Wege zum nachhaltigen Transport

Wie kann der nachhaltige Güterverkehr der Zukunft aussehen? Neue Antriebe und neue Fahrzeugkonzepte werden Transporte klimafreundlicher gestalten.
Illustration: Jasmin Mietaschk
Illustration: Jasmin Mietaschk
Axel Novak Redaktion


Gütertransport im Jahr 2040: Wer mobil ist, fährt elektrisch. E-Laster schwirren durch die Städte und durchs Umland. Hochmoderne Züge verbinden die Metropolen und die Länder mit Highspeed. Fracht saust diskret im Tunnel zwischen Kunde und Versender hin und her. Automatisierte Drohnen bringen Waren zum Ziel. Staus und Unfälle sind passé – in dicht geknüpften Mobilitätsnetzwerken ist die Vision von der sicheren und nachhaltigen Mobilität Wirklichkeit.
 

Nachhaltige Schiene

 

Die schöne neue Welt planen unter anderem Forscher und Unternehmer im RailCampus Ostwestfalen-Lippe in Minden. Mitten im Herzen Westfalens geht es darum, Auto und Bahn sinnvoll zusammenzuführen. Drei Hochschulen haben sich dafür mit Industriezulieferern und Bahnunternehmen zusammengeschlossen. Hier wird an der Weiterentwicklung des Systems Bahn getüftelt, am automatischen Be- und Entladen oder dem Echtzeit-Tracking in vernetzten Transportlogistiksystemen. Auch digitale Zwillinge für die Fahrzeugentwicklung oder das Lifecycle-Management mit prädikativer Instandhaltung sind Themen. Und schließlich geht es um autonome Bahnsysteme mit automatischem Fahren und Kuppeln.

Denn ohne die Schiene ist ein nachhaltiger Güterverkehr kaum denkbar. Allerdings müssen die Abläufe digitalisiert werden, um schnell und zuverlässig zu funktionieren. „Deutschland muss wieder Bahnland werden“, sagte der heutige NRW-Ministerpräsident Henrik Wüst 2019, als der RailCampus OWL ins Leben gerufen wurde. „Dazu müssen wir die Chancen der Digitalisierung nutzen und intelligente Innovationen auf die Schiene bringen. Denn die Zukunft der Mobilität ist digital, vernetzt und automatisiert.“ Was sich einfach anhört, ist die hochkomplexe Weiterentwicklung eines Systems mit jahrhundertealten Wurzeln. Das zeigt das Beispiel der digitalen Kupplung, also der mechanischen, elektrischen und pneumatischen Verbindung von Waggons: Heute werden Züge wie in den Geburtsjahren der Eisenbahn gekuppelt. Die schweren Eisenbügel der Waggons müssen auf den Haken des nächsten Waggons gelegt und anschließend durch ein Schraubgewinde gespannt werden. Das ist zeitverschlingende Schwerstarbeit, die auf Deutschlands Güterbahnhöfen tausende Male am Tag durchgeführt wird. Anders bei der digitalen Kupplung: Dabei werden die Wagen aneinandergeschoben, und die Kupplungen verbinden sich automatisch. Dieses digitale Verfahren beschleunigt die Zugbildung, schont Personalressourcen und macht die Eisenbahn günstiger. Der große Nachteil: Die Technik muss bei vielen tausend Güterwaggons und am Güterbahnhof nachgerüstet werden.

 

Illustration: Jasmin Mietaschk
Illustration: Jasmin Mietaschk

Bio- und e-Fuels für Lkw

 

Der Vorteil der Bahn: Die Züge sind schon überwiegend mit elektrischem Antrieb unterwegs, während die Autoflotte erst noch elektrifiziert werden muss. Schon in wenigen Jahren sollen alle Neufahrzeuge über einen elektrischen Antrieb verfügen. Allerdings ist es kaum möglich, die weltweite Flotte von mehr als 1,4 Milliarden Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren binnen weniger Jahre zu elektrifizieren. Vor allem Fahrzeuge, die Treibstoffe mit hoher Energiedichte benötigen, sind derzeit elektrisch nur schwer realisierbar.
Fast 19 Billionen Liter Diesel wurden 2020 in Deutschland im Güterverkehr verbraucht, hält das Umweltbundesamt fest. In Zukunft wird es darauf ankommen, den Treibstoff CO2-arm oder gar-frei zu produzieren. So genannte e-Fuels oder Biokraftstoffe aus Pflanzen werden dann zum Einsatz kommen.

