Die echte Null

Um ihre Klimaziele zu erreichen, halten viele Mittelständler Partnerschaften mit externen Dienstleistern für notwendig.

Illustration: Napal
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Mirko Heinemann Redaktion

Europa soll im Jahr 2050 der erste klimaneutrale Kontinent der Welt sein. Um die Weichen dorthin zu stellen, hat die Europäische Kommission das Maßnahmenpaket „Fit for 55“ vorgestellt. Es umfasst eine Vielzahl von Verordnungen, mit denen die Emissionen von Treibhausgasen in der Europäischen Union zum Jahr 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 verringert werden sollen.

An erster Stelle steht eine Verschärfung und Ausweitung des bereits bestehenden EU-Emissionshandelssystems, das bisher vor allem Energieunternehmen und energieintensive Industriebetriebe betrifft. Prinzip: Jedes Jahr sinken die Obergrenzen für die Gesamtemissionen einzelner Wirtschaftszweige, sodass sich die CO2-Zertifikate jährlich verteuern. Diese Emissionsrechte sollen stärker gekürzt werden, nämlich statt um 43 Prozent bis 2030 im Vergleich zu 2005 nun schrittweise um 61 Prozent. Zudem soll der Emissionshandel ab 2026 auf Straßenverkehr und Gebäude ausgeweitet werden, um auch in diesen beiden Sektoren mehr Treibhausgase einzusparen.

Für Mittelständler heißt das: Die Dekarbonisierung wird mehr und mehr zur Überlebensfrage. Viele KMU haben bereits in Richtung nachhaltiger Unternehmensführung umgesteuert oder treiben sie voran. Wer das noch nicht tut, sollte dringend nachziehen, denn der Umbruch wird in Anbetracht der ambitionierten Klimaziele unaufhaltsam kommen. Laut einer Studie des Handelsblatt Research Institute in Kooperation mit dem Bundesverband mittelständische Wirtschaft im Auftrag der Engie Deutschland steht deutlich mehr als die Hälfte der Mittelständler zum Erreichen ihrer Klimaziele einer langfristigen Partnerschaft mit externen Dienstleistern offen gegenüber. Denn vielen Unternehmen fehle es an personeller und technologischer Expertise in Fragen der Energieversorgung und der Energieeffizienz. Deshalb befürworten die KMU Contracting-Modelle, um die ambitionierten Klimaziele zu erreichen. Den entscheidenden Vorteil sehen sie dabei in der Verlagerung von Kosten- und Ergebnisrisiken auf das Dienstleistungsunternehmen.

Wie das gehen kann, hat Engie Deutschland skizziert. In seinem „Real Zero“-Plan setzt das Unternehmen den Fokus auf die physische Verringerung des CO2-Ausstoßes und als Ziel die „echte Null“. Im ersten Schritt konzentriert sich das Unternehmen auf das Verbessern der Energieeffizienz; erfahrungsgemäß für Unternehmen der größte Hebel, um CO2-Emissionen zu reduzieren. Anschließend wird im zweiten Schritt grüne Wärme und grüne Kälte eingesetzt, hergestellt aus erneuerbaren Energien. Im dritten Schritt konzentriert man sich auf grünen Strom, bevor im vierten Schritt Logistik und Mobilität umgestellt werden. Erst wenn die „physisch und prozessual veränderbaren Faktoren“ aus den Schritten eins bis vier erschöpft sind, folgt mit Schritt fünf die Kompensation der Restemissionen über Zertifikate.

Diesen Weg geht bereits das Unternehmen Geka, Marktführer für die Herstellung von Verpackungssystemen und Applikatoren für die flüssige Farbkosmetik. Im Rahmen einer Energiepartnerschaft mit Engie Deutschland soll eine Dekarbonisierung des Unternehmens bis 2036 realisiert werden.
 

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