Einmal Homeoffice – und zurück?

Viele Unternehmen verpflichten ihre Mitarbeitenden wieder dazu, im Büro zu arbeiten – zumindest teilweise. Doch das verbessert nicht zwangsläufig die Loyalität oder den Informationsfluss im Unternehmen. Die Professorin Johanna Bath fordert stattdessen, dass sich Unternehmen mehr mit Themen wie Führung und Digitalisierung auseinandersetzen.  
 

Illustration: Sophia Hummler
Illustration: Sophia Hummler
Interview: Sarah Kröger Redaktion

Hybrides Arbeiten ist ein Trend, der in deutschen Unternehmen immer größer wird. Wie beliebt ist dieser Ansatz derzeit? 
Es gibt verschiedene Studien mit unterschiedlichen Ergebnissen. Aber generell kann man sagen, dass die Mehrheit der Mitarbeitenden Interesse am hybriden Arbeiten hat. Laut einer PwC-Studie sind das 63 Prozent. Und 26 Prozent möchten sogar komplett im Homeoffice arbeiten.

Wie viele Unternehmen lassen ihre Mitarbeitenden dann auch tatsächlich aussuchen, ob sie im Büro oder im Homeoffice arbeiten? 
Eine Studie vom Ifo-Institut zeigt, dass die meisten Unternehmen ihr Potenzial für hybrides Arbeiten nicht voll ausschöpfen. Selbst während des härtesten Lockdowns in der Corona-Pandemie war das nicht der Fall. Hier konnten zwar 80 Prozent der Unternehmen theoretisch Homeoffice anbieten, aber nur 61 Prozent taten es in der Spitze auch. Stand heute arbeiten laut Statistischem Bundesamt 24 Prozent der Deutschen zumindest tageweise mobil und das zumeist im Homeoffice.

Was sind die Gründe dafür, dass Unternehmen die Möglichkeit nicht anbieten? Liegt es an Vorbehalten oder technischen Herausforderungen?
Es ist wahrscheinlich eine Mischung aus beidem. Manchmal hindern Vorbehalte ja auch daran, sich aktiv mit der Technik auseinanderzusetzen. Die meisten Manager äußerten vor der Pandemie Bedenken, dass Remote-Arbeit technisch nicht möglich sei. Viele waren dann später sehr überrascht, wie gut das funktioniert. Zudem wünschen sich viele Führungskräfte im Mittelstand nach wie vor physische Nähe, obwohl die technischen Möglichkeiten für hybrides Arbeiten vorhanden sind. Es wird befürchtet, dass das Teamgefühl abnimmt, die Bindung an den Arbeitgeber sich verschlechtert und dass es irgendwann sogar „beliebig“ werden könnte, für welchen Arbeitgeber man arbeitet, wenn man nur noch im Homeoffice ist.

Lassen Sie uns über die positiven Veränderungen sprechen, die hybrides Arbeiten für Unternehmen mit sich bringt. Welche Vorteile sehen Sie?
Es gibt definitiv viele Vorteile. Zum einen ermöglicht hybrides Arbeiten den Unternehmen, im größeren Umfang Remote-Mitarbeitende einzustellen. Oder sie können zumindest den möglichen Pendelradius deutlich erweitern, weil die Menschen nicht mehr täglich pendeln müssen. Dadurch erweitert sich der Talentpool erheblich. Unternehmen können so deutschland- oder sogar europaweit einstellen und haben mehr Zugriff auf potenzielle Fachkräfte. Hybrides Arbeiten steigert auch die Motivation von Mitarbeitenden, da sie ihr Privatleben besser mit ihrer Arbeit in Einklang bringen können. Mitarbeitende in Pflegesituationen oder mit Kindern, die in Teilzeit arbeiten, können dann vielleicht ihre Stunden aufstocken, da Pendelzeiten entfallen. Außerdem zeigt die Forschung, dass Mitarbeitende, die nicht mehr pendeln müssen, die gewonnene Zeit teilweise wieder in Arbeit umwandeln. Das heißt, Angestellte im Homeoffice arbeiten im Schnitt länger.

