Entscheidung in Millisekunden

Es geht nicht so schnell wie erhofft, doch die Technologie des autonomen Fahrens macht Fortschritte.
Illustration: Johannes Fuchs
Andrea Hessler Redaktion

Aston Martin, Ford Mustang oder Lotus – James Bond fährt immer Wagen, die der Tüftler Q mit Messern in den Rädern, Torpedos oder diversen anderen Gimmicks ausgestattet hat. Doch letztlich ist Agent 007 Gehirn und Star des Plots. In der US-Serie Knight Rider, die in den 1980er-Jahren auch im deutschen Fernsehen lief, war dagegen K.I.T.T, ein getunter schwarzer Pontiac Firebird, der Star. Das intelligente Auto konnte eigenständig mit seinem Fahrer Michael Knight – gespielt von David Hasselhoff – kommunizieren, Verfolger abschütteln, die Umgebung überwachen und Geräusche nachahmen.


K.I.T.T. ist längst Fernseh-Geschichte. Heute forschen ganz real alle großen Autokonzerne weltweit an selbstfahrenden, mit Künstlicher Intelligenz ausgestatteten Fahrzeugen. Die Nase vorn haben US-Unternehmen. Tesla, auch schon bei der Elektromobilität ein Pionier, wirbt auf seiner Website mit der Aussage, dass jedes Modell bereits heute so ausgestattet sei, „um vollkommenes autonomes Fahren in der Zukunft zu ermöglichen“. Doch Tesla und allen anderen Autoproduzenten droht Konkurrenz von der immens kapitalkräftigen und innovativen IT-Branche. Ganz weit vorne ist zum Beispiel die Alphabet-Tochter Waymo, deren selbstfahrende Taxis bereits für den Uber-Konkurrenten Lyft im Einsatz sind.


Allerdings ist deren Aktionsradius auf festgelegte Strecken begrenzt und die Fahrzeuge können noch nicht auf unerwartete Ereignisse reagieren. Daher muss in den Taxen von Lyft noch ein menschlicher Sicherheitschauffeur sitzen, der bei Versagen der Technik eingreifen kann. Diese zu optimieren ist aufwendig. Der Taxi-Konkurrent Uber wollte sich die Entwicklungsarbeit einfach machen; er wurde angeblich dabei erwischt, Software von Waymo zu verwenden. Inzwischen gab es wohl einen Vergleich. Doch weitere Streitfälle diverser Anbieter dürften folgen. Der  Markt ist riesig und verspricht laut Börsenexperten in den kommenden Jahrzehnten Gewinne in Höhe von Billionen US-Dollar. Auch für die Nutzer und die gesamte Gesellschaft liegen die Vorteile auf der Hand. „Der autonome Verkehr ermöglicht ein völlig neues Verkehrssystem“, ist Professor Dr. Gunter Dueck sicher.


„Alle Autos, die Teil von ihm sind, bewegen sich und stehen nicht 97 Prozent der Zeit auf Parkplätzen herum. Sie sind zu einem Transportnetz verbunden und können in Anspruch genommen werden, sobald es nötig ist. Und sie verbrauchen weniger Ressourcen“, so der Mathematiker. „Es gibt kaum Unfälle und man gewinnt jede Menge Platz in den Innenstädten, weil man Parkplätze und Garagen an die Peripherie auslagern kann.“ Einen besonderen Vorteil sieht er für ältere Menschen. „Mit einem autonomen Verkehrssystem müssen sie keine Angst mehr vor dem Verlust ihrer Mobilität und an Lebensqualität haben“, so Dueck.


Doch bis es so weit ist, wird es noch eine Weile dauern. Die aktuell auf US-Straßen selbstfahrenden Autos verfügen noch längst nicht über echte Entscheidungsfreiheit wie Fahrer aus Fleisch und Blut. „Die vor Jahren getroffene Prognose, dass wir schon 2020 über Fahrzeuge mit Level-3-Niveau verfügen werden, war viel zu optimistisch“, relativiert Richard Goebelt, Leiter des Geschäftsbereiches Fahrzeug und Mobilität beim Verband der TÜV e. V., die herrschende Euphorie.


„Level 4 entsprechend der SAE-Klassifizierung, bei dem das Fahrzeug über ein hochautomatisiertes Fahrsystem verfügt und der Fahrer zwar anwesend sein muss, sich jedoch nebenbei mit anderen Dingen beschäftigen kann, werden wir voraussichtlich erst in zehn bis 15 Jahren erreichen“, prognostiziert Goebelt. „Vor uns liegt nicht nur viel technische Entwicklungsarbeit, zum Beispiel im Hinblick auf den automatischen Spurwechsel und die Nothaltung in Gefahrensituationen, sondern auch viel regulative Arbeit. So muss zum Beispiel die Funktionalität eines Spurhaltesystems so ausgelegt sein, dass diese für die periodische Fahrzeugüberwachung und die Marktüberwachung transparent und überprüfbar wird.“


Vom reinen Fortbewegungsmittel zum vollwertigen High-End-User-Device – das ist die große Aufgabe, mit der sich Autokonzerne, Mobilitätsanbieter und Digitalchampions beim Fahren der Zukunft beschäftigen. Eine der zentralen Herausforderungen ist der Datenverkehr im Hintergrund. Das Fahrzeug muss so mit der Außenwelt verbunden sein, dass es in Millisekunden entscheiden kann, was für die Sicherheit der Passagiere und anderer Verkehrsteilnehmer am wichtigsten ist. Notwendig hierfür sind ultraschnelle Übertragungswege für Daten. Eine der neueren Technologien ist Software-Defined WAN (SD-WAN).


„SD-WAN ist derzeit die flexibelste Technologie am Markt, die den jeweils schnellsten Übertragungsweg für Daten ermitteln und zugleich einzelne Datensätze priorisieren kann“, sagt Michael Hartmann, Senior Vice President DACH & CEE des globalen Netzwerk- und Cloudanbieters GTT. „Gerade letzteres ist beim autonomen Fahren besonders wichtig, denn beispielsweise Informationen über das Fahrzeug selbst sind gegenüber Informationen über Entertainmentfunktionen vorrangig zu behandeln bei der Übertragung. Mit SD-WAN ist dies möglich.“


Doch vom Super-Auto K.I.T.T. sind autonome Fahrzeuge noch weit entfernt und viele Menschen misstrauen ihnen. So hat die Global Automotive Consumer Study 2020 der Unternehmensberatung Deloitte ergeben, dass in den meisten Ländern um die 50 Prozent der Menschen die neue Technologie für nicht sicher halten. Vor allem in Asien wollen Verbraucher daher eine staatliche Zertifizierung selbstfahrender Autos. In jedem Fall werden die Entwicklungs- und Marketingmannschaften der Anbieter noch viel Überzeugungsarbeit leisten müssen, bis sich die Mehrheit der Verbraucher dem autonomen Transport ähnlich gelassen anvertraut wie anderen öffentlichen Verkehrsmitteln.

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