Coders with Attitude

Frauen, Einwanderer, Mitarbeitende mit Haltung – das Recruiting für IT-Fachkräfte muss sich verändern.

Illustration: Marga Castaño
Illustration: Marga Castaño
Olaf Strohm Redaktion

Das Interesse ist enorm: 83 Prozent der Unternehmen möchten mehr Frauen im IT-Bereich beschäftigen, so eine Umfrage des Bundesverbands IT-Mittelstand (BITMi). Allerdings tun sie zu wenig dafür: Nur acht Prozent der Unternehmen bieten konkrete Förderungsangebote. 

Das ist symbolisch für die ganze mittelständische IT-Branche zu verstehen: Die deutschen IT-Unternehmen suchen händeringend Nachwuchs. 2023 gab es laut Hightech-Verband Bitkom 149.000 unbesetzte IT-Stellen. Bis 2040 werde sich in Deutschland dieses Defizit auf 663.000 IT-Fachkräfte erhöhen, die fehlen werden. Hinzu kämen Tausende offene Stellen mit IT-Schwerpunkt in Verwaltungen, Schulen und Wissenschaft. „Der sich seit Jahren verschärfende Mangel an IT-Fachkräften betrifft das ganze Land und bremst die dringend notwendige Digitalisierung“, so Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst. Deutschland verspiele seine digitale Zukunft. Laut Verband braucht es viel mehr Quereinsteiger, ältere Fachkräfte und mehr Frauen in der Branche. Änderungen seien in Schulen und Universitäten nötig, auch durch eine verstärkte Kooperation mit Unternehmen. Einwanderung sei zudem unverzichtbar. „Wenn wir uns extrem anstrengen, können wir die absehbare Fachkräftelücke etwa zur Hälfte aus dem Inland schließen. Die andere Hälfte aber braucht zwingend qualifizierte Zuwanderung aus allen Teilen der Welt“, so Wintergerst.
 

»Laut Digitalverband Bitkom braucht es viel mehr Quereinsteiger, ältere Fachkräfte und mehr Frauen in der Branche.«


Dazu kommt: Mit einem Fokus auf Upskilling und Reskilling, also kontinuierlicher Weiterbildung, können Mitarbeitende für neue Technologien und Rollen qualifiziert werden. Durch gezielte Schulungen können Mitarbeitende ihre Fähigkeiten erweitern und sich an die sich ständig wandelnden Anforderungen der IT-Branche anpassen. Eine interessante Haltung hierzu vertritt der Autor Mark Murphy in seinem Buch „Hire for Attitude”. Er ist der Meinung: Fachliche Fähigkeiten und Fertigkeiten lassen sich leichter und schneller lernen als Charaktereigenschaften. „Hire for attitude. Train for skill.“ 

Eine Studie kommt zu dem Ergebnis, dass 46 Prozent der frisch angeworbenen Angestellten binnen 18 Monaten das Unternehmen wieder verlassen. Nur 19 Prozent werden wirklich erfolgreich sein. Für Murphy ist die „Attitude“, die persönliche Haltung, das Entscheidende beim Recruiting. Wofür stehen zukünftige Mitarbeitende? Und wofür steht das Unternehmen, das sie anwirbt? Hier sei persönliche Empfehlung eine wertvolle Ressource. Murphy: „Außer Headhuntern kennt niemand empfehlenswerte Kandidaten? Doch, über 20.000 Stiftungen, Stipendien-Programme, eine halbe Million Vereine, Initiativen und 90.000 Sportclubs könnten Top-Kandidaten empfehlen.“

Die Zukunft des Recruitings ist also vor allem das: über den Tellerrand hinaus zu denken – und Menschen nicht nach ihrem fachlichen Abschlüssen, sondern nach ihren charakterlichen Potenzial zu beurteilen. So können Unternehmen von der Kreativität junger Menschen mit „Attitude“ profitieren und nebenbei eine Unternehmenskultur erschaffen, in der sich noch mehr dieser Menschen willkommen fühlen. 
 

Nächster Artikel