Die Zukunft des Dienstwagens

Er ist nach wie vor der Garant für Mobilität in den Unternehmen und Anreiz für Mitarbeiter: der Dienstwagen. Er ist Imageträger und erleichtert Akquise und Kundenbetreuung.
Illustration: Ivonne Schulze
Kai Kolwitz Redaktion

Doch der Druck in den Unternehmen und bei den Dienstreisenden, ihre Mobilität zu überdenken, wird immer größer. Die Flotte steht ebenso infrage.Welche Lösung ist zukunftssicher und entspricht einem modernen Unternehmensimage?

 

Ein ganz normaler Morgen in der deutschen Haupstadt. Der Mühlendamm in Berlin-Mitte ist gesperrt, irgendeine internationale Konferenz. Damit fällt eine der wichtigsten Ost-West-Verbindungen der Stadt schon mal weg. Außerdem gehen der Stadt wegen Bauschäden so langsam aber sicher die befahrbaren Brücken über die Spree aus. Demnächst soll die wichtigste Brücke der Stadtautobahn erneuert werden und Berlins zentrales Autobahndreieck wird umgebaut.  Wenn es gerade schlecht läuft, okkupiert außerdem eine große Feier den Großen Stern um die Siegessäule, also den größten Kreisverkehr der Stadt, ein Staatsbesuch steht an oder es ist einfach Winter.


Unter diesen Umständen vorherzusagen, wann man per Auto wo welchen Termin wahrnehmen kann, wird zum reinen Glücksspiel. Zumal das Chaos dazu neigt, sich nicht planbar vorher anzukündigen. Was für Handwerker mit Terminabsprachen oder Berufspendler aus Brandenburg ohne Alternativen zur tagtäglichen Qual wird, stellt auch diejenigen vor Herausforderungen, deren Job es ist, die anderen in ihrem Unternehmen mobil zu halten. Denn die Formel „Dienstwagen gleich Problemlösung plus dankbarer Mitarbeiter“ funktioniert in den großen Städten nicht mehr. Wer bei sich vor der Haustür im Innenstadtviertel keinen Parkplatz findet, für den wird der eigene Wagen schnell zum Klotz am Bein. Als Statussympol taugt das neueste iPhone für viele sowieso schon längst mehr als der BMW-Schlüssel. Das macht den Fuhrparkmanager alter Schule zwangsweise zum Mobilitätsmanager.


Denn da, wo es geht, sind viele schon seit Jahren multimodal unterwegs: Fahrrad oder E-Bike für den Sommer, Carsharing für den Ausflug oder den großen Einkauf, mehr oder weniger widerwillig der Öffentliche Nahverkehr, wenn es nicht anders geht, ein E-Roller, wenn einen der Spott der anderen nicht stört oder das Sammeltaxi, wenn es in der Bar mal spät geworden ist. Bei den meisten steckt in diesem Mix nicht in erster Linie Geltungsdrang oder ökologisches Bewusstsein. Es ist in der vollen Stadt einfach am praktischsten und am günstigsten. Jedenfalls – wer seinen Mitarbeitern in so einem Umfeld Incentives anbieten will, der sollte eher über Rahmenverträge bei Sharing-Anbietern, Dienst-E-Bikes (doch, Anbieter für so etwas gibt es) oder kostenlose Tickets für Bus und Bahn nachdenken. Oder eben über das neueste iPhone.


Mag sich in dünner besiedelten Regionen mit ihren weiten Wegen und freien Straßen in den letzten Jahrzehnten in Sachen Mobilität auch wenig geändert haben – den Herstellern sind die neuen Herausforderungen in den Städten durchaus bewusst. So sind BMW und Mercedes gerade dabei, ihre Aktivitäten in Sachen Carsharing zu fusionieren, um gemeinsam auf eine gesunde Größe und Kostenstruktur zu kommen. VW stellt eine komplett elektrische Sharing-Flotte daneben, sowohl Mercedes als auch VW experimentieren mit Sammeltaxis, die perspektivisch auch irgendwann elektrisch unterwegs sein sollen. Und ebenfalls BMW und Mercedes gemeinsam optimieren Stück für Stück die firmenübergreifende „Reach Now“-App, über die sich immer mehr Verkehrsmittel recherchieren, buchen und miteinander vernetzen lassen.


Was aber ist mit den Strecken, die zwingend mit dem Auto erledigt werden müssen? Deswegen, weil schwere Ladung an Bord ist oder weil Tag für Tag lange Wege zu Kunden gefahren werden müssen, die ihren Standort leider nicht direkt neben dem Bahnhof haben? Hier ändert sich das Bild gravierend, die Lage scheint deutlich weniger futuristisch geprägt zu sein als bei der innerstädtischen Mobilität.