Der Vorteil: Pflanzlicher Treibstoff gibt so viel CO2 in die Atmosphäre ab, wie die Pflanze im Laufe des Wachstums aufgenommen hat. Die Bilanz ist also klimaneutral. Schon heute werden pflanzliche Kraftstoffe wie Bioethanol Benzin oder Diesel beigemischt. Sogar Flugzeuge können mit einem Gemisch aus Kerosin und alternativen Treibstoffen fliegen. Technisch machbar ist auch, CO2 abzuscheiden und mit Wasser in chemischen Verfahren zu Treibstoff aufzubereiten. Anders als Bioethanol werden diese so genannten e-Fuels (englisch electrofuel, Elektro-Kraftstoff) mithilfe von Strom hergestellt.

Dabei wird Strom – im Idealfall aus Windkraft oder Photovoltaikanlagen – genutzt, um per Elektrolyse Wasser aufzuspalten. Der so entstandende Wasserstoff kann pur oder zu Treibstoff veredelt werden. In einer Brennstoffzelle erzeugt er Strom für einen Elektromotor. Als flüssiges e-Fuel kommt er im klassischen Verbrennungsmotor zum Einsatz.

In aller Welt werden derzeit Verfahren getestet, um solche Treibstoffe industriell zu erproben. Mineralölkonzerne nutzen Bio- und e-Fuels, um die eigenen CO2-Emissionen zu verringern. Die ExxonMobil-Tochter Imperial Oil Ltd. beispielsweise will im kanadischen Edmonton erneuerbaren Diesel herstellen. Etwa 20.000 Barrel Dieselkraftstoff für Kanadas Trucks und Dieselloks sollen pro Tag aus lokalen pflanzlichen Rohstoffen und Wasserstoff produziert werden, rund 500.000 Tonnen überschüssiges CO2 werden abgeschieden und gespeichert. Damit will ExxonMobil die CO2 Emissionen in Kanada um etwa drei Millionen Tonnen pro Jahr reduzieren.
 

Teure Brennstoffzelle

 

Noch führen all diese Verfahren zu Energiekosten, die das doppelte bis dreifache des aktuellen Kraftstoffpreises betragen. Nicht nur die hohen Stromkosten sind dafür verantwortlich, sondern auch eine mangelnde Infrastruktur, fehlende gesetzliche Regelungen und die verfahrenstechnische Zuverlässigkeit im industriellen Maßstab.

„Die Kosten für die Bereitstellung strombasierter Energieträger wie Wasserstoff sowie von gasförmigen und flüssigen Kohlenwasserstoffen liegen jedoch sowohl heute als auch langfristig deutlich über den Kosten für vergleichbare fossile Energieträger“, heißt es in einer Prognos-Studie für das Bundeswirtschaftsministerium vom Mai 2020. „Zudem gilt für alle strombasierten Energieträger, dass die Gesamtproduktionskette bisher nicht großtechnisch realisiert wurde.“ Auch ist der Umstieg auf Brennstoffzellen im Lastverkehr der volkswirtschaftlich teuerste Weg in die Verkehrswende, wie das Umweltbundesamt anmerkt. Diese setzte allerdings zuvor die Umrüstung der Lkw-Flotte mit E-Motoren voraus, während Bio- und e-Fuels in klassischen Dieselmotoren eingesetzt werden können.

