Digitalisierung als Erfolgsfaktor

Dem Mittelstand bietet die Digitalisierung große Chancen, und dementsprechend hoch ist das Interesse kleiner und mittlerer Unternehmen an Einsatzmöglichkeiten moderner Technologie. Allerdings stehen die üblichen Hindernisse wie Investitionskosten und Fachkräftemangel im Weg.

Illustration: Christina Franco Roda
Illustration: Christina Franco Roda
Jörg Klingele Redaktion

Die Digitalisierung ist längst auch im Mittelstand angekommen. Im Vergleich zu großen Unternehmen haben kleine und mittlere Unternehmen aber noch Aufholbedarf: Der „Digitalisierungsindex 2022“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz bescheinigt großen Unternehmen einen Indexwert von 201,8. Mittlere und kleine Unternehmen kommen lediglich auf einen Wert von 124,0 beziehungsweise 94,8. (Dieser Digitalisierungsindex berücksichtigt Kriterien wie digitale Vernetzung, digitale Produkte, Ausbildung der IT-Mitarbeiter sowie Forschungs- und Entwicklungsausgaben.)

Der „Digitalisierungsindex Mittelstand 2021/2022“ der Deutschen Telekom erlaubt darüber hinaus einen Blick auf den Zustand der einzelnen Branchen: Logistikunternehmen liegen mit 65 (von 100 möglichen) Indexpunkten an erster Stelle. Auch die Industrie schneidet mit 63 Punkten überdurchschnittlich gut ab. Das Handwerk erreicht mit 59 Punkten genau den branchenübergreifenden Durchschnitt. Unterdurchschnittliche Indexwerte dagegen sind bei den Branchen Gastgewerbe (57 Punkte), Handel (55 Punkte) und Baugewerbe (53 Punkte) zu verzeichnen.
 

DEUTSCHER MITTELSTAND IM EU-VERGLEICH


Da mit steigender Digitalisierung deutsche Unternehmen auch mit Betrieben aus anderen Ländern konkurrieren, ist ein Blick auf den EU-Vergleich interessant. Laut dem Institut für Mittelstandsforschung liegt die „digitale Intensität“ (die die Nutzung digitaler Technologien widerspiegelt) der kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland über dem EU-Durchschnitt: 37 Prozent der mittelständischen Unternehmen in Deutschland geben an, über eine „sehr hohe“ oder zumindest „hohe“ digitale Intensität zu verfügen. Der EU-Durchschnitt beträgt lediglich 31 Prozent. Deutsche Großunternehmen dagegen unterscheiden sich in ihrer digitalen Intensität kaum von ihren Gegenstücken in anderen EU-Ländern.

Die größten Bremsen der Digitalisierung im deutschen Mittelstand sind einer Studie von KfW Research zufolge die Anforderungen an Datenschutz und Datensicherheit, unzureichende digitale Infrastruktur, fehlende IT-Kompetenzen im Unternehmen, die mangelnde Verfügbarkeit von IT-Fachkräften und nicht zuletzt die hohen Kosten.

Durch Digitalisierung – also durch den Einsatz moderner Informations- und Telekommunikationstechnologie – können Unternehmen eine höhere Effizienz erreichen, eine stärkere Flexibilität und niedrigere Kosten. Erreicht wird dies dadurch, dass sich digital vorliegende Daten leichter und schneller übertragen, bearbeiten und analysieren lassen. Es gibt keine Branchen und keine Unternehmen, die nicht bereits auf die eine oder andere Weise von der Digitalisierung profitieren. Im banalsten Fall einfach durch das Erledigen der Buchführung mit einem PC statt mit Stift und Papier. Das andere Extrembeispiel wäre der Einsatz von Enterprise-Resource-Planning-Software, die es erlaubt, Mitarbeiter, Kapital, Produktionsanlagen und Material zu verwalten und die dabei anfallenden Daten zu analysieren (teilweise mithilfe künstlicher Intelligenz). Durch die intelligente Vernetzung von Maschinen sind auch weitgehend automatische Produktionsabläufe möglich. „Internet der Dinge“ und „Industrie 4.0“ lauten hier die Schlagworte. Die Nachhaltigkeit kommt ebenfalls nicht zu kurz: Die durch die Digitalisierung ermöglichten effizienteren Produktionsprozesse sorgen für einen niedrigeren Energieverbrauch und oft auch für einen geringeren Materialbedarf.

Im Idealfall beschränkt sich die Digitalisierung nicht auf betriebsinterne Prozesse, sondern ermöglicht auch den Datenaustausch mit Partnerunternehmen, sodass sich die gesamte Lieferkette optimieren lässt.