Laut DAT-Dieselbarometer vom September sind auch im Jahr 2019 noch 86 Prozent aller deutschen Dienstwagen Selbstzünder. 88 Prozent aller Fuhrparkleiter gaben an, dass sie in näherer Zukunft auch nicht vorhaben, diese Zahl zu reduzieren. Betrachtet man den Anteil, den Firmenwagen bei den Erstzulassungen der deutschen Premiummarken hierzulande haben, spricht wenig dafür, dass der Diesel wirklich so bald tot sein wird, wie es einige prognostizieren. Noch ist die Kostenbilanz der Selbstzünder einfach unschlagbar, gerade dann, wenn es um viele Kilometer, lange Strecken und manchmal auch höhere Geschwindigkeiten geht.


Trotzdem: Über den Tellerrand blicken ist erlaubt. Über die Jahre hat sich Tesla auch unter gewerblichen Nutzern eine zwar kleine, aber durchaus sichtbare Fangemeinde erarbeitet. Man darf gespannt sein, wie die deutschen Angebote à la Porsche Taycan oder Mercedes EQC  sich auf diesem Markt schlagen. Denn zwar ist der Tesla derzeit eher der Wagen vom Chef, also des Inhabers, dem es egal ist, was die Policy für Anforderungen an Geschäftswagen stellt. Aber trotzdem: In der DAT-Umfrage haben im September 2019 ganze 59 Prozent aller Fuhrparkleiter angegeben, dass der Anteil der Fahrzeuge mit alternativen Antrieben in ihrer Flotte mittelfristig steigen soll – ein Jahr zuvor waren es noch zehn Prozent weniger. Die Verantwortlichen treibt dabei nach eigenen Angaben die Sorge um den CO2-Ausstoß der Flotte genauso um wie die darum, dass der Gesetzgeber der bisherigen Vorgehensweise eben doch irgendwann den Riegel vorschieben könnte.


Wer einen Beleg dafür will, dass sich die Sache heute schon lohnen kann, der sollte einen Blick an einen Taxistand seiner Wahl werfen. In vielen Städten ist Toyota hier mit seinen Hybridfahrzeugen zum ernsten Konkurrenten für Platzhirsch Mercedes geworden, auch Uber-Fahrzeuge sind sehr oft Hybride – und das in einer Branche, in der die Kilometerkosten mit weitem Abstand das wichtigste Argument sind. Reine Elektro-Autos sind dagegen immer noch an die passende Nutzung gebunden – kalkulierbare Kilometer und sichere Lademöglichkeiten müssen einfach sein. Vor der Technik muss allerdings niemand Angst haben, die hat sich bei den meisten Anbietern als zuverlässig erwiesen: Das Thema Fahrverbote hätte sich mit dieser Technologie auch langfristig erledigt. Und gutes Image gibt’s oben drauf,  gerade dann, wenn der Wagen als Poolfahrzeug mit leuchtender Firmenbeklebung lautlos durch die City rollt.


Und dann wären da noch die Nutzungen, die von vielen zwar belächelt werden, die aber zumindest spannende Impulse zum Weiterdenken geben könnten: In Berlin erproben derzeit fünf Paketdienste, darunter Platzhirsche wie DHL, DPD oder Hermes die Zustellung von Lieferungen per Lasten-E-Bike. Dem Argument, dass mit denen ja kaum was wegzuschaffen sei, begegnen die Unternehmen mit der Erwiderung, dass inzwischen dermaßen viele Pakete geliefert werden, dass ein Zusteller sowieso nur noch ein recht begrenztes Revier abfahre – noch kleiner dann, wenn man die Zustellung verschiedener Anbieter bündeln würde. Also gibt es irgendwo ein per LKW beliefertes Depot im Kiez, zu dem der Mitarbeiter einige Male pro Tag zurückkehrt. Der Vorteil ist, dass nicht ständig eine Flotte von Transportern als Zweite-Reihe-Parker die engen Innenstadtstraßen blockiert, als auf die Straße verlegte Packstation.


Wie die Sache ausgehen wird, ist noch nicht klar, eins lässt sich aber schon erkennen. In Prenzlauer Berg etwa hat die Sache dazu geführt, dass der Bote, der mit dem E-Bike kommt, dort einen ähnlichen Bekanntheitsgrad hat wie Postbote „Onkel Heini“ damals in „Neues aus Uhlenbusch“ – für das Unternehmen mindestens ein Riesen-Image-Gewinn.


Übrigens hat auch ausgerechnet der ADAC einige Lasten-E-Bikes im Test, weil die schneller durch den Stau kommen als Gelbe Engel im Auto. Nur die Berliner Verkehrsbetriebe BVG haben – trotz Elektro- Autos und -Bussen in der Flotte – noch einmal kräftig in Diesel investiert. Mit einer Flotte eigener Abschleppwagen darf sie demnächst Falschparker in Eigenregie von den Busspuren entfernen.

 

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