Eine Frage des Antriebs

Neue Chancen für eine dekarbonisierte Logistik bieten Wasserstoff-Lkw.   

Illustration: Mark Magnaye
Illustration: Mark Magnaye
Axel Novak Redaktion

In München fand im Mai die Fachmesse „transport logistic“ statt. Der Stoff, der hier Geschichte schreiben will, ist Wasserstoff. Lkw mit solch einem Antrieb gelten als besonders nachhaltig, weil der Motor bei der Verbrennung nur Wasserdampf und Stickoxid emittiert. Wenn die Energie, die den Wasserstoff erzeugt, aus erneuerbaren Energien wie Sonne, Wind oder Biogas stammt, dann ist das Fahrzeug im Betrieb klimaneutral. Ein klassischer Diesel-Schwerlasttransporter emittiert im Durchschnitt jährlich rund 65 Tonnen CO2.

Kay Simon von MEWA Textil-Service setzt seit Jahren in der Schweiz mit Wasserstoff betriebene Lkw ein, seit vergangenem Jahr auch in Deutschland. Simon ist für das  Mobilitätskonzept verantwortlich. Die Wagen müssen bei Mietwäsche viel und zuverlässig unterwegs sein. „Die Fahrzeuge funktionieren wie ein Schweizer Uhrwerk“, stellt Simon bei einer Diskussionsveranstaltung zufrieden fest. „Die Fahrer sind sehr zufrieden mit den Lastwagen. Sie sind modern, nachhaltig und gesund, weil sie leise und emissionsfrei sind.“

Gerade für Mittelständler sind Brennstoffzellen-Lkw die bessere Lösung als batterielektrische Fahrzeuge, findet Prof. Dr. Ralf Wörner, Leiter Institut für nachhaltige Energietechnik und Mobilität (INEM) Hochschule Esslingen. Während e-Lkw hohe Investitionen in eigene Ladekonzepte am Standort erfordern, sind Wasserstoff-Lkw von einer Infrastruktur abhängig, die eher als Auftrag an die öffentliche Hand zu verstehen ist. Gerade kleinen und mittleren Unternehmen bietet sich also mit der Brennstoffzelle die Chance, rasch und öffentlich wirksam nachhaltig zu werden. Allerdings sind Wasserstoff-Lkw nicht für jedermann geeignet, denn ihre Wirtschaftlichkeit hängt von der öffentlichen Förderung ab. „Was wir brauchen, ist ein stärkerer Zugriff auf Fördermittel, weil wir uns erst am Anfang eine Technologie befinden“, sagt Wörner.

Und es gibt weitere Hindernisse: Nicht voll ausgereifte Technik setzt ein Transportkonzept voraus, das mit dem Kunden abgesprochen wurde. Auch nehmen die Tanks für den Wasserstoff beim Lkw zusätzlichen Platz in Anspruch, wodurch weniger Waren transportiert werden könnten. Außerdem ist der Wirkungsgrad der Wasserstoff-Lkw eher suboptimal. Viel Energie muss aufgebracht werden, um über Elektrolyse Wasserstoff zu gewinnen, der Wirkungsgrad liegt im Durchschnitt bei 25 bis 35 Prozent der ursprünglich aufgewendeten Energie. Und schließlich sind die Fahrzeuge teuer: Zwischen 200.000 und 600.000 Euro kostet ein Wasserstoff-Lkw, der klassische Diesel dagegen ab 100.000 Euro. Das ist für Mittelständler nicht mal eben so zu stemmen.

Das nordfriesische Energie-Unternehmen GP Joule ist in die Bresche gesprungen und hat einfach beim Hamburgischen Lkw-Hersteller Clean Logistics 5.000 Wasserstoff-Lkw gekauft, die noch gar nicht produziert worden sind. In den kommenden fünf Jahren will Clean Logistics die 40-Tonner mit Brennstoffzellen, Lithium-Ionen-Akku und elektrischer Achse mit Radnabenantrieb ausliefern. GP Joule wiederum will die 5.000 Lkw nicht selber fahren lassen, sondern an seine Kunden aus Logistik und Handel weiterreichen und zugleich das notwendige Netz an Wasserstoff-Tankstellen ausbauen und betreiben. „Das Wichtigste ist“, sagt ein Akteur auf der „transport logistic“, „dass wir jetzt anfangen, die Technik auszuprobieren.“
 

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