Verantwortung für Kunst

Immer mehr Unternehmen investieren in Kunst. Sie bemühen sich branchenübergreifend um den Aufbau umfangreicher Kunstsammlungen, eröffnen eigene Museen und sponsern namhafte Kunst-Events. Welche Ziele verfolgen die Firmen mit ihrem Engagement?
Sculpture by Anish Kapoor (Turning the World Upside down, 1996, steel, 250  x 250 x 225 cm) and painting by Damien Hirst (Biotin-Malemide, 1995, laquer on canvas, 432 x 317 cm) in the foyer of Winchester House Deutsche Bank, London / Deutsche Bank Collect
Insa Grüning Redaktion

Wer heute die Bürokomplexe größerer Unternehmen betritt, findet sich immer öfter zwischen eindrucksvollen, sorgfältig an den Wänden drapierten Kunstwerken wieder – Mitarbeiter und Gäste gleichermaßen erleben Kunst im Vorbeigehen. Die Zeiten, in denen sich wertvolle Gemälde als Prestigeobjekt ausschließlich im Büro des Vorstands versteckten, sind vorbei.


Unternehmenssammlungen erfüllen einen repräsentativen Zweck. Die ausgewählte Kunst bedient ein Image, dass das jeweilige Unternehmen verkörpern und transportieren möchte und kann dabei auf ganz unterschiedliche Zielgruppen ausgerichtet sein. Insbesondere bei der Kundenakquise kann Kunst als „conversation piece“ helfen, ins Gespräch zu kommen und die Werte eines Unternehmens schon beim ersten Kontakt vermitteln. Viele Kunstsammlungen, insbesondere international agierender Unternehmen, sind deshalb mittlerweile besser aufgestellt als so manche öffentliche Museumssammlung, die im Depot vor sich hin schlummert.


Die Deutsche Bank verfügt aktuell über eine der bedeutendsten Unternehmenssammlungen weltweit und betreibt in Berlin ein eigenes Museum, das PalaisPopulaire. Es soll als Plattform für die eigene Kunstsammlung ebenso wie für Ausstellungen mit internationalen Partnerinstitiutionen  funktionieren. „Das PalaisPopulaire ist bewusst kein ausschließlich auf Kunst fokussiertes Haus. Vielmehr ist es Ausdruck unseres ganzheitlichen Denkens in Kunst, Kultur und Sport – und bietet somit einen spannenden Cross-over aus diesen drei Bereichen“, erklärt Britta Färber, die als Chief Curator für den Bereich Art, Culture & Sports der Bank arbeitet. Die Kunstsammlung soll das moderne und zeitgemäße Selbstverständnis des Unternehmens widerspiegeln. „Die Bank unterstützt damit vor allem die gesellschaftliche Funktion von Kunst und will möglichst vielen Menschen den Zugang zu ihr ermöglichen. Denn die aktuelle Kunst steht immer für Innovation, sie bringt neue Ideen für die Gestaltung unserer Zukunft hervor. Sie kann Menschen bewegen und ihnen neue Perspektiven eröffnen. Und genau das wollen wir mit unserer Sammlung und unserem Kunstprogramm fördern.“


Für viele Unternehmen geht das Engagement für Kunst dabei deutlich über den Aufbau einer eigenen Sammlung hinaus. Ziel ist ein umfassendes Kultursponsoring. Insbesondere Firmen, deren Kerngeschäft in einem kunstfernen Bereich liegt, etwa aus der international agierenden Automobilindustrie, führen ganze Abteilungen, die sich ausschließlich um diesen Bereich kümmern. So auch der deutsche Konzern BMW, der nicht nur den BMW Art Guide herausgibt und seit Jahren einer der Hauptpartner des jährlich stattfindenden Gallery Weekends in Berlin ist, sondern gleich eine ganze Palette an kulturellen Engagements betreibt.


„Das Wort Sponsoring vermeiden wir, da es bei uns um langfristige Partnerschaften geht und nicht um das Bling-Bling der Eventkultur. Sponsoring ist austauschbare monetäre Transaktion, Partnerschaft ist Interaktion. Die künstlerische Freiheit ist auch für uns das höchste Gut. Inhalte geben wir niemals vor“, erklärt Thomas Girst, Leiter des Kulturengagements der BMW Group. Auf die Frage, welche konkreten Ziele ein Autokonzern wie BMW mit seinen zahlreichen Engagements verfolgt, antwortet Girst: „Es geht uns um gelebtes Corporate Citizenship. In den Bereichen Design und Architektur, Klassische Musik und Jazz als auch in der Kunst. Es wäre fahrlässig, in diesem Zusammenhang einzig die Frage nach verkauften Autos zu stellen“.


Glaubt man den Unternehmen, möchten sie gesellschaftliche Verantwortung mit ihrem Kunst-Engagement übernehmen. Dabei ist offensichtlich, dass ein marktorientierter Akteur der freien Wirtschaft niemals die Rolle einer staatlichen Institution einnehmen kann, die sich primär auf das Sammeln, Erforschen und Konservieren von Kunst für die nächsten Generationen fokussiert. Eine Corporate Art Collection verfolgt immer auch eigene Zwecke mit ihrer Kunst, die sie zu ihren Gunsten in der Geschäftswelt einzusetzen weiß.


Was Unternehmenssammlungen dennoch interessant und wichtig macht, ist ihre Fähigkeit, mit Kunst unmittelbar ins Leben der Menschen vorzudringen. „Unsere Sammlung ist eine lebendige Sammlung, die direkt im Alltag, sprich in der Arbeitswelt, entstanden ist und dort auch präsentiert wird“, sagt Britta Färber. Und ja, moderne Unternehmen verfügen über Know-how, das in vielen Fällen von Vorteil ist. Thomas Girst von BMW bringt es so auf den Punkt: „Weniger Bürokratie und weniger Einflussnahme, mehr Demut und weniger Selbstherrlichkeit, schnellere Entscheidungen und weitaus ökonomischere Prozesse. Monetäre Disziplin fördert operative Intelligenz.“

 

 

 

Insa Grüning ist Kunsthistorikerin und Redakteurin.
Sie schreibt für das Online-Stadtmagazin Mit Vergnügen.

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