Patrick … wer? Die Berufung Patrick Schnieders zum Bundesverkehrsminister in der Regierung Merz kam selbst für Beobachter im politischen Berlin überraschend, denn Patrick Schnieder war in der Bundespolitik bislang eher Insidern bekannt.
Der Jurist stammt wie sein Amtsvorgänger Volker Wissing aus Rheinland-Pfalz, aus einem Ort in der Eifel. Besonders fiel er durch ein Merkmal auf: seine Größe. Den Spitznamen „Eifelturm“ hat er sogar zum Markenzeichen ausgebaut. Vor einem halben Jahr startete er den Podcast „Eifelturm Talk“. Die bislang letzte Folge vom April 2025 war allerdings längst nicht mehr parteipolitisch. Vermutlich wusste Patrick Schnieder bereits von seiner Berufung zum Minister und lud daher einen Priester ein. Ein kleiner Schnack über Gott und die Welt, bevor es nun ernst wird.
Und das wird es wohl, denn die Probleme sind groß. Schnieder erbt einen Geschäftsbereich mit unzähligen Baustellen. Das deutsche Schienen- und Autobahnnetz ist in einem desolaten Zustand. Viele weitere Bereiche drängen auf politische Entscheidungen: Die Deutsche Bahn, die Elektromobilität und der Klimaschutz. Wer ist also der neue Minister, der Antworten auf diese Fragen liefern soll?
Patrick Schnieder wurde 1968 in Kyllburg in der Eifel geboren, lebt heute im knapp 40 Kilometer entfernten Arzfeld. Nach seinem Grundwehrdienst studierte er Jura in Bonn, arbeitete anschließend als Rechtsanwalt und wurde 1998 Bürgermeister von Arzfeld. 2009 wurde er direkt in den Bundestag gewählt. Zuletzt war er Parlamentsgeschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Erfahrungen in der Verkehrspolitik sammelte er in Rheinland-Pfalz, wo er sich unter anderem mit dem Ausbau von Autobahnen und Bahnen sowie besseren Verbindungen nach Luxemburg befasste. Seit 2013 sitzt Schnieder zudem im Verkehrsausschuss des Bundestags und kennt vermutlich die drängendsten Probleme.
KEINE REVOLUTION
Schnelle und grundlegende Entscheidungen sind jedoch nicht zu erwarten: Der 57-Jährige sagt über sich selbst, als „Eifeler“ sei er „kein Revolutionär“. Möglicherweise hat ihn Friedrich Merz deshalb ins Team genommen. Hinzu kommt, dass Schnieders sieben Jahre jüngerer Bruder Gordon als CDU-Fraktionschef in Rheinland-Pfalz im März 2026 gern den amtierenden SPD-Ministerpräsidenten Alexander Schweitzer beerben möchte. Da kann es hilfreich sein, wenn ein Schnieder aus Berlin Investitionsentscheidungen nach Mainz zusagt.
Bevor es jedoch gute Nachrichten aus Berlin gibt, muss einiges geschehen. Deutschland bleibt nur dann wettbewerbsfähig, wenn Straßen, Schienen und Wasserwege instand gesetzt und ausgebaut werden, weiß Schnieder. Die Verkehrsinfrastruktur sei „Voraussetzung für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit“. Dafür will er am aktuellen Bundesverkehrswegeplan festhalten. Als dieser vor neun Jahren unter dem damaligen Verkehrsminister und heutigen Innenminister Alexander Dobrindt verabschiedet wurde, lobte Schnieder im Parlament: „Heute ist ein Feiertag – für ganz Deutschland, weil wir die Weichen für eine vernünftige, für eine zukunftsgerichtete Verkehrspolitik bis 2030 stellen, die uns Wohlstand, Wachstum, Mobilität und damit Arbeit in Deutschland gewährleistet.“
Heute ist Feiertag, weil mit dem 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Infrastruktur ausreichend Geld vorhanden ist, um die größten Probleme zu beseitigen. Dafür will Schnieder Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen und ein eigenes Verfahrensrecht für Infrastrukturprojekte schaffen. Doch auch diese frischen Mittel werden in absehbarer Zeit aufgebraucht sein – nicht zuletzt, weil die Bauindustrie angesichts der anstehenden Modernisierungen ihre Preise vermutlich deutlich erhöhen wird. Schnieders Amtsvorgänger Wissing rechnet damit, dass das Sondervermögen für eine Legislaturperiode reicht.
Ein Gremium aus Experten soll außerdem darüber beraten, wie die bislang verfehlten Klimaziele des Verkehrssektors erreicht werden können. In seiner ersten Rede im Bundestag kündigte Schnieder an: „Jede Investition in die Schiene ist aktiver Klimaschutz.“ Das Ziel sei, die Bahn leistungsfähiger und pünktlicher zu machen, ohne dabei den öffentlichen Nahverkehr, den Rad- und Fußverkehr oder die Binnenschifffahrt zu vernachlässigen. Denn E-Autos und Verbrennungsmotoren, Schiene und Straße sowie Flugzeuge und Schiffe sind ihm gleichermaßen wichtig.
Zugleich fordert er eine realitätsnahe Verkehrspolitik, bei der die unterschiedlichen Ansprüche in ländlichen Räumen, Ballungszentren und Großstädten berücksichtigt werden. Dies deutet jedoch nicht auf den großen Wurf einer Verkehrswende hin, sondern eher auf neue Pilotprojekte und eine vorsichtige Steuerung verschiedener Mobilitätsformen. Auch in Sachen Verkehrswende ist er offenbar ein Mann des Sowohl-als-auch. Im ZDF sagte er: „Wir setzen die Rahmenbedingungen, wollen Klimaneutral werden. Aber welche Alternative man dann zu einem traditionellen Verbrenner sucht, das werden Wissenschaft und Unternehmen selbst entscheiden.“ Sein Dienstwagen passt dazu: Er ist ein Hybridfahrzeug.
FOKUS SCHIENE
Bei der Bahn will Schnieder endlich aktiv gestalten: Laut Koalitionsvertrag sollen der Aufsichtsrat und der Vorstand der DB und ihrer Tochter Infrago neu aufgestellt werden. Mit ungeschickten Interventionen schwächte Schnieder allerdings gleich zu Beginn seiner Amtszeit Bahnchef Lutz massiv und stellte Personalentscheidungen infrage. „Wichtig ist, dass wir den richtigen Weg einschlagen”, sagt Schnieder. „Wie soll die Bahn in fünf oder zehn Jahren aussehen und wo soll sie stehen?“ Ob sich diese strategische Frage so schnell beantworten lässt wie die Finanzierung des Deutschlandtickets, das den Bürgern ans Herz gewachsen ist?
Solche Aufgaben grenzen an die Quadratur des Kreises. Dabei könnte ihm rheinische Gelassenheit helfen, die schon einmal die Bonner Republik im Guten prägte. Als der frisch gekürte Minister zum Antrittsbesuch nach Bonn kam – hier arbeitet rund die Hälfte der Beschäftigten seines Ministeriums –, sagte er dem Bonner General-Anzeiger, ein Arbeitstag in Bonn sei „ein bisschen wie nach Hause kommen“. Was aber auch ein wenig klingt wie Sehnsucht nach der guten, alten Zeit.