Sich regen bringt Segen

Unternehmen mit Bedarf an qualifizierten Mitarbeitern haben konkrete Forderungen an die Politik, Abhilfe zu schaffen – und werden auch selbst tätig.
Illustration: Anne-Sophie Engelhardt
Illustration: Anne-Sophie Engelhardt
Lars Klaaßen Redaktion

 

Der Fachkräftemangel in Deutschland beschleunigt sich. Im Oktober 2021 beeinträchtigte er die Geschäftstätigkeit von 43 Prozent aller hiesigen Unternehmen. Zu diesem Ergebnis kam das aktuelle Fachkräftebarometer, erstellt von der KfW und vom ifo-Institut. Mittelständische Unternehmen und Großunternehmen sind der vierteljährlichen Erhebung zufolge mit 43,2 beziehungsweise 42,5 Prozent in ähnlichem Ausmaß betroffen. Im Vergleich zum Oktober 2020, als die Unternehmen in erster Linie mit Krisenbewältigung befasst waren, hat sich der Anteil der vom Fachkräftemangel betroffenen Unternehmen fast verdoppelt. Fehlendes Fachpersonal ist damit aktuell ein weitaus häufigeres Produktionshemmnis als vor Ausbruch der Corona-Pandemie.


Im Oktober meldeten alle Wirtschaftsbereiche Probleme, am stärksten jedoch der Dienstleistungssektor, bei dem fast jede zweite Firma über fehlende Fachkräfte klagt. Im Verarbeitenden Gewerbe sieht sich jedes dritte Unternehmen von Fachkräftemangel beeinträchtigt – der Anteil hat sich von elf Prozent im Oktober 2020 auf 37 Prozent im Oktober 2021 mehr als verdreifacht. Gleichzeitig ist damit unter den Industrieunternehmen der Höchstwert seit der Wiedervereinigung erreicht. Im Einzelhandel spüren aktuell ebenfalls mehr als ein Drittel der Unternehmen Behinderungen durch Fachkräftemangel, im Bauhauptgewerbe ebenfalls.


„Wir sollten gemeinsam Kraft einsetzen für eine umfassende Bildungs-, Ausbildungs- und Weiterbildungsoffensive“, so die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) in einer jüngst veröffentlichten gemeinsamen Erklärung. Die Forderungen darin können auch als To-do-Liste für die Sondierungsrunden der kommenden Ampelkoalition verstanden werden. So solle Deutschland attraktiver für ausländische Fachkräfte werden: „Die neue Bundesregierung muss die Verfahren für eine gezielte und qualifizierte Fachkräftezuwanderung vereinfachen und beschleunigen sowie bürokratische Hürden abschaffen.“


Die Unternehmen selbst sind angesichts der Herausforderungen nicht untätig, wie die diesjährige Studie der Gothaer Versicherungsbank zu kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) feststellt. So setzen zum Beispiel 43 Prozent der befragten Unternehmen auf flexible Arbeitszeiten um ihre Attraktivität als Arbeitgeber zu steigern. Aus guten Gründen: Wer Teilzeit und Gleitzeit anbietet, kommt nicht nur der Work-Life-Balance entgegen, sondern auch jungen Familien. 47 Prozent der befragten KMU verfügen demnach über ein Teilzeit-Angebot, 39 Prozent über Gleitzeit. Großes Thema durch die Pandemie ist das Home-Office geworden. Im Schnitt arbeiten 48 Prozent der KMU damit. Im Vorjahr waren es noch neun Prozentpunkte weniger. Auch damit wird die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie zunehmend erleichtert.

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