Was sind weitere Vorteile?
Hybrides Arbeiten pusht viele wichtige Themen, die Unternehmen schon lange hätten angehen müssen: Es fördert die Entwicklung digitaler Arbeitsabläufe und Wissensmanagementprozesse. Informelle Gespräche an der Kaffeemaschine sind sicherlich sehr wichtig. Aber sie sollten nicht der einzige Weg sein, wie Wissen im Unternehmen weitergegeben wird. Auch das Onboarding muss digitaler werden. Wenn Markus neben seiner neuen Kollegin Sabrina sitzt und ihr fünf Wochen lang jeden Schritt erklärt, ist das nicht besonders nachhaltig. In dem Moment, wo Markus was gesagt hat, ist es schon wieder verpufft. Wie können wir sein wertvolles Wissen digital verwalten und weiterverwerten? Ein weiterer positiver Aspekt betrifft die Führung. Hybrides Arbeiten erfordert eine stärkere Führung nach Zielen und ermöglicht es den Mitarbeitenden, ihre Ziele selbstständig zu erreichen. So kommen wir endlich heraus aus der Welt des „Managements by Walking Around“. Führung nach Zielen ist deutlich effektiver und ist, glaube ich, auch zufriedenstellender, gerade für gut ausgebildete Fachkräfte.

Wirkt sich hybrides Arbeiten auch positiv auf die Gender Diversity aus?
Wenn es um die Frage geht, ob hybrides Arbeiten dabei hilft, dass sich der Verdienst von Frauen dem von Männern angleicht, dann kann ich das tendenziell bestätigen. Es kann Frauen ermöglichen Pendelzeit in bezahlte Arbeitszeit umzuwandeln. Leider ist Homeoffice aber mit einem spürbaren Karriere-Nachteil verbunden, dazu habe ich gerade eine spannende Studie am Laufen. Viele Mitarbeitende berichten, dass ihre Leistungen im Homeoffice weniger wahrgenommen werden. Das zeigt, dass die Präsenzkultur in vielen Unternehmen noch stark verankert ist.

Außerdem hat sich der Staat meiner Meinung zeitgleich viel zu sehr aus dem Thema Kinderbetreuung zurückgezogen. Viele Einrichtungen schließen aufgrund des Personalmangels früher und machen später auf. So ist die durch das hybride Arbeiten gewonnene Zeit für uns Frauen schon wieder mit Kinderbetreuung gefüllt. Insgesamt sehe ich daher keine signifikante Verbesserung in Bezug auf Gender Diversity. 

Anwesenheit im Büro ist für viele Unternehmen immer noch sehr wichtig, haben Sie gerade beschrieben. Manche verpflichten ihre Mitarbeitenden drei Tage pro Woche vor Ort im Büro zu sein. Ist das eine gute Idee?
Gerade in Unternehmen mit einer Büroquote herrscht oft noch diese alte Kultur des „Nur wer da ist, leistet auch etwas“. Dabei hilft eine Flucht nach hinten, meiner Meinung nach, überhaupt nicht. Wenn Unternehmen sagen, wir machen alles wieder wie in 2019, nur freitags dürft ihr ins Homeoffice – das funktioniert nicht. Sie setzen sich dann nicht ernsthaft mit der neuen Arbeitswelt, zum Beispiel mit den Themen Digitalisierung und Neue Führung auseinander. Deswegen sehe ich auch eine Quoteneinführung kritisch, weil das im Grunde nur ein Pflaster ist. Unternehmen haben das Gefühl, sie haben diese neue Arbeitswelt nicht im Griff und rudern vorschnell zurück – dabei hat die noch viel mehr Facetten als nur das Homeoffice. Unser aktuelles Forschungsprojekt zeigt außerdem: Unternehmen mit Büroquoten zeigen keine signifikant besseren Ergebnisse in Bezug auf Beziehungen, Informationsfluss oder Innovationskraft. Das Einzige, was sie mit der Quote erreichen, ist, dass die Mitarbeitenden durchschnittlich 0,8 Tage pro Woche mehr im Büro sitzen. Doch die ganzen anderen erhofften Effekte, wie mehr Loyalität, bessere Kommunikation oder besseres Wissensmanagement, erreichen sie damit nicht.  

