Kleiner Geldbeutel sucht große Lösungen

Klima schützen, nachhaltig produzieren, Geld sparen: große Aufgaben für KMU, die sie nur mit mehr Energieeffizienz bewältigen können.

Illustration: Christina Franco Roda
Illustration: Christina Franco Roda
Frank Burger Redaktion

In Deutschland gibt es nach Angaben des Statistischen Bundesamtes rund 3,2 Millionen kleine und mittlere Unternehmen, kurz KMU, das sind bundesweit sage und schreibe 99,3 Prozent aller Firmen. Zu ihnen gehören 2,6 Millionen Kleinstunternehmen, was die Zahl von 20.800 Großunternehmen bei Weitem in den Schatten stellt. KMU werden gern gebetsmühlenartig als „das Rückgrat der deutschen Wirtschaft“ bezeichnet. Doch viele von ihnen gehen immer gebeugter – einer der Hauptgründe sind die über Jahre hinweg gestiegenen Energiepreise. Um bei Strom und Wärme zu sparen, tut vor allem eines not: Energieeffizienz, die auf unterschiedlichen Wegen erreicht werden kann. Aber warum sind Energiepreise für KMU im Rahmen aller Betriebskosten besonders relevant? Der Grund ist ihre geringere Größe und damit ihr geringerer Energieverbrauch im Vergleich zu großen Industrieunternehmen – denn je mehr Strom und Gas Firmen pro Jahr verbrauchen, desto weniger bezahlen sie pro Strom- beziehungsweise Gaseinheit. Nach dem historischen Hoch der Energiekosten – unter anderem, aber nicht nur verursacht durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine – im Jahr 2022 war die Entwicklung daher bis jetzt uneinheitlich. Die von der Ampelkoalition beschlossene Strom- und Gaspreisbremse soll zwar in nächster Zeit verhindern, dass die Energiepreise ins Unermessliche steigen. Aber zum einen läuft die Deckelung Anfang Mai 2024 aus. Zum Zweiten wackelt die Finanzierung dieser und anderer Maßnahmen zum Klimaschutz seit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts Mitte November: Die Bundesregierung wollte ein Sondervermögen, das zur Bewältigung der Corona-Krise gedacht war, für den Kampf gegen den Klimawandel umwidmen. Das haben die Richter nun für verfassungswidrig erklärt – und plötzlich fehlen Berlin 60 Milliarden Euro.

Außerdem kommt für alle Unternehmen ein weiterer Kostenfaktor hinzu: der Preis für CO₂-Emissionen. Dass er in Zukunft sinken wird, ist unwahrscheinlich. Und ganz abgesehen vom finanziellen Aspekt ist die Reduktion des Kohlendioxidausstoßes im Interesse aller Gesellschaften und damit auch der Unternehmen hierzulande und weltweit – denn die Senkung der Emissionen ist eine unverzichtbare Maßnahme des Klimaschutzes.

Eine höhere Energieeffizienz vereint das Beste aus beiden Welten: Die Kosten sinken, die Umwelt wird geschützt. Und KMU stehen verschiedene Möglichkeiten offen, diese Ziele zu erreichen.

Dazu sollten sie sich zunächst bewusst machen, was Energieeffizienz überhaupt bedeutet: Effizienz erfordert Effektivität – sie ist gegeben, wenn Handlungen zu einem angestrebten Ziel führen. Effizient sind sie, wenn dafür so wenig Ressourcen wie möglich eingesetzt werden müssen.

Illustration: Christina Franco Roda
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Übertragen auf Energieeffizienz: Ein Unternehmen muss sich zunächst über seine Energieziele klar werden. Natürlich wäre es ideal, den Bezug und Verbrauch von Strom und Wärme – sowie aller anderen Ressourcen – so kostengünstig und umweltfreundlich wie möglich zu gestalten. Das funktioniert am besten mit einem Energiemanagementsystem, das alle Daten sammelt und analysiert und sämtliche Prozesse steuert, am besten automatisiert und ohne menschliches Zutun. Doch diese umfassende Lösung erfordert größere Investitionen an Geld, Zeit und Expertise. Daher ist es für manche Firmen sinnvoller, entweder einzelne, kleinere oder leichter zu erreichende Ziele ins Auge zu fassen.

