Unschlagbare Effizienz

Die Skepsis gegenüber der Wärmepumpe ist im Privathaushalt mittlerweile ausgeräumt. In mittelständischen Unternehmen erfolgt die Umstellung aber nur zögerlich – warum?

Illustration: Sophie Mildner
Illustration: Sophie Mildner
Olaf Strohm Redaktion

Das schwedische Möbelhaus IKEA gibt sich gern als Vorreiter in Sachen Design und Effizienz. Dass sich dieser Anspruch nicht nur auf Möbel beschränkt, zeigt die Filiale in Berlin-Lichtenberg. Hier wurden drei Großwärmepumpen mit einer Leistung von jeweils 500 Kilowatt installiert, die ihre Wärme aus einer naheliegenden Abwasserdruckleitung beziehen, die an das kommunale Abwassernetz angeschlossen ist. Mit einer zur Verfügung stehenden, durchströmenden Abwassermenge von bis zu 1,4 Millionen Litern pro Stunde handelt es sich um eine der größten Anlagen dieser Art in Europa.

 

»Wärmepumpen sind im Gewerbe genauso effizient wie im privaten Einsatz.«


Die Wärme aus dem Abwasser wird mit Hilfe der Großwärmepumpen auf rund 35 Grad Celsius angehoben und anschließend in die Fußbodenheizungen und Deckenstrahlplatten geleitet. Das Wärmepumpensystem ist ebenfalls in der Lage, die in der warmen Jahreszeit im Gebäude anfallende Wärme im Zuge des Kühlbetriebs wieder ins Abwasser zu leiten. Mit dieser Art der Energienutzung wird der Jahresenergiebedarf im Sommer komplett und im Winter bis zu 70 Prozent abgedeckt. In der kalten Jahreszeit kann der Anlage ein Gaskessel zur Unterstützung des Heizbetriebs zugeschaltet werden.

Um zusätzlich Energie einsparen, wurde darüber hinaus auf dem Dach des Gebäudes eine Photovoltaikanlage und eine thermische Solaranlage mit einer Fläche von 50 m2 für die Bereitstellung von Warmwasser installiert. Im gesamten Gebäude stellen leistungsfähige Lüftungsanlagen sicher, dass die verbrauchte Luft gegen gefilterte Außenluft getauscht wird. Wärme- und Kälterückgewinnungsanlagen entziehen der Gebäudeabluft zuvor Energie, die sonst ungenutzt an die Außenluft abgegeben würde. 

Doch was die Nutzung von Wärmepumpen in Gewerbe und Industrie angeht, ist IKEA Lichtenberg immer noch unter den Pionieren. Während Wärmepumpen in Privathaushalten und Wärmenetzen bereits weit verbreitet sind, wird ihr Potenzial im gewerblichen und industriellen Bereich noch selten genutzt. Das liegt laut Wärmepumpenverband vor allem daran, dass es so wenige Vorbilder gibt, die Vertrauen in neue Lösungen schaffen können. Stattdessen würden Wärmepumpensysteme bei anspruchsvollen Großprojekten noch viel zu selten in Betracht gezogen und lieber bewährte Heizungs-, Lüftungs- und Kühllösungen eingesetzt.

 

»Hochtemperatur-Wärmepumpen sind für fast alle Anwendungen im entsprechenden Temperatur- bereich einsetzbar.«
 


Dabei sind Wärmepumpen im Gewerbe genauso effizient wie im privaten Einsatz, zudem könne sie auf Basis von erneuerbarem Strom betrieben werden, was sie besonders klimafreundlich macht. Ein weiterer Vorteil: Wärmepumpen können sowohl Wärme als auch Kälte liefern. Die Aufgabenteilung in zwei getrennte Vorrichtungen wird damit obsolet. Bestenfalls besteht ein gleichzeitiger Wärme- und Kältebedarf, der von Wärmepumpen mit unschlagbarer Effizienz gedeckt werden kann. Mit einem durchdachten Wärmepumpen-Systemdesign sind hohe energetische und somit wirtschaftliche Einsparungen möglich, die ebenfalls der Umwelt zugutekommen.