Welche Lösungsansätze schlagen Sie vor?
Unternehmen sollten die Chance nutzen, sich offen und progressiv mit Themen wie Führung und Digitalisierung auseinanderzusetzen und versuchen, das Thema Arbeit neu zu denken. Ich habe nichts gegen Arbeiten im Büro, ich habe auch nichts gegen Arbeiten im Homeoffice. Für mich sind das Werkzeuge, die man einsetzt, wenn sie gebraucht werden. Unternehmen sollten erst einmal verstehen, was ihr Problem ist. Dann können sie überlegen, ob Präsenz ein Lösungsansatz für sie sein kann. Statt einfach alte Modelle wieder einzuführen, sollten es darum gehen, die eigene Organisation zu verstehen und gezielt Maßnahmen zu ergreifen, um sie besser und zukunftsfähiger zu machen.

Wenn eine Pflichtquote für die Anwesenheit im Büro nicht funktioniert, was funktioniert dann? Und wie viele Tage Präsenz wären eine gute Lösung?
Die richtige Zahl an Präsenztagen für ein Unternehmen liegt irgendwo zwischen null und fünf Tagen. In meinem Beratungsunternehmen haben wir einen ganzen Kriterienkatalog für Unternehmen entwickelt, anhand dessen sie ihre Strategie identifizieren können. Das Unternehmen sollte sich zum Beispiel überlegen, ob es eine eher physisch oder digital geprägte Wertschöpfung hat. Sind wir ein Krankenhaus oder eine Software-Firma? Haben wir einen großen Wachstumsbedarf mit sehr spezialisierten Jobprofilen? Dann müssen wir uns aus dem lokalen Jobmarkt rausbewegen. Aber auch der Standort, die Infrastruktur und das eigene Führungsverständnis sind wichtige  Aspekte. Erst dann kann das Unternehmen entscheiden: Sind wir ein Remote-First-Unternehmen, haben also einen hohen Remote-Anteil? Sind wir eher ein Präsenzunternehmen und mischen punktuell mobiles Arbeiten bei? Oder sind wir ein Vollhybrid? Jede Strategie hat ihre Vor- und Nachteile, und die Auswahl sollte auf den individuellen Bedürfnissen und Infrastrukturanforderungen basieren.

PROF. DR. JOHANNA BATH
Illustration: Sophia Hummler
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Können Sie ein Beispiel für die Umsetzung geben?
Ja, nehmen wir ein Präsenz-First-Unternehmen. Eine gute physische Infrastruktur ist hier entscheidend. Wenn das Unternehmen möchte, dass die Mitarbeitenden sich hier wohlfühlen, sollte es genügend Essensmöglichkeiten anbieten und die Kantine sollte deutlich länger als eine Stunde am Tag offen haben. Es sollte jederzeit möglich sein, einen Kaffee zu bekommen, es sollte bequeme und einladende Sitzmöglichkeiten geben, für den Austausch mit Kolleginnen und Kollegen. Auch Mobilität ist ein Thema: Wie leicht kommen die Mitarbeitenden zu uns ins Büro? Gibt es genügend Parkplätze oder eine gute Anbindung an die öffentlichen Verkehrsmittel? Remote-First-Unternehmen müssen sich überlegen: Wie funktioniert das digitale Arbeiten bei uns am besten? Müssen wir den Mitarbeitenden vielleicht rückengerechte Stühle nach Hause schicken? Haben wir die passenden Kollaborationstools und wie funktioniert der digitale Informationsfluss?  

Was ist mit vollhybriden Unternehmen?
Die stehen vor der besonderen Herausforderung, dass sie zwei komplett funktionierende Infrastrukturen aufbauen müssen. Sie haben zwar tendenziell die Vorteile beider Modelle, aber auch alle ihre Nachteile. Denn Mitarbeitende, die im Schnitt zweieinhalb Tage zu Hause arbeiten, brauchen eine gute digitale Arbeitsumgebung. Sie brauchen aber auch eine attraktive Arbeitsumgebung im Büro. Kleineren Unternehmen empfehle ich deswegen eher die Außenpositionen. Dann können sie sich stärker auf eine Infrastruktur fokussieren und die Investitionen reduzieren.