Wie sie auch immer aussehen mögen: Am Anfang jedes Prozesses muss eine Bestandsaufnahme stehen, beispielsweise im Rahmen eines Energie-Audits, das unabhängige Energieberater relativ kostengünstig übernehmen, denn ihr Einsatz wird bis zu einem gewissen Grad von verschiedenen Institutionen gefördert. Das Audit identifiziert die Verbraucher in der Firma und unter ihnen die größten Energiefresser – sie sind eine der wirksamsten Stellschrauben für Verbesserungen und Abhilfen. Eine besonders niedrigschwellige Lösung, die nicht einmal Investitionen erfordert und dem energiesparenden Verhalten zu Hause entspricht: energiehungrige Komponenten wie beispielsweise große Produktionsmaschinen abschalten oder in den Stand-by-Modus versetzen, wenn sie nicht benötigt werden. Und zweitens: Unternehmer sollten ihre Mitarbeiter für einen sparsamen Umgang mit Ressourcen sensibilisieren – Licht ausschalten, Türen schließen, Heizung runterdrehen.

Diese simplen Maßnahmen sind natürlich nur begrenzt in ihrer Wirkung. Wer größere Lösungen sucht, sollte sowohl die Faktoren Strom als auch Wärme berücksichtigen, die beiden Schlüsselressourcen der Produktion in Unternehmen. Um sie ganzheitlich zu betrachten, braucht es ein übergeordnetes, nachhaltiges Energiekonzept, das erneuerbare Energien in den Blickpunkt rückt.

So kann beispielsweise die Nutzung erneuerbarer Energien wie Photovoltaik und Solarthermie den Strombedarf decken und gleichzeitig Wärmeenergie liefern. Kein Wunder, dass die Installation von Photovoltaikanlagen in Kombination mit Solarthermie auf dem Dach oder auf Freiflächen von KMU immer wichtiger wird. Der erzeugte Strom kann sowohl für den Betrieb genutzt als auch gegen ein Entgelt ins öffentliche Stromnetz eingespeist werden, die von den Solarthermieanlagen erzeugte Wärme kann Heizzwecken oder der Unterstützung industrieller Prozesse dienen.

Eine nachhaltige Wärmequelle für die Versorgung von Produktionsstätten, Lagerhallen und Büros ist auch Erdwärme. Um sie zu nutzen, müssen Firmen Wärmepumpen installieren, genau wie im Privaten, wenn damit ein Haus beheizt werden soll. Wärmepumpen nutzen die im Erdinneren, in der Luft oder im Grundwasser gespeicherte Wärme und wandeln sie in nutzbare Energie um – umweltfreundlich und unabhängig von externen Witterungseinflüssen. Der Wermutstropfen: Erdwärme ist nicht überall verfügbar, dafür muss ein ausgebautes Netz vorhanden sein.

Ein anderes Feld, auf dem KMU die Energieeffizienz und den CO₂-Ausstoß in Angriff nehmen können, ist die Produktion, wo innovative Energiekonzepte einen entscheidenden Einfluss haben. Intelligente Sensoren, Automatisierung und Digitalisierung ermöglichen die präzise Überwachung und Steuerung von Energieflüssen und die Anpassung an variable Energieangebote – was bei der Nutzung erneuerbarer Energiequellen wie Sonne und Wind unerlässlich ist. So können Produktionszyklen flexibler gestaltet werden, um Spitzenzeiten in der Energieproduktion zu nutzen.

