausgegeben.
Warum ist es überhaupt so wichtig, im Bereich KI zur Weltspitze zu gehören?
Weil in Zukunft kaum ein Fertigungsprozess noch ohne Künstliche Intelligenz auskommt. Im Automobilbau wird nicht mehr die Ingenieursleistung entscheidend sein, die es einem ermöglicht, einen erstklassigen Motor zu bauen, sondern die Software, die diesen steuert. Wenn Sie als Nation hier nicht mithalten können, dann wird die Wertschöpfung in andere Länder abwandern. Sie produzieren dann weiterhin, sind aber faktisch nicht mehr als die Werkbank für Produkte und Dienstleistungen, die woanders entwickelt werden.
Immer ist die Rede davon, dass die USA und China in der Entwicklung von KI-Anwendungen weit voraus wären. Gibt es auch Bereiche, in denen Deutschland vorne liegt? Oder zumindest größeres Potenzial hat?
Im Bereich der Grundlagenforschung können wir ohne Weiteres mit anderen Top-Nationen wie den USA, China oder Kanada mithalten. Was den Anwendungsbereich angeht, liegt unsere große Stärke im Mittelstandsfokus unseres Wirtschaftssystems. Die industrielle Nutzung von KI ist ein riesiger Markt, hier haben Deutschland und Europa in Zukunft gute Chancen, ganz vorne mitzuspielen. Auch unser angeblich innovationsfeindlicher Datenschutz könnte sich letztlich als Wettbewerbsvorteil erweisen. Denn je komplexer KI-Systeme werden, desto wichtiger wird es, ihnen auch vertrauen zu können. Dafür ist ein hoher Standard beim Datenschutz unerlässlich.
KI-Anwendungen leben von den klugen Köpfen, die sie entwickeln. Wie stehen solche Talente zu Deutschland?
Ich denke, Top-KI-Standorte wie die TU München, das Cybervalley im Raum Stuttgart/Tübingen oder das DFKI können hier inzwischen gut mithalten. Wir schaffen es immer besser, attraktive Ökosysteme aus Forschung und Anwendung zu bauen und beides miteinander zu verzahnen. In der KI liegt die Anwendung ja gewissermaßen um die Ecke. Und dann wird es auch schnell sehr interessant für Talente.