Lithium aus Deutschland

Elektroautos boomen, doch die enorme Rohstoffnachfrage sorgt für Konflikte und Umweltprobleme. Eine mögliche Alternative: heimisches Lithium, extrahiert aus Geothermie-Anlagen.
Illustration: Wyn Tiedmers
Illustration: Wyn Tiedmers
Steve Przybilla Redaktion

 

Elektroautos werden dank staatlicher Förderprämien und besserer Batterien immer beliebter. 194.000 reine E-Autos wurden 2020 zugelassen, eine Verdreifachung im Vergleich zum Vorjahr. Doch der Boom geht auch mit einem gigantischen Rohstoffverbraucheinher. So schätzt das in Freiburg ansässige Öko-Institut, dass im Jahr 2030 weltweit etwa 240.000 Tonnen Lithium allein für E-Autos benötigt werden. In Bolivien, Chile und Argentinien, wo 70 Prozent der weltweiten Vorkommen lagern, läuft der Abbau nicht ohne Konflikte ab. Vor allem indigene Völker leiden zunehmend unter Landraub, Luft- und Wasserverschmutzung.

 

Wie sich diese Probleme beseitigen oder zumindest lindern lassen, darüber gibt es in der Fachwelt viele Diskussionen. Ein Team der amerikanischen Stanford University arbeitet etwa daran, das Element aus dem Meer herauszufiltern. Im salzigen Meerwasser ist die Lithium-Konzentration allerdings verschwindend gering. Einen anderen Weg gehen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern deshalb am Karlsruhe Institut für Technologie (KIT). Gleich zwei Forschungsprojekte widmen sich dort der Frage, wie das Alkalimetall auch in Deutschland abgebaut werden könnte. Die Idee: Das Lithium soll aus Wässern herausgefiltert werden, die in bestehenden Geothermie-Kraftwerken ohnehin zirkulieren.

 

150 bis 200 Milligramm Lithium pro Liter befinden sich in dem salzigen Wasser, das aus Tiefen von zwei bis drei Kilometern gepumpt wird – etwa eintausendmal mehr als in Meerwasser. Jens Grimmer und Florencia Saravia vom Institut für Geowissenschaften am KIT haben ein Verfahren entwickelt, um das pulverförmige Metall aus dem Thermalwasser zu fischen. Dazu wird eine Extraktionsanlage in die bestehenden Rohre einer Geothermieanlage eingebaut. 300 und 400 Tonnen Lithium sollen sich mit dem sogenannten „Grimmer-Saravia-Verfahren“ pro Jahr und Standort fördern lassen. Unter Laborbedingungen und im kleinen Maßstab funktioniere das bereits gut, so Grimmer. Jetzt gehe es darum, die Methode in der Praxis zu erproben – der Aufbau einer Testanlage laufe bereits.

 

An einer ganz ähnlichen Methode arbeitet Jochen Kolb, Professor für Geochemie und Lagerstättenkunde am KIT. Er möchte die Lithium-Ionen mithilfe von Manganoxid aus dem Wasser filtern. Das heiße Wasser, das aus einer Tiefe zwischen 3000 und 5000 Metern hochgepumpt wird, soll in einem Wärmetauscher zunächst auf rund 60 Grad abkühlen. Kolb geht davon aus, dass sich mit seinem Verfahren pro Jahr genug Lithium für etwa 20.000 Batterien fördern lässt.

 

Wann der kostbare Rohstoff letztendlich zu Tage gebracht wird, vermag aktuell noch keine der beiden Forschungsgruppen zu sagen. Die Beteiligten gehen von mehreren Jahren aus. Zumal sich schon jetzt abzeichnet, dass es Hürden gibt. „In den Wässern, die wir hochpumpen, ist das halbe Periodensystem drin“, sagt Jens Grimmer, „darunter auch Stoffe wie Uran oder Radium, die man nicht so gerne an der Oberfläche haben möchte.“ Schon deshalb müsse man besonnen vorgehen und nichts überstürzen.

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