Die Digitalisierung kann sich zudem auf die eigentlichen Produkte beziehen statt nur auf die Produktions- und Verwaltungsprozesse: Unternehmen können also im Zuge der Modernisierung ihre Geschäftsmodelle um digitale Dienstleistungen erweitern, die entweder die bereits existierenden Produkte ergänzen oder aber neue eigenständige Produkte darstellen.
 

KONKURRENZFÄHIG DANK MODERNER TECHNIK
 

Wichtig für den Mittelstand ist es, dass er durch die Digitalisierung besser mit großen Unternehmen konkurrieren kann. Denn viele digitale Funktionen lassen sich kostengünstig als Dienstleistung nutzen, sodass keine großen Anfangsinvestitionen nötig sind: Unternehmen beispielsweise, die Software, Rechen- und Speicherkapazitäten sowie IT-Sicherheitsfunktionen als Dienstleistung über Cloud-Computing nutzen, ersparen es sich, ein eigenes Rechenzentrum zu betreiben und eine umfangreiche eigene IT-Abteilung zu unterhalten. Auch Werbemaßnahmen sind dank digitaler Vertriebswege und dank einfacher Zielgruppenauswahl erschwinglicher als früher. Zudem erleichtern digitale Kommunikationsmethoden die enge Kundenbindung, die ja die Geschäftsmodelle vieler mittelständischer Unternehmen auszeichnet.

„Die Digitalisierung ist für den Mittelstand keine Option, sondern eine Notwendigkeit. Denn nur so kann er in Zukunft resilient und wettbewerbsfähig bleiben“, erläutert Dr. Anna Christmann, Beauftragte für die Digitale Wirtschaft im Wirtschaftsministerium.

Illustration: Christina Franco Roda
Illustration: Christina Franco Roda

GESTEIGERTER UMSATZ
 

Der digitale Mehrwert lässt sich auch in konkreten Zahlen ausdrücken: Laut dem „Digitalisierungsindex Mittelstand“ der Deutschen Telekom konnten 41 Prozent der befragten mittelständischen Unternehmen feststellen, dass durch die Digitalisierung ihr Umsatz und ihr Betriebsergebnis gestiegen sind. 47 Prozent berichteten von einer verbesserten Produktqualität, 50 Prozent von einer höheren Kundenzufriedenheit und 52 Prozent von einer Vereinfachung ihrer Prozesse.

Nicht verwunderlich also, dass 45 Prozent der mittelständischen Unternehmen ihr Digitalisierungsbudget erhöhen und weitere 48 Prozent dieses Budget zumindest nicht verringern werden. 68 Prozent haben vor, ihr bestehendes Konzept um digitale Produkte und Geschäftsmodelle zu erweitern. 52 Prozent beabsichtigen sogar, in Zukunft überwiegend auf ein digitales Geschäftsmodell zu setzen.

„Der durch die Corona-Pandemie ausgelöste Digitalisierungsschub im Mittelstand hält an, die Gesamtausgaben für digitale Projekte legen zu“, sagt Dr. Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der Förderbank KfW. „Einige Wermutstropfen bleiben jedoch, allen voran die Tatsache, dass sich die Basis der mittelständischen Unternehmen, die digitalisiert, kaum verbreitert und mehr denn je eine Spaltung in digitale Vorreiter und abgehängte kleine Mittelständler droht.“
 

FÖRDERUNGEN UND FORDERUNGEN
 

Die Telekom-Studie belegt auch, dass der Mittelstand die Möglichkeiten der Digitalisierung längst nicht ausgeschöpft hat: „Innovative Lösungen“ wie das Internet der Dinge oder künstliche Intelligenz setzt bisher nur eine Minderheit der Unternehmen ein. Insoweit dies ein Problem der Kosten ist, könnten öffentliche Förderprogramme Abhilfe schaffen. Allerdings rufen bisher lediglich 18 Prozent der Unternehmen tatsächlich diese Gelder für ihre Digitalisierungsvorhaben ab. Die Gründe dafür sind hauptsächlich „fehlende Transparenz“ und bürokratische Hürden. Das bestätigt sich durch die Erfahrungen derjenigen Unternehmen, die die Fördermittel genutzt haben: 59 Prozent benötigten externe Unterstützung, um die passende Förderung zu finden und zu beantragen.

An den Staat hat der Mittelstand (in Gestalt des Deutschen Mittelstands-Bunds) folgende Forderungen für den Bereich Digitalisierung: mehr Investitionen in digitale Infrastruktur, höhere Anstrengungen bei der Cyber-Sicherheit sowie einen Ausbau der digitalen Verwaltung.
 

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