Von der Infrastrukturseite ist das gut zu verstehen. Aber wie sehen das die Mitarbeitenden? Wünschen sie sich nicht eher ein Mischmodell? 
Nun ja, wir sehen in der durchschnittlichen Belegschaft eher klare Präferenzen an den Rändern. Einige fühlen sich grundsätzlich im Homeoffice wohl, kommen aber gerne einmal pro Woche ins Büro. Andere bevorzugen das Büro und machen aber gerne mal einen Tag Homeoffice. Nur 25 Prozent bevorzugen laut einer PwC-Studie die goldene Mitte, mit 50 Prozent im Büro und 50 Prozent zu Hause. Die meisten Menschen haben klare Präferenzen. Leider gehen viele Unternehmen immer von einem tatsächlichen Fifty-Fifty-Modell aus und das ist nicht ideal, weil es für die Menschen, die sich eher an den Rändern wohlfühlen immer ein fauler Kompromiss ist.  Eine berufstätige Mutter, der jede Pendelminute weh tut, findet vielleicht zweieinhalb Tage zu viel. Auf der anderen Seite gibt es Menschen, die sich auf ihren festen Arbeitsplatz, Mittagessen in der Kantine und den täglichen, direkten Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen freuen.

Was ist, wenn diese beiden Menschen im gleichen Team sind?
Das Team bietet oft nicht den optimalen Lösungsrahmen für dieses Problem, aus zwei Gründen. Erstens ist die untere Führungsebene bereits stark belastet und hat oft den höchsten Stresslevel. Es ist nicht fair, dieses Problem, die Bedürfnisse unter einen Hut zu bekommen, an Leute zu delegieren, die ohnehin schon viel zu tun haben und möglicherweise nicht in diesem Bereich geschult sind. Organisationsentwicklung ist ein spezialisiertes Thema, und es ist fraglich, ob jemand, der beispielsweise in der Elektronikentwicklung arbeitet oder das Controlling leitet, das auch noch nebenher machen sollte. Zweitens ist das Delegieren an Teams oft problematisch, da innerhalb der Teams oft alle Präferenzen vertreten sind und es schwierig ist, eine Lösung zu finden, die für alle Mitglieder funktioniert. Außerdem gibt es auch viele Grauzonen, die individuell gelöst werden müssen. Damit sollten wir die Teamleiter aber nicht allein im Regen stehen lassen.

Und wenn sich die Lösung nicht im Team findet, wo dann?
Es gibt da leider auch nicht immer den perfekten Kompromiss. Daher schlagen wir unseren Kunden vor, neben dem Team auch gezielt einzelne Zielgruppen in Unternehmen als „Ankerkontakte“ zu nutzen. Das heißt: Ich als „Neuling“ bin dann vielleicht zwei Tage im Team und ein oder zwei Tage die Woche mit allen anderen Neustartern zusammen. Eine weitere „Ankermöglichkeit“ sind so genannte Communities, diese können beispielsweise nach Interessen oder Methoden sortiert sein. Also beispielsweise alle Projektleiter, alle Talents et cetera. So hängt die Pflege von Kontakten nicht nur am Team, sondern es gibt Lösungen darüber hinaus.

Was halten Sie davon, wenn große digitale Unternehmen wie Amazon oder Meta ihre Mitarbeitenden wieder dazu verpflichten, an drei Tagen pro Woche ins Büro zu kommen – oft gegen ihren Willen? 
Zum einen lohnt es sich hier hinter die Schlagzeile zu schauen. Bei den großen Tech-Unternehmen ist es oft so, dass von diesen Regelungen nur Mitarbeitende betroffen sind, die einen Büro-Arbeitsvertrag haben und in Pendeldistanz zum Büro leben. Außerdem haben diese Unternehmen dieses Jahr viele Mitarbeitende abgebaut, so dass solche „Rufe zurück ins Büro“ natürlich auch zu gewollten Kündigungen geführt haben. Nicht immer verhalten sich diese Unternehmen dabei konsistent: Twitter/X holte erst die Mitarbeitenden zurück ins Büro, um dann einige Monate später die Büros komplett zu schließen. Anstatt sich mit solchen äußeren Dingen zu beschäftigen, empfehle ich Unternehmen, sich zu fragen: Welche Strategie haben wir und wie hilft unsere Arbeitsmodellstrategie diese Strategie zu erreichen? Welche Probleme haben wir und mit welchen Maßnahmen verbessern wir sie? Eine kluge Auseinandersetzung mit diesen Fragen hilft viel mehr, als ein „Hinterhecheln“ von vermeintlichen Trends. 

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