Hybrides Arbeiten ist ein Trend, der in deutschen Unternehmen immer größer wird. Wie beliebt ist dieser Ansatz derzeit?
Es gibt verschiedene Studien mit unterschiedlichen Ergebnissen. Aber generell kann man sagen, dass die Mehrheit der Mitarbeitenden Interesse am hybriden Arbeiten hat. Laut einer PwC-Studie sind das 63 Prozent. Und 26 Prozent möchten sogar komplett im Homeoffice arbeiten.
Wie viele Unternehmen lassen ihre Mitarbeitenden dann auch tatsächlich aussuchen, ob sie im Büro oder im Homeoffice arbeiten?
Eine Studie vom Ifo-Institut zeigt, dass die meisten Unternehmen ihr Potenzial für hybrides Arbeiten nicht voll ausschöpfen. Selbst während des härtesten Lockdowns in der Corona-Pandemie war das nicht der Fall. Hier konnten zwar 80 Prozent der Unternehmen theoretisch Homeoffice anbieten, aber nur 61 Prozent taten es in der Spitze auch. Stand heute arbeiten laut Statistischem Bundesamt 24 Prozent der Deutschen zumindest tageweise mobil und das zumeist im Homeoffice.
Was sind die Gründe dafür, dass Unternehmen die Möglichkeit nicht anbieten? Liegt es an Vorbehalten oder technischen Herausforderungen?
Es ist wahrscheinlich eine Mischung aus beidem. Manchmal hindern Vorbehalte ja auch daran, sich aktiv mit der Technik auseinanderzusetzen. Die meisten Manager äußerten vor der Pandemie Bedenken, dass Remote-Arbeit technisch nicht möglich sei. Viele waren dann später sehr überrascht, wie gut das funktioniert. Zudem wünschen sich viele Führungskräfte im Mittelstand nach wie vor physische Nähe, obwohl die technischen Möglichkeiten für hybrides Arbeiten vorhanden sind. Es wird befürchtet, dass das Teamgefühl abnimmt, die Bindung an den Arbeitgeber sich verschlechtert und dass es irgendwann sogar „beliebig“ werden könnte, für welchen Arbeitgeber man arbeitet, wenn man nur noch im Homeoffice ist.
Lassen Sie uns über die positiven Veränderungen sprechen, die hybrides Arbeiten für Unternehmen mit sich bringt. Welche Vorteile sehen Sie?
Es gibt definitiv viele Vorteile. Zum einen ermöglicht hybrides Arbeiten den Unternehmen, im größeren Umfang Remote-Mitarbeitende einzustellen. Oder sie können zumindest den möglichen Pendelradius deutlich erweitern, weil die Menschen nicht mehr täglich pendeln müssen. Dadurch erweitert sich der Talentpool erheblich. Unternehmen können so deutschland- oder sogar europaweit einstellen und haben mehr Zugriff auf potenzielle Fachkräfte. Hybrides Arbeiten steigert auch die Motivation von Mitarbeitenden, da sie ihr Privatleben besser mit ihrer Arbeit in Einklang bringen können. Mitarbeitende in Pflegesituationen oder mit Kindern, die in Teilzeit arbeiten, können dann vielleicht ihre Stunden aufstocken, da Pendelzeiten entfallen. Außerdem zeigt die Forschung, dass Mitarbeitende, die nicht mehr pendeln müssen, die gewonnene Zeit teilweise wieder in Arbeit umwandeln. Das heißt, Angestellte im Homeoffice arbeiten im Schnitt länger.
Was sind weitere Vorteile?
Hybrides Arbeiten pusht viele wichtige Themen, die Unternehmen schon lange hätten angehen müssen: Es fördert die Entwicklung digitaler Arbeitsabläufe und Wissensmanagementprozesse. Informelle Gespräche an der Kaffeemaschine sind sicherlich sehr wichtig. Aber sie sollten nicht der einzige Weg sein, wie Wissen im Unternehmen weitergegeben wird. Auch das Onboarding muss digitaler werden. Wenn Markus neben seiner neuen Kollegin Sabrina sitzt und ihr fünf Wochen lang jeden Schritt erklärt, ist das nicht besonders nachhaltig. In dem Moment, wo Markus was gesagt hat, ist es schon wieder verpufft. Wie können wir sein wertvolles Wissen digital verwalten und weiterverwerten? Ein weiterer positiver Aspekt betrifft die Führung. Hybrides Arbeiten erfordert eine stärkere Führung nach Zielen und ermöglicht es den Mitarbeitenden, ihre Ziele selbstständig zu erreichen. So kommen wir endlich heraus aus der Welt des „Managements by Walking Around“. Führung nach Zielen ist deutlich effektiver und ist, glaube ich, auch zufriedenstellender, gerade für gut ausgebildete Fachkräfte.
Wirkt sich hybrides Arbeiten auch positiv auf die Gender Diversity aus?
