Lernen von den Vorreitern

KMU wollen zukunftsfähig und wettbewerbsstark sein. Das geht aber nur, wenn sie verstärkt auf digitale Instrumente wie die Künstliche Intelligenz (KI) setzen. Dabei können sie von den Erfahrungen von Pionieren profitieren.

Illustration: Nicole Pfeiffer
Illustration: Nicole Pfeiffer
Klaus Heimann Redaktion

Noch ist es eine Minderheit, die KI in ihren kleinen und mittleren Betrieben (KMU) einsetzt. Input Consulting, eine gemeinnützige Gesellschaft für Innovationstransfer in Stuttgart, hat ermittelt, dass nur 16 Prozent der 3,5 Millionen KMU und Handwerksbetriebe in Deutschland KI aktuell nutzen. Immerhin planen weitere 15 Prozent den Einsatz. Aber die Betriebe müssen aufpassen, dass die Mitarbeiter sie nicht einfach überrennen. Denn: Wenn das Unternehmen keine KI verwendet, bringen die Beschäftigten sie einfach mit. Ist also die KI heute schon der heimliche Kollege? 

„Es gibt ein großes und steigendes Interesse der Menschen an Künstlicher Intelligenz. Wer mit KI im Privaten positive Erfahrungen macht, will die Technologie auch im Beruf einsetzen“, sagt Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst. „Unternehmen müssen darauf reagieren – und zugleich darauf achten, dass sich keine Schatten-KI verbreitet, mit entsprechenden Risiken für Datensicherheit und Datenschutz.“

DIE QUALITÄT DER DATEN MUSS STIMMEN

Die Gründe für die Zurückhaltung der KMU haben einen realen Hintergrund, und zwar die oftmals unzureichende Datengrundlage. Die KI braucht Daten, um zu lernen, zu steuern, um Prozesse und Produkte zu optimieren. Laura Bies, KI-Trainerin im Mittelstand-Digital Zentrum in Saarbrücken, bestätigt das: „Die Qualität der Daten ist der entscheidende Schlüssel zur Entfaltung des vollen Potenzials von Künstlicher Intelligenz.“ Der Einsatz von KI hat drei technische Voraussetzungen: eine digitale Umgebung, einen ausreichend großen, qualitativ hochwertigen und strukturierten Datenpool und eine leistungsstarke digitale Infrastruktur.

Hemmnisse für den KI-Einsatz gibt es nicht nur bei der fehlenden Datenbasis, sondern ebenso beim fehlenden Know-how und bei den Fachkräften. Datenbasierte Systeme, um die es beim KMU-Einsatz zentral geht, haben zwar die Fähigkeit, auf der Grundlage von Daten selbstständig zu lernen, aber ohne personelle Unterstützung geht es dann doch nicht. Dabei ist KI keineswegs nur etwas für Computer-Freaks in der Firma, sondern auf die Lösung konkreter Probleme ausgerichtet und unterstützt die Chefs und Mitarbeitenden bei Arbeitsund Entscheidungsprozessen.

LERNEN VON KI-ANWENDERN

Wie bringt man die KI in KMU? KMU können vor allem von anderen Betrieben lernen, die als Pioniere schon erfolgreich dabei sind. So beispielsweise von der Firma Helmut Meeth, die mit ihren 150 Beschäftigten im Rheinland-Pfälzischen Wittlich auf den Einbau von Fenstern spezialisiert ist. Ihre Fenster und Türen erhalten direkt bei der Herstellung einen NFC-Chip. Die gespeicherten Identifikationsdaten gehen in die Cloud und sind dort hinterlegt. Der Chip liefert relevante Informationen (etwa technische Produktdaten, Zertifikate, Montagedokumentation, Facility-Management), die für den digitalen Service notwendig sind. Die Kunden können nach dem Einbau jederzeit auf die Daten in der Cloud zugreifen.

Auch bei der Auftragsplanung und Montage hilft KI der Firma Meeth. Die Daten zu allen Aufträgen sind digital generiert und den Monteuren zugeordnet. Der gesamte Kommunikationsprozess ist digital ausgerichtet – egal ob Hersteller, Montageteam oder Auftraggeber. Anstatt einer zeitaufwendigen Qualitätskontrolle gibt es ein optisches Prüfverfahren, das durch KI auch noch kostengünstig ist.

Illustration: Nicole Pfeiffer
Illustration: Nicole Pfeiffer

ANGEBOTSERSTELLUNG UND DIGITALE PLATTFORM

Lernen können KMU-Betriebe auch von der Firma Wildeboer aus Weener in Ostfriesland. Die 330 Mitarbeitenden sind Experten für die Entwicklung und Herstellung von Bauteilen und Systemen für Gebäudetechnik, insbesondere von Komponenten für Brand- und Schallschutz und Luftverteilung. Erste Erfahrungen mit KI sammelte das Unternehmen mit der digitalen Angebotserstellung. Früher werteten Mitarbeitende von Wildeboer die Angebotsanfragen mühsam und manuell mithilfe einer Software auf der Grundlage des Leistungsverzeichnisses aus. Jetzt unterstützt die KI die Mitarbeitenden bei der Angebotserstellung.

Inzwischen gibt es auch eine digitale Plattform, um die Arbeitsabläufe im Anlagenbau zu optimieren und die Effizienz zu steigern. Damit ist eine Echtzeit-Auftragsverfolgung möglich. Zusätzlich gibt es einen leistungsstarken Produktgenerator und einen zentralen Zugang zu allen wichtigen Daten und Dokumenten zu Aufträgen, die jederzeit und von überall abrufbar sind.

Beide KMU haben sich für ihren Einstieg in die KI-Welt Unterstützung organisiert. Bei Firma Wildeboer aus Weener war es das Kompetenzzentrum Lingen Mittelstand 4.0 und bei der Firma Helmut Meeth war es das Mittelstand-Digital Zentrum in Kaiserslautern. Beide Zentren gehören zu einem Verbund von 26 regionalen Beratungsstellen, den das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) ins Leben gerufen hat. 

Ziel dieser bundesweiten und kostenlosen Förderinitiative ist es, die Bedeutung des Zukunftsthemas KI kleinen und mittleren Unternehmen bewusst zu machen, über die Chancen zu informieren und bei der Umsetzung von Projekten tatkräftig zu unterstützen.

ONE-STOP-SHOP-NETZWERKE HELFEN WEITER

Die Zentren funktionieren als One-Stop-Shops („Alles aus einer Hand“) und sind bei allen Fragen zur KI ansprechbar. Unternehmen können sich zunächst an ein Zentrum vor Ort wenden und werden dann bei Bedarf an ein auf eine bestimmte Branche oder ein spezielles Thema ausgerichtetes Zentrum weitervermittelt. 

Dass es dabei immer um praktische Lösungen geht, zeigt das Beispiel einer Bäckerei in Oberfranken. Dort war es möglich, durch KI und Bilderkennung die Backwaren-Rückläufer aus verschiedenen Filialen digital zu erkennen und die produzierten Mengen entsprechend anzupassen. Die KI schaffte es sogar, die unterschiedlichen Semmel-Sorten zu erkennen.

Nächster Artikel