Hinzu kommt: Deutschland wird auf Importe von Wasserstoff und anderen e-Fuels angewiesen sein. Denn der Bedarf der Bundesrepublik ist höher als die Energiemenge, die Deutschland selbst produzieren kann. Die Nationale Wasserstoffstrategie beispielsweise setzt auf Zulieferungen aus dem Ausland. Allein in Westafrika ließen sich laut Bundesregierung  jährlich bis zu 165.000 Terawattstunden (TWh) Wasserstoff herstellen. Der gesamte Strombedarf Deutschlands liegt bei rund 520 TWh im Jahr, wird künftig allerdings massiv steigen, wenn die E-Mobilität in Schwung kommt und vor allem schwere Lastwagen, Schiffe und Bahnen elektrifiziert fahren.
 

Starke technische Visionen

 

Technische Fortschritte werden immer wieder als Teil der Visionen angeführt, wie Güter künftig transportiert werden können. Zum Beispiel der Hyperloop, die Eisenbahn im Turbo-Modus: In einer Art überdimensionaler Rohrpost sollen Menschen und Container über hunderte Kilometer mit Flugzeugtempo transportiert werden können. An vielen Orten der Erde entstehen Probestrecken – der technologische Sprung durch einen Hyperloop ist für viele Staaten verführerisch. Auch der Hamburger Hafen testet schon einen so genannten HyperPort im Seehafen-Hinterlandverkehr.

Noch visionärer ist die Luftfracht. Elektrische Antriebe könnten sich bei regionalen Jets durchsetzen. DHL Express beispielsweise hat gerade zwölf Elektroflugzeuge für ein elektrisches und emissionsfreies Luftfracht-Kurzstreckennetz bestellt. Hybridflugzeuge, die elektrische und klassische Antriebe miteinander vereinen, könnten auch auf größerer Entfernung erfolgreich sein. Autonom unterwegs sind hybride Flugzeuge mit gänzlich neu entwickelten Formen wohl Teil der Zukunft.

Das kalifornische Start-up Natilus hat kürzlich erst eine fernsteuerbare Frachtdrohne entwickelt, um 3,8 Tonnen Fracht eine Reichweite von knapp 1700 km zu transportieren. Das besondere an der Drohne aus leichter Kohlefaser ist ihre Form: Die Flügel gehen übergangslos in den Rumpf über, was 60 Prozent mehr Frachtvolumen ermöglichen soll. Geplant sind weitere, größere Drohnen für bis zu 60 Tonnen Fracht und mit Spannweiten, die über den 60 Metern einer Boeing 777 liegen.
 

Mehr Mobilität und mehr Logistik

 

Schon längst ist klar, dass ein automatisierter Verkehr auf der Grundlage von Daten, die zwischen den verschiedenen Verkehrsteilnehmern in Echtzeit ausgetauscht werden, intelligenter und umweltfreundlicher ist. Noch dazu helfen Vernetzung und Automatisierung, dem Mangel an Fachkräften entgegenzuwirken. Doch je länger die Unternehmen warten, um die ganze Firma zu digitalisieren, desto drängender wird die Aufgabe.  

Die Corona-Pandemie hat die Dringlichkeit der Digitalisierung noch einmal ins Bewusstsein gerufen. In Umfragen der Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Supply Chain Services zeigt sich, dass die großen Logistikdienstleister seit Jahren konstant um die zwei Prozent ihres Umsatzes in die Digitalisierung investieren. Daran hat auch die Pandemie nichts geändert.

Doch für die kleinen und oft mittelständisch geprägten Transporteure wird auch das zu viel sein. Denn im Jahre zwei der Pandemie fehlt ihnen nicht nur das Geld für moderne Fahrzeuge, geschweige denn für eine umfassende Digitalisierung. Nun brechen mit dem Ukraine-Krieg auch noch die Fahrer weg, die zuletzt sieben Prozent der in Deutschland eingesetzten Lkw gesteuert haben. Die rasant gestiegenen Dieselpreise tun ihr Übriges, um auch die letzten Reserven aufzubrauchen. Für die Nachhaltigkeit des Verkehrs sind das keine gute Aussichten.

 

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