Herr Dr. Hofmann, Sie haben die neu aufgebaute Position des CTO bei ContiTech in einer Phase übernommen, in der die Energiewende zahlreiche neue Herausforderungen mit sich bringt. Wie erleben Sie diese Zeit?
Dr. Hofmann: Ich erlebe sie als extrem spannend. Bei der sukzessiven Umstellung von fossilen auf erneuerbare Energien geht es ja nicht nur darum, eine Energieform durch die andere zu ersetzen. Die Umstellung bringt eine Transformation in allen Branchen und Bereichen mit sich. Bewährte Muster funktionieren nicht mehr. Infrastruktur muss neu gedacht werden. Hier begreifen wir uns als Partner, der Lösungen für viele Probleme bereit stellt, die mit der Transformation einhergehen.
Insbesondere werden sich die Energieträger der Zukunft wandeln. Mit der Umstellung von fossilen auf erneuerbare Energien wird Strom als Energieträger immer wichtiger...
Dr. Hofmann: Strom ist bereits und wird in Zukunft ein wichtiger Energieträger sein, aber die Elektrifizierung der Energiesysteme hat ihre Grenzen. Für eine flächendeckende, kontinuierliche Verfügbarkeit und Anwendung in verschiedenen Industrieländern ist eine Speicherung und Verteilung der Energie notwendig. Wenn grüner Strom effizient in Wasserstoff gewandelt, einfach gespeichert und transportiert werden kann, ist Wasserstoff ein ganz wichtiger Baustein für die Dekarbonisierung. Denken wir an Industrieanwendungen wie die Stahlherstellung oder die chemische Industrie, den Schwerlastverkehr, Flug- und Schiffsverkehr, die Substitution von Erdgas. Denken wir an die Speicherung und den Transport großer Energiemengen. Das alles ist allein mit Strom und Batterien nicht machbar.
Dr. Mancinelli, Sie leiten das Hydrogen Tech Center bei ContiTech. Welche Zukunftschancen sehen Sie in Wasserstoff?
Dr. Mancinelli: Das Potenzial ist enorm. Wir werden bereits 2030 eine relevante industrielle Nutzung von Wasserstoff als Energieträger sehen, und in den folgenden 20 Jahren werden die Anwendungen in den Bereichen Mobilität, Wärmeerzeugung und industrielle Anwendung exponentiell wachsen. Aber Wasserstoff birgt zwei Herausforderungen: Zum einen kommt er nicht aus verfügbaren Quellen, die wir irgendwo entnehmen können, wie fossile Brennstoffe. Wasserstoff muss mit industriellen Verfahren hergestellt werden.
Und die zweite Herausforderung bei Wasserstoff?
Dr. Mancinelli: Wie Dr. Hofmann bereits sagte: Wasserstoff ist ein Energieträger, und die Herausforderung liegt in seiner Speicherung und seinem Transport. Hier müssen wir auf die technischen Details eingehen. Die Kosten für den Transport von Wasserstoff hängen stark von der Entfernung ab, und es gibt verschiedene Lösungen: komprimierter Wasserstoff bis zu 700 bar, kryogener Flüssigwasserstoff bei sehr kalten Temperaturen, also unter minus 253 Grad Celsius oder kombiniert mit Stickstoff, um Ammoniak, NH3, zu erhalten, das nach dem Transport wieder zu Wasserstoff wird, oder kombiniert mit anderen flüssigen organischen Flüssigkeiten. Daher müssen Schläuche, Behälter und Transportmittel geeignete Eigenschaften aufweisen, um sicherzustellen, dass der Wasserstoff sicher am Zielort ankommt. Dazu gehört zum Beispiel die Druckfestigkeit von Leitungen, Dichtungen und Armaturen. Da Wasserstoff je nach Aggregatzustand mit bis zu 700 bar transportiert werden kann – und Schläuche auch unter solch harten Arbeitsbedingungen flexibel und dicht bleiben müssen, ist die Auswahl und Entwicklung der Werkstoffe ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Deshalb betreiben wir in unseren Kompetenzzentren für Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie umfangreiche Grundlagenforschung, um die notwendigen Eigenschaften für Thermoplaste und Elastomere zu erreichen.
Wie hat sich ContiTech auf die Herausforderung Wasserstoff vorbereitet?
Dr. Mancinelli: Wir haben uns frühzeitig entsprechend aufgestellt. Wir bieten bereits Lösungsansätze für verschiedene Wasserstoff-Anwendungen an und kooperieren dazu auch mit Universitäten und wissenschaftlichen Instituten. Unsere technische Expertise hilft, Herausforderungen entlang der gesamten Wasserstoff-Wertschöpfungskette zu meistern, von der Produktion über den Transport, die Speicherung und Verteilung bis hin zur Nutzung in Brennstoffzellen.
Welche Lösungen sind das zum Beispiel?
Dr. Mancinelli: Unter anderem gibt es bereits jetzt Wasserstoff-Bunkerschläuche im Continental-Produktportfolio, die komprimierten Wasserstoff unter Drücken von bis zu 345 bar sicher transportieren können. Außerdem war Continental Pionier bei der Entwicklung von Hochdruck Wasserstoffschläuchen bis 700 bar mit verbesserter Flexibilität und Lebensdauer. Und für Brennstoffzellenantriebe bietet Continental zum Beispiel Leitungen für das Thermomanagement, die Kraftstoffversorgung und die Luftansaugung.
Herr Dr. Hofmann, wieso verfügt ContiTech bereits über derart innovative Produkte?
Dr. Hofmann: Wir sind seit Jahrzehnten im Geschäft und in verschiedenen industriellen Anwendungen erfolgreich, auch im Öl- und Gasgeschäft. Unsere Materialkompetenz ermöglicht es uns nun, auf dieser Grundlage neue Produkte zu entwickeln, die den neuen Anforderungen gerecht werden. Wir fangen nicht bei Null an.
Unsere Energiesysteme werden sich massiv verändern...
Dr. Hofmann: Das ist korrekt. Und wir verändern uns auch.
ContiTech entwickelt sich vom klassischen Produktlieferanten mehr und mehr zum Anbieter integrierter Lösungen. Wir wollen unseren Teil zur Energiewende beitragen: für den globalen Ausbau der erneuerbaren Energien, für den Umbau der Infrastrukturen und für eine klimagerechte Zukunft unseres Planeten.
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