Enormes Potenzial

Künstliche Intelligenz kann ein Schlüssel für Innovationen im Mittelstand werden. Deutsche Unternehmen sollten die Chance nutzen, die der europäische Binnenmarkt bietet.

Illustration: Sophie Mildner
Illustration: Sophie Mildner
Autor: Mirko Heinemann Redaktion

Wecken Sie Ihre Superkräfte. Erleben Sie die nahtlose Integration von menschlicher und künstlicher Intelligenz, erleben Sie das transformative Potenzial Ihres Unternehmens und sichern Sie sich Ihren Wettbewerbsvorteil in der KI-Wirtschaft.“ Zugegeben: Es klingt ein wenig marktschreierisch, wie das Berliner Start-up Aleph Alpha auf seiner Homepage seine Dienstleistung anpreist. Aber wer würde sonst auf die Idee kommen, dass sich hinter dem kleinen Unternehmen eine KI-Innovationsgründung mit höchstem Potenzial verbirgt?
 

»KI-Start-ups sind wesentliche Innovationstreiber.«


Als einer der ersten hat die Landesregierung Bayerns das Potenzial von Aleph Alpha erkannt. Sie möchte ihre Verwaltung mit Hilfe der Gründer digitalisieren. Aleph Alpha bezog im März einen Stützpunkt in der Landeshaupstadt München und ging eine Zusammenarbeit mit der Bayerischen Digitalagentur byte ein. Der bayerische Digitalminister Fabian Mehring war voll des Lobes: „Mit Aleph Alpha holen wir uns echten KI-Pioniergeist in die Landeshauptstadt“, erklärte er anlässlich der Eröffnung des Münchner Standortes. Die vereinbarte Zusammenarbeit sei ein „Meilenstein auf unserem Weg zu einem modernen Digitalstaat“, so Mehring weiter. „Mit diesem Coup bauen wir Bayerns Spitzenposition bei KI auch in der Verwaltung weiter aus.“ In einer Zeit, in der die Wirtschaft stagniere, während die Digitalwirtschaft zeitgleich um 20 Prozent wachse, sei klar, so Mehring: „KI-Start-ups sind wesentliche Innovationstreiber für unsere bayerische Wirtschaft und der Motor für den Wohlstand der Zukunft.“ 

Die Euphorie, die aus diesen Worten spricht, zeigt, wie sehr die Wirtschaft auf technologische Durchbrüche angewiesen ist. Und, wie sehr die digitale Transformation der Treiber dieser Entwicklung ist. Deutschland und Europa haben nun die einzigartige Chance, sich als führender Standort für Unternehmen im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) zu etablieren. Von der starken akademischen Tradition in Mathematik und Physik, die es in Europa gibt, konnte auch Aleph Alpha profitieren. Das Unternehmen kann auf ein großes Reservoir an Talenten zurückgreifen. Zudem erhielt es umfangreiche Forschungsförderungen der Europäischen Union im Bereich Quantencomputing, um eine KI-gestützte Plattform für Quantencomputer zu entwickeln. 

Generell bietet Europa eine ausgezeichnete Infrastruktur, qualifizierte Arbeitskräfte und ein günstiges regulatorisches Umfeld für KI-Unternehmen. Datenschutzgesetze wie die DSGVO und der „AI-Act“, der weltweit erste regulatorische Rahmen für Anwendungen der Künstlichen Intelligenz, schaffen Vertrauen bei Verbrauchern und Unternehmen. Im Zeitalter von Cybercrime und Abhörskandalen ist Vertrauen der entscheidende Faktor für datengetriebene KI-Anwendungen. Gleichzeitig fördert die EU aktiv Investitionen in KI-Forschung und -Entwicklung durch Förderprogramme und öffentlich-private Partnerschaften. 

