Das vernetzte Auto

IT-Technik macht das Fahren effizienter und sicherer. Fuhrparkmanager profitieren von neuen Möglichkeiten beim Schadenmanagement.
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Illustration: Friederike Olsson
Kai Kolwitz Redaktion

Die Situation mag niemand: Man ist auf der Autobahn unterwegs, wenig Verkehr, es geht flott voran. Dann, auf einmal, sieht man vor sich die Warnblinker, Stau aus dem Nichts, ausgerechnet an der unübersichtlichsten Stelle. Auch, wenn man in einer solchen Situation noch rechtzeitig zum Stehen kommt, das ungute Gefühl bleibt. Denn nun steht man selbst da, als letzter in der Schlange. Man blickt in den Rückspiegel auf die leere Straße hinter einem. Was, wenn der nächste weniger gut reagiert als man selbst?


Das ist eine von vielen Situationen, in denen „Connected Cars“ Gefahren entschärfen könnten. Denn in dieser Vision würde der eigene Wagen vollautomatisch funken: „Achtung, A7, Kilometer 34,7 Richtung Norden, ein Hindernis“ – die Warnung würde in den Displays der Autos hinter einem aufleuchten, die Fahrer wüssten, dass sie bremsbereit sein müssen. Die Technik dazu ist nicht mehr weit vom Serieneinsatz entfernt. Auf der Internationalen Automobilausstellung IAA im September war „Connected Car“ eines der größten Themen, viele Hersteller, Zulieferer und Forscher zeigten ihre Technik zum Thema.


So präsentierte das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt ein System, das Ampeln fahrspurweise automatisch auf Grün schalten kann, sobald sich Polizei oder Feuerwehr auf Einsatzfahrt nähern.  „Das ist bislang nur möglich, wenn die Verkehrsleitzentrale eine solche Vorfahrtschaltung durchführt“, beschreibt Projektleiter Henning Mosebach. Zulieferer Continental zeigte einen Linksabbiege-Assistenten für unübersichtliche Kreuzungen, einen Bremswarner und einen Baustellen-Assistenten, der vor Straßenarbeiten warnen kann und idealerweise sogar Empfehlungen für die beste Fahrspur in der Baustelle gibt.


Solche Baustellenwarner sollen auch den Anfang machen beim realen Einsatz von Verkehrsinformationssystemen auf der Straße. Dazu ist zum Beispiel in Leitkegeln Funktechnik integriert, die den anrollenden Verkehr darüber informiert, dass Behinderungen zu erwarten sind. Gerade im Fall von Tagesbaustellen oder kurzfristig nötigen Arbeiten sichert das sowohl Fahrer als auch die Arbeiter auf der Straße. Im Moment läuft der Aufbau eines so genannten „Car2X-Korridors“ zwischen Rotterdam, Frankfurt am Main und Wien, der diese Technologie testen soll.


Solche Telematik-Systeme machen den Verkehr effizienter und sicherer: Autos könnten automatisch in dem Moment anfahren, in dem die Ampel auf Grün schaltet, nicht erst dann, wenn der Fahrer es bemerkt hat. Im Stau oder an einem Hindernis könnte der Computer den schnellsten Weg durch den Engpass vorgeben oder den Verkehr so leiten, dass die Straßenkapazität optimal ausgenutzt wird. Außerdem kann all das natürlich dazu beitragen, die Zahl von Unfällen drastisch zu reduzieren. Eines der größten Potenziale der Technik sehen Experten deshalb auch im Bereich Schadenmanagement. Fuhrparkmanager könnten dann deutlich von einer geringeren Schadenfrequenz profitieren. Auch Kfz-Versicherer können Telematik-Systeme nutzen, um ihre Angebote noch individueller auf Kundenwünsche zuzuschneiden.


Nach den Informationen des Verbands der Deutschen Automobilindustrie VDA werden allein die deutschen Hersteller und Zulieferer in den kommenden Jahren an die 20 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung zum Thema „Connected Car“ investieren. Überall wird ein baldiger Einsatz in der Serie angestrebt. „Autos müssen in der Lage sein, ständig ihre Position, Geschwindigkeit und Zielrichtung zu melden“, heißt es bei Siemens, wo man sich ebenfalls stark für das Thema engagiert. „Die Straße muss Verkehrshinweise, Beschränkungen und Warnungen kommunizieren können.“ Bei Siemens geht man von bis zu zwanzig Prozent weniger Energieverbrauch im Stadtverkehr aus, wenn sich solche Systeme etablieren.


Eine schöne Zukunftsvision. Allerdings sind auf dem Weg dorthin noch einige Fragen zu beantworten, von denen nicht alle technischer Natur sind. Zum Beispiel: Wie geht man mit den Massen von erhobenen Daten um? Wie stellt man sicher, dass sie so anonym bleiben, dass sich nicht für alle Fahrer Bewegungsprofile daraus erstellen lassen? Wann sollen Systeme vor Gefahren nur warnen? Und wann sollen sie vollautomatisch Reaktionen einleiten? Und wie sichert man die vernetzten Systeme vor Hackerangriffen? Unter anderem BMW,
Jeep und Tesla haben mit diesem Thema in letzter Zeit unliebsame Erfahrungen gemacht.


Für die Hersteller und Zulieferer kommt noch eine weitere hinzu: Wie behält man gegen eine Konkurrenz die Nase vorn, die man vor wenigen Jahren noch gar nicht zu fürchten hatte? Denn wie schon beim Elektro-Auto wachsen auch in Sachen „Connected Cars“ Begehrlichkeiten bei Unternehmen, deren Kompetenzen jenseits des klassischen Autobaus liegen: Mobilfunkbetreiber und Internet-Riesen wie Google oder Apple haben Expertise in Sachen Übertragung und dem Handling großer Datenmengen. Und auch hier wird zum vernetzten Auto mit hohem Aufwand geforscht und entwickelt.


Und dann gäbe es da noch eine Herausforderung zu meistern: die Autokäufer von der kommenden Technik zu überzeugen. „Über die Hälfte der potenziellen Käufer hat noch nie etwas von Connected-Car-Services gehört“, heißt es in einer aktuellen Studie von Deloitte zum Thema. „Vielen Konsumenten ist nicht einmal bewusst, dass sie mit Navigations- und Infosystemen bereits vernetzte Angebote nutzen.“ Denn in der Tat, schon heute sind Autos vernetzt: Suchservices wie verkehrsabhängige Navigation wären ohne Datenaustausch nicht möglich, selbst die Stau-Informationen werden oft aus den anonymisierten Positionsdaten von Mobiltelefonen in Autos herausdestilliert. Und viele moderne Fahrzeuge funken bereits technische Daten an die Hersteller. Die erfahren dadurch, wie sich ihre Modelle im Verkehr schlagen – und bei welchen Bauteilen Konstrukteure oder Werkstätten nacharbeiten müssen, weil sie zu schnell kaputt gehen.


Aus diesen bereits existierenden Informationen eine Matrix zu spinnen, die den Verkehr abbildet und optimiert, ist da nur der logische nächste Schritt. Das Fahren dürfte das für alle stressfreier, effizienter und sicherer machen.

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