»Wir brauchen eine Mobilitätsgarantie«

Kerstin Haarmann (55) ist Bundesvorsitzende des ökologisch orientierten Verkehrsclubs Deutschland (VCD). Im Interview erklärt sie, warum der Umstieg vom Verbrenner zum E-Auto noch keine Verkehrswende bedeutet.

Kerstin Haarmann ist Bundesvorsitzende des Verkehrsclubs Deutschland (VCD). Zuvor war sie VCD-Geschäftsführerin.
Kerstin Haarmann ist Bundesvorsitzende des Verkehrsclubs Deutschland (VCD). Zuvor war sie VCD-Geschäftsführerin.
Interview: Steve Przybilla Redaktion

Welchen Beitrag kann die E-Mobilität zur Verkehrswende leisten?
Sie ist wichtig für die Umstellung von klimaschädlichen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor auf klimafreundlichen Auto- und Güterverkehr. Mindestens genauso wichtig für die Erreichung unserer Klimaziele ist jedoch die Verlagerung von Personen- und Güterverkehr auf die Bahn, insbesondere im Fernverkehr.

Wenn alle Verbrenner durch E-Autos ersetzt werden, ist das aber noch keine Verkehrswende, oder?
Nein. Verkehrswende ist, wenn man überall ohne eigenes Auto gut mobil sein kann. Denn viele Menschen können nicht Auto fahren oder können es sich nicht leisten. Wir brauchen eine Mobilitätsgarantie, die dafür sorgt, dass man von früh bis spät seine Ziele erreicht. Mobilstationen mit Carsharing und Leihrädern sowie ein gut ausgebautes Rad- und Fußwegenetz gehören auch dazu.

Manche Städte belohnen E-Auto-Fahrende, indem sie ihnen Parkgebühren erlassen. Was halten Sie davon?
Das ist oft gut gemeint in der Hoffnung, so die Abgas- und Lärmbelastung zu reduzieren. Es klappt aber nur, wenn weniger Menschen mit dem Auto in die Stadt fahren und mehr mit dem ÖPNV oder dem Fahrrad. Dazu brauchen wir mehr Busspuren und mehr Radwege, auch auf Kosten der Parkplätze.  

Viele Menschen, die zur Miete ohne eigene Wallbox wohnen, hadern mit dem Umstieg. Was raten Sie?
In der Stadt: Prüfen, ob E-Auto-Carsharing eine Alternative ist; Privatparkplätze sind dort ohnehin knapp. Tagsüber laden ist sinnvoller wegen des dann höheren Solarstromanteils im Netz. Deswegen: Arbeitgeber fragen nach Lademöglichkeiten auf dem Firmenparkplatz. Ansonsten in die Apps schauen nach öffentlichen Ladepunkten – und auch mit der Vermieterin oder dem Vermieter reden.

 

E-Autos und Verbrenner im Kostenvergleich

E-Autos sind in der Anschaffung zwar immer noch teurer als Verbrenner. Rechnet man auf die Lebensdauer aber alle Kosten zusammen, schneiden sie meist besser ab. Zu diesem Ergebnis kommt der ADAC in einem Vergleich beider Antriebsarten. E-Autos sind ab Kauf zehn Jahre von der Kfz-Steuer befreit; Strom ist günstiger als Benzin, in der Werkstatt muss weniger getauscht werden (z.B. kein Ölwechsel). Versicherungen für Stromer können bis zu 34 Prozent günstiger sein, wie das Vergleichsportal Verivox herausgefunden hat. Zudem können E-Auto-Besitzer am Emissionshandel teilnehmen und sich jährlich bis zu 400 Euro für ihr eingespartes CO2 auszahlen lassen („THG-Quote“). Darüber hinaus werden E-Autos beim Kauf subventioniert. Die Höhe hängt vom Autopreis ab – für Modelle mit einem Nettolistenpreis von max. 40.000 Euro gibt es 9.000 Euro; bei teureren Autos weniger. Vorsicht: Der volle Umweltbonus gilt nur, wenn das Auto bis zum 31.12.2022 zugelassen wird. Daher unbedingt die Lieferzeiten checken!

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