Wenn es um die Frage geht, ob hybrides Arbeiten dabei hilft, dass sich der Verdienst von Frauen dem von Männern angleicht, dann kann ich das tendenziell bestätigen. Es kann Frauen ermöglichen Pendelzeit in bezahlte Arbeitszeit umzuwandeln. Leider ist Homeoffice aber mit einem spürbaren Karriere-Nachteil verbunden, dazu habe ich gerade eine spannende Studie am Laufen. Viele Mitarbeitende berichten, dass ihre Leistungen im Homeoffice weniger wahrgenommen werden. Das zeigt, dass die Präsenzkultur in vielen Unternehmen noch stark verankert ist.
Außerdem hat sich der Staat meiner Meinung zeitgleich viel zu sehr aus dem Thema Kinderbetreuung zurückgezogen. Viele Einrichtungen schließen aufgrund des Personalmangels früher und machen später auf. So ist die durch das hybride Arbeiten gewonnene Zeit für uns Frauen schon wieder mit Kinderbetreuung gefüllt. Insgesamt sehe ich daher keine signifikante Verbesserung in Bezug auf Gender Diversity.
Anwesenheit im Büro ist für viele Unternehmen immer noch sehr wichtig, haben Sie gerade beschrieben. Manche verpflichten ihre Mitarbeitenden drei Tage pro Woche vor Ort im Büro zu sein. Ist das eine gute Idee?
Gerade in Unternehmen mit einer Büroquote herrscht oft noch diese alte Kultur des „Nur wer da ist, leistet auch etwas“. Dabei hilft eine Flucht nach hinten, meiner Meinung nach, überhaupt nicht. Wenn Unternehmen sagen, wir machen alles wieder wie in 2019, nur freitags dürft ihr ins Homeoffice – das funktioniert nicht. Sie setzen sich dann nicht ernsthaft mit der neuen Arbeitswelt, zum Beispiel mit den Themen Digitalisierung und Neue Führung auseinander. Deswegen sehe ich auch eine Quoteneinführung kritisch, weil das im Grunde nur ein Pflaster ist. Unternehmen haben das Gefühl, sie haben diese neue Arbeitswelt nicht im Griff und rudern vorschnell zurück – dabei hat die noch viel mehr Facetten als nur das Homeoffice. Unser aktuelles Forschungsprojekt zeigt außerdem: Unternehmen mit Büroquoten zeigen keine signifikant besseren Ergebnisse in Bezug auf Beziehungen, Informationsfluss oder Innovationskraft. Das Einzige, was sie mit der Quote erreichen, ist, dass die Mitarbeitenden durchschnittlich 0,8 Tage pro Woche mehr im Büro sitzen. Doch die ganzen anderen erhofften Effekte, wie mehr Loyalität, bessere Kommunikation oder besseres Wissensmanagement, erreichen sie damit nicht.
Welche Lösungsansätze schlagen Sie vor?
Unternehmen sollten die Chance nutzen, sich offen und progressiv mit Themen wie Führung und Digitalisierung auseinanderzusetzen und versuchen, das Thema Arbeit neu zu denken. Ich habe nichts gegen Arbeiten im Büro, ich habe auch nichts gegen Arbeiten im Homeoffice. Für mich sind das Werkzeuge, die man einsetzt, wenn sie gebraucht werden. Unternehmen sollten erst einmal verstehen, was ihr Problem ist. Dann können sie überlegen, ob Präsenz ein Lösungsansatz für sie sein kann. Statt einfach alte Modelle wieder einzuführen, sollten es darum gehen, die eigene Organisation zu verstehen und gezielt Maßnahmen zu ergreifen, um sie besser und zukunftsfähiger zu machen.
Wenn eine Pflichtquote für die Anwesenheit im Büro nicht funktioniert, was funktioniert dann? Und wie viele Tage Präsenz wären eine gute Lösung?
Die richtige Zahl an Präsenztagen für ein Unternehmen liegt irgendwo zwischen null und fünf Tagen. In meinem Beratungsunternehmen haben wir einen ganzen Kriterienkatalog für Unternehmen entwickelt, anhand dessen sie ihre Strategie identifizieren können. Das Unternehmen sollte sich zum Beispiel überlegen, ob es eine eher physisch oder digital geprägte Wertschöpfung hat. Sind wir ein Krankenhaus oder eine Software-Firma? Haben wir einen großen Wachstumsbedarf mit sehr spezialisierten Jobprofilen? Dann müssen wir uns aus dem lokalen Jobmarkt rausbewegen. Aber auch der Standort, die Infrastruktur und das eigene Führungsverständnis sind wichtige Aspekte. Erst dann kann das Unternehmen entscheiden: Sind wir ein Remote-First-Unternehmen, haben also einen hohen Remote-Anteil? Sind wir eher ein Präsenzunternehmen und mischen punktuell mobiles Arbeiten bei? Oder sind wir ein Vollhybrid? Jede Strategie hat ihre Vor- und Nachteile, und die Auswahl sollte auf den individuellen Bedürfnissen und Infrastrukturanforderungen basieren.