Erweiterte Personalsuche als Chance für den Mittelstand

Die Pandemie hat gezeigt: In vielen Jobs kommt es nicht darauf an, von wo aus Mitarbeitende ihre Arbeit erledigen.
Christian Borkowski, Geschäftsbereichsleiter Festanstellung Hays
Christian Borkowski, Geschäftsbereichsleiter Festanstellung Hays
Hays Beitrag

Wie KMU-Betriebe davon profitieren und ihre Fachkräftesuche entsprechend adaptieren können, erklärt Christian Borkowski von Hays im Interview.

Herr Borkowski, geht es um neue Arbeitsmethoden, wird dem deutschen Mittelstand häufig eine gewisse Rückständigkeit gegenüber Konzernen unterstellt. Was tut sich bei kleineren Betrieben in puncto Arbeit aus dem Homeoffice? Abwechslungsreiches Provisorium oder neuer Standard?

KMU-Betriebe sind keineswegs rückständig, im Gegenteil, viele von ihnen gelten als Innovationsmotor der deutschen Wirtschaft. Das bedeutet, Schnelligkeit und Effizienz kombiniert mit einer flexiblen Arbeitsweise sind absolut erfolgsentscheidend.  Insbesondere der Mittelstand hat im Zuge der Pandemie erkannt, welche Chancen in einer standortunabhängigen Zusammenarbeit gerade für das Rekrutieren stecken. Denn wo die berufliche Tätigkeit vorwiegend aus Videokonferenzen, Telefonaten und digitalem Dokumententransfer besteht, wird der Arbeitsplatz schnell zur variablen Größe. Das birgt große Potenziale für das Gewinnen und  Binden von Mitarbeitenden. Warum also weiterhin versuchen, begehrten Talenten einen Standort in der Provinz schmackhaft zu machen, wenn sich die Marketingstrategien auch vom heimischen Rechner entwickeln lassen? So ein erweiterter Rekrutierungsradius kommt zudem  den hochqualifizierten Müttern zugute. Sie können Job und Familie über ein flexibles Karriere-Modell viel besser vereinbaren. Gerade über solche  Ansätze kann ein KMU-Betrieb bei begehrten Talenten enorm an Attraktivität gewinnen. Erste Betriebe haben das bereits erkannt, und nutzen ihre Chance, Kandidaten und Kandidatinnen stärker in deren Lebens- und Arbeitssituation zu adressieren und unabhängig vom Arbeitsort anzuheuern.

Interessant, damit bewegen sich diese Betriebe auch gleichzeitig in Richtung New Work. Wo genau sehen Sie die Vorteile?

Ja, prinzipiell ist das richtig. Denn schon allein aufgrund einer eher schlanken Organisation ist es KMU-Betrieben möglich, ihre Arbeit flexibel und orts- wie auch zeitunabhängig zu gestalten. Man kommt schneller zu einem Ergebnis, da Abstimmungs- und Entscheidungswege kürzer sind. Eigentlich. Aber was sich theoretisch in den Diskussionen um New Work so leicht anhört, ist in der praktischen Umsetzung harte Arbeit.  Denn besonders kleine Betriebe arbeiten in gewachsenen, traditionellen Strukturen. Sie müssen ebenso alte Zöpfe abschneiden und diese organisatorischen Strukturen grundlegend überdenken. Unsere Studien zeigen, dass Führungskräfte noch Probleme damit haben, Verantwortung an ihre Mitarbeitenden abzugeben. Was – neben schönen Möbeln und Kickertischen –  ein wesentlicher Teil von New Work ist.

Derzeit zeichnen sich zwei Entwicklungen ab: die Verschärfung des Fachkräftemangels, weil Unternehmen jetzt verstärkt auf Digitalisierung setzen; gleichsam ist eine zunehmende Freisetzung von Fachkräften im Zuge von Spar- und Restrukturierungsprogrammen sichtbar. Wo befinden sich mittelständische Betriebe in diesem Szenario und wie wirkt sich diese zweiteilige Entwicklung auf ihr Personalmanagement aus?

Mittelständische Betriebe sind tendenziell häufiger vom Fachkräftemangel betroffen als größere Firmen, die andere Gehälter zahlen, attraktive Standorte vorhalten und ein modernes Arbeitsumfeld bieten. Zudem rekrutieren diese Betriebe meist regional, womit sich der Pool an Kandidatinnen und Kandidaten nochmals verkleinert. Je nach Branche gibt es sowohl konjunkturelle wie auch strukturelle Einflüsse, die es zu berücksichtigen gilt. Deshalb ist es ratsam, auf langfristige Personalgewinnung zu setzen und auch potenzielle Talente anzusprechen, die vielleicht nicht auf den ersten Blick ein “perfect fit“  sind. Wir sehen, dass sich die Unternehmen dabei in zwei Lager teilen: Die einen stehen bei der Rekrutierung komplett auf der Bremse, die anderen nutzen gerade jetzt die Zeit, um ihre Unternehmen auch personalstrategisch fit für die Zukunft zu machen. Man muss immer bedenken, dass die Besetzung von Schlüsselpositionen zunehmend länger dauert und man dafür entsprechend zeitlichen Vorlauf benötigt. Ungenutztes Potenzial sehen wir noch bei der Möglichkeit „Mitarbeitende werben Mitarbeitende“.

Was raten Sie konkret: Was sind wichtige Determinanten für die Personalsuche in wirtschaftlich angespannten Zeiten? Wie können Rekrutierungsstrategien angepasst werden? Kann man „auf Halde“ einstellen?

Man sollte sich den aktuellen Arbeitsmarkt genau anschauen. Es gibt hochqualifizierte Fach- und Führungskräfte am  Markt, da viele Unternehmen große Teile ihres Geschäfts umbauen und das auch die Personalallokation betrifft. Manche dieser Top-Kräfte suchen neue Wirkungskreise, andere bilden sich intern weiter. Vor diesem Hintergrund die bisherige Rekrutierung einfach weiterlaufen zu lassen und darauf zu hoffen, dass ein großer Fang ins Netz geht, erscheint wenig sinnvoll.

Wichtig ist es jetzt, ein robustes und zugleich flexibles Workforce  Management mit einem gewissen Planungshorizont aufzusetzen. Also wo wollen wir in drei Jahren stehen? Welche Bereiche und Tätigkeiten können flexibel gehalten werden, wo müssen die Mitarbeitenden wie verfügbar sein? Und wo können externe Fachkräfte eingesetzt werden? Auf Halde einstellen erzeugt zu hohe Kosten für die Unternehmen und enttäuscht eventuell auch die Fachkräfte, die ja eigentlich gleich mit Volldampf loslegen möchten.

Können Sie eine Aussage darüber treffen, wie sich im Zuge von Automatisierung und Digitalisierung insbesondere im Mittelstand die Kompetenzen verändern werden? In welche Fähigkeiten sollte schon jetzt investiert werden?

Noch vor einigen Jahren wurde die Auswahl an Bewerberinnen und Bewerbern ausschließlich über deren Fachwissen getroffen. Heute geht es immer stärker darum, wie gut das Werteverständnis der Talente mit dem des Unternehmens übereinstimmt.  Zudem sollte ein mittelständischer Entscheider auf soziale und methodische Fähigkeiten seiner Kandidaten und Kandidatinnen achten. Da geht es um Digitalkompetenz ebenso wie um Kommunikations- oder Anpassungsfähigkeit. Wobei der fachliche Fit natürlich im KMU-Business nach wie vor eine hohe Bedeutung hat.
 
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