Illustration: Sophie Mildner

Dabei ist die Rolle des jüngst verabschiedete AI-Act nicht zu unterschätzen. Das europäische Gesetz über Künstliche Intelligenz ist die erste umfassende Verordnung über KI überhaupt. Das Gesetz ordnet KI-Anwendungen drei Risikokategorien zu. Anwendungen und Systeme werden verboten, die ein inakzeptables Risiko darstellen, etwa ein staatlich betriebenes Social Scoring, wie es in China eingesetzt wird. Anwendungen mit hohem Risiko, wie ein Tool zum Scannen von Lebensläufen, das eine Rangfolge von Bewerbern erstellt, unterliegen besonderen rechtlichen Anforderungen. Anwendungen, die nicht ausdrücklich verboten oder als risikoreich eingestuft sind, bleiben weitgehend unreguliert.

Der AI-Act bildet einen Rahmen, gewährleistet Rechtssicherheit und erleichtert es KI-Unternehmen, grenzüberschreitend in Europa zu operieren, ohne mit unterschiedlichen nationalen Regularien konfrontiert zu sein. Durch die Einrichtung von Reallaboren in den Mitgliedstaaten können KI-Innovationen entwicklungsbegleitend getestet werden. Dies fördert die Entwicklung neuer KI-Lösungen durch Start-ups. Die EU erhofft sich durch den AI-Act eine Vorbildfunktion und möchte internationale Standards für den vertrauenswürdigen Einsatz von KI setzen. Dies könnte KI-Anbieter aus aller Welt nach Europa ziehen, weil die klaren Regeln für den Umgang mit Grundrechten, Sicherheit und ethischen Prinzipien Vertrauen in eine europäische KI-Industrie schaffen.

Der regulatorische Rahmen macht zudem deutlich, wie dringend Maßnahmen gegen den Anstieg der globalen Cyberkriminalität gefragt sind. Ein Beispiel hierfür ist das Start-up Xain, ebenfalls aus Berlin. Es hat eine revolutionäre Blockchain-Technologie entwickelt, um Daten sicher und dezentral zu speichern und auszutauschen. Durch die Nutzung von KI-Algorithmen können Unternehmen ihre Daten effizient analysieren und wertvolle Erkenntnisse gewinnen, ohne die Kontrolle über ihre sensiblen Informationen zu verlieren. Xain hat bereits namhafte Kunden wie Volkswagen, die BMW-Group und Porsche gewonnen und zeigt, dass Europa ein fruchtbarer Boden für innovative KI-Lösungen ist.
 

»Eine echte Chance, die eigene Innovationskultur zu fördern und die digitale Transformation im Unternehmen voranzutreiben.«


Doch auch der Mittelstand kann zum Beispiel durch Partnerschaften von den innovativen Entwicklungen der KI-Start-ups profitieren. Wer sich darauf einlässt, hat nicht nur die Chance am Fachwissen und den Erfahrungen im Bereich der KI teilzuhaben und so seine eigenen Kompetenzen auszubauen, sondern auch eine eigene Innovationskultur zu fördern und die digitale Transformation im Unternehmen voranzutreiben.

Und sich am Ende gar selbst neue Geschäftsmodelle mit KI erschließen, wie es der Maschinenbauer Trumpf vorgemacht hat. Das Familienunternehmen aus Ditzingen bei Stuttgart wurde 1923 gegründet und zählt heute über 16.000 Mitarbeiter und mehr als 70 Standorte weltweit. Dort haben Spezialisten das Startup Q.ant ausgegründet, das sich mit der Entwicklung der Quantentechnologie beschäftigt und Chips mit einer bisher unbekannten Rechenleistung entwickeln will. Das ist aufwendiger und teurer, als auf bereits entwickelte Lösungen zurückzugreifen. Zum anderen ist damit aber gesichert, dass neue Erkenntnisse dieser revolutionären Technologie früh in die Produkte bei Trumpf implementiert werden können. Auf diese wartet dann ein europäischer Binnenmarkt mit über 500 Millionen Verbrauchern – ein enormes Potenzial.

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