Der Energie-, Heiz- und Kühlbedarf von Gewerbe- und Industrieanlagen unterscheidet sich teilweise deutlich von dem privater Ein- und Zweifamilienhäuser. Eine Sonderform beim Betrieb von Wärmepumpen ist die sogenannte Kaskadenschaltung. Dabei werden Wärmepumpen in Reihe geschaltet, so dass sich das Leistungsspektrum flexibel an den jeweiligen Wärme- oder Kühlbedarf und dessen natürliche Schwankung anpassen kann. Dadurch erhöht sich die Effizienz der Heizanlage und damit die Wirtschaftlichkeit eines Kaskadensystems gegenüber einer üblichen, bivalenten Wärmepumpenanlage. Außerdem werden so, gegenüber einer bivalenten Anlage, mehr Erneuerbare Energien genutzt. Ferner ergibt sich durch die Reihenschaltung von mehreren Wärmepumpen ein höheres Temperaturniveau im gesamten Heizsystem, was für industrielle Prozesse interessant sein kann. Wird in einem Objekt sowohl gekühlt als auch geheizt, können die Wärmepumpen innerhalb einer Kaskade sowohl einzeln zum Heizen oder zum Kühlen als auch gemeinsam zum Heizen und Kühlen eingesetzt werden. Dabei ist zu beachten, dass für jede einzelne Wärmepumpe in einer Kaskade staatliche Förderungen beantragt werden kann.

Wer Prozesswärme im Temperaturbereich bis zu 150 Grad Celsius benötigt, kann so genannte Hochtemperatur-Wärmepumpen einsetzen. In Deutschland beträgt die Nachfrage im Jahr laut Verband etwa 100 Terawattstunden. Dank der Erzeugung mehrerer Prozesswärme-Einheiten durch eine Energieeinheit kann der Primärenergiebedarf und der CO2-Ausstoß stark reduziert werden. Hochtemperatur-Wärmepumpen sind für fast alle Anwendungen im entsprechenden Temperaturbereich einsetzbar. Einsatzfelder sind zum Beispiel die Lebensmittel-, die Papier- und die Chemieindustrie. Die einzige Voraussetzung für die wirtschaftliche Umsetzbarkeit ist eine Wärmequelle, etwa Abwasser, auf einem entsprechenden Temperaturniveau. Bei Bedarf an Wärme und Kühlung steigt der Wirkungsgrad, und die Wirtschaftlichkeit der Wärmepumpe erhöht sich. Die Umrüstung auf Wärmepumpen lohnt sich. Im Förderprogramm Erneuerbare Energien „Premium“ können Wärmepumpen unabhängig von der Leistung einen BEG-Zuschuss vom BAFA von bis zu 45 Prozent für die Heizungssanierung erhalten. Es gelten dabei die technischen Anforderungen der BEG-Einzelmaßnahmenförderung. Größere Wärmepumpen fördert die KfW-Bankengruppe. Im Programm Erneuerbare Energien Premium (KfW 271) werden die Förderbedingungen bei der Errichtung von erdgekoppelten Großwärmepumpen über 100 kW Wärmeleistung sowie die Errichtung von Wärmenetzen beschrieben. Großwärmepumpen erhalten einen Tilgungszuschuss von mindestens 10.000 und maximal 100.000 Euro. 

Darüber hinaus gibt es zusätzliche Zuschüsse für eine Erdwärmesonde, jedoch keine Förderung von luftbasierten Wärmepumpen. Bei Förderanträgen von kleinen und mittleren Unternehmen, bei denen die Anlage der Aufrechterhaltung des Unternehmensbetriebs dient, kann der Förderbeitrag um weitere 10 Prozent des gesamten Zuwendungsbetrags erhöht werden. Neben den Förderprogrammen des Bundes bei BAFA und KfW bieten auch viele Bundesländer, Kommunen oder Energieversorger Förderung für effiziente Wärmepumpen an. 
 

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