Ähnlich gestalten sich die Möglichkeiten für die Steigerung der Energieeffizienz in der Logistik und Lagerhaltung, einem der zentralen Handlungsorte vieler KMU: Auch hier geht es um effiziente Energieflüsse. Beispielsweise können Fuhrparks mit Elektrofahrzeugen, deren Batterien mit Strom aus erneuerbaren Energien geladen werden, den CO₂-Ausstoß reduzieren und langfristig Kosten senken – unter der Annahme, dass E-Mobilität tatsächlich die Zukunft bestimmen wird. Moderne Lager können durch intelligente Beleuchtungssysteme, energiesparende Klimatisierung und automatisierte Regulierung der Temperaturen den Energieverbrauch minimieren.

Klar, all diese Maßnahmen kosten Geld. Die Umstellung auf nachhaltige Energiekonzepte erfordert oft erhebliche Investitionen – die insbesondere die finanziellen Mittel der Kleinstunternehmen unter den KMU übersteigen können. Hinzu kommt die Hürde der technologischen Komplexität: Die Vielfalt der verfügbaren Technologien und ihre Anwendung in unterschiedlichen Geschäftsbereichen können verwirrend sein. Eigentlich brauchen Firmen Spezialwissen.

Für beide Herausforderungen sollten KMU auf eine Kombination von Lösungsansätzen bauen. Da sind zum einen Fördermittel und Finanzierungsanreize aus verschiedenen Quellen, etwa vom Bund oder aus regionalen und kommunalen Geldtöpfen, zum anderen Beratungsleistungen, die von kommerziellen Anbietern oder neutralen Stellen kommen. Des Weiteren hilft oft schon der Erfahrungsaustausch von KMU untereinander. Dafür existieren Netzwerke und Plattformen, die sowohl informell sein können als auch von öffentlichen Institutionen, etwa Verbänden, ins Leben gerufen wurden. Hier teilen Firmen ihre Erkenntnisse, die bereits erfolgreich – inklusive eventueller Rückschläge – nachhaltige Energiekonzepte implementiert haben.

Ein solches Best-Practice-Beispiel ist die Karmeliten Brauerei im bayerischen Straubing, die auf die Gründung durch Mönche des Karmelitenordens im Jahr 1367 zurückgeht und heute auf einem Gelände am Rande der Stadt produziert.

Seit 2016 setzt der Betrieb auf ein Energiekonzept mit umfangreichen Zielen: Die Firma reduziert den Einsatz von Primärenergie, erzeugt selbst Strom und baut dabei durch moderne Speichertechnologie Lastspitzen ab, nutzt Naturkälte und erfasst sowie analysiert ihre Energieverbräuche für eine effiziente Auftragsplanung. Die große Vision: eine energieautarke Firma.

Dazu hat die Brauerei unter anderem eine Mikrogasturbine, eine Absorptionskältemaschine und eine Biogasanlage installiert, speichert Kälteenergie in einem Eisspeicher und regelt alle Abläufe mit einem Energiemanagementsystem. Das Projekt mit seinen Einzelmaßnahmen hat bisher den CO₂-Fußabdruck des Unternehmens im Vergleich zum Zeitraum vor den Energieeffizienzmaßnahmen um 280.000 Tonnen gesenkt, das entspricht einer Reduktion um 40 Prozent. Ermöglicht haben das unter anderem Einsparungen im Stromverbrauch in Höhe von rund 470.000 kWh.

Für ihr Engagement in Sachen Energieeffizienz wurde die Karmeliten Brauerei von der Deutschen Energie-Agentur prämiert, der Betrieb hat außerdem den Handelsblatt Energy Award gewonnen und war für den Bayerischen Energiepreis nominiert.

Das Beispiel zeigt: Wenn KMU ihre Energieeffizienz konsequent steigern, ist das eine ausgezeichnete Idee – aber wichtiger als warme Worte und Urkunden an der Wand ist, dass die Unternehmen, aus denen sich das Rückgrat der deutschen Wirtschaft zusammensetzt, dadurch wieder aufrechter gehen können.