Vorfahrt für die Wallbox

Vermieter und Besitzer einer Eigentumswohnung brauchen eine Erlaubnis, bevor sie eine Ladeinfrastruktur für E-Autos schaffen. Unnötig ausgebremst werden dürfen sie bei dem Vorhaben aber nicht.

Illustration: Till Lukat
Illustration: Till Lukat
Steffen Ermisch Redaktion

Wenn schon E-Auto, soll bitte auch der Weg zum Stromtanken kurz sein: Drei Viertel aller Menschen, die die Unternehmensberatung Deloitte im vergangenen Jahr befragt hat, nennt eine Lademöglichkeit zu Hause als Voraussetzung für den Umstieg vom Verbrenner. Gemeint ist in der Regel eine Wallbox – denn das Laden über die normale Haushaltssteckdose dauert lange und ist ineffizient. Doch während Hausbesitzer die Infrastruktur vergleichsweise schnell aufbauen können, ist die Sache für Mieter und Eigentümer von Wohnungen in Mehrfamilienhäusern komplizierter: Bevor sie in der Tiefgarage oder am Stellplatz vorm Haus eine Lademöglichkeit installieren lassen, brauchen sie eine Erlaubnis des Vermieters beziehungsweise einen Beschluss der Eigentümergemeinschaft.

Seit Ende 2020 dürfen E-Auto-Enthusiasten bei ihrem Vorhaben aber kaum noch ausgebremst werden. Mit Gesetzesnovellen wurde festgelegt, dass die Antragsteller grundsätzlich einen Anspruch auf Zustimmung haben. Das Feld der Ausnahmen ist eng gesteckt – und Gerichte haben zwischenzeitlich in vielen Fällen zugunsten der Wallbox-Interessenten entschieden. So hatte in Bayern ein Reihenhausbesitzer einem Mieter den Einbau einer Wallbox in der Garage verbieten wollen. Argumentiert hatte der Vermieter unter anderem damit, dass er E-Autos wegen fragwürdiger Arbeitsbedingungen bei der Rohstoffgewinnung ablehne. Das Landgericht München sah darin keinen Hinderungsgrund. Ein Berufungsverfahren scheiterte.

Trotzdem kann es länger dauern, bis die Wallbox steht: Eigentümerversammlungen  finden oft nur einmal im Jahr statt, Vermieter müssen sich ihrerseits mit eventuellen Miteigentümern im Haus abstimmen. Dass es in der Praxis mitunter hakt, stellen auch Verbraucherschützer fest. Der gesetzliche Anspruch sei zwar gut, kommentiert der Verbraucherzentrale Bundesverband (vbz). „Jedoch sind gerade bei großen Wohnanlagen und größeren Vorhaben viele Fragen offen und Eigentümergemeinschaften sowie Wohnungsbaugemeinschaften überfordert.“

Grundsätzlich gilt: Wer die Wallbox haben will, muss auch die Kosten tragen. Viele Vermieter dürften aber aufgeschlossen dafür sein, die Investition selbst zu tätigen: Zum einen erhöhen die Lademöglichkeiten den Immobilienwert. Zum anderen darf deswegen die Miete erhöht werden. Besitzer von Eigentumswohnungen sind gut beraten, sich Verbündete im Haus zu suchen, die sich die Kosten teilen. Unbedingt sollte man sich mehrere Angebote einholen – denn die Preisunterschiede sind enorm, wie der ADAC festgestellt hat. Der Automobilclub hatte sich von Elektrobetrieben, Energieversorgern und Ladeinfrastruktur-Anbietern Angebote für eine Tiefgarage eingeholt: Alle 13 Stellplätze sollten elektromobilitätsbereit gemacht und zunächst drei Wallboxen installiert werden. Der günstigste Anbieter wollte dafür 7.500 Euro haben, der teuerste satte 42.000 Euro.

Einfacher haben es Bewohner in Immobilien jüngeren Datums: Seit Frühjahr 2021 müssen bei neu als fünf Stellplätzen Schutzrohre für Elektrokabel verlegt werden. Ähnliches gilt bei größeren Renovierungen von Wohngebäuden mit mehr als zehn Stellplätzen. Zumindest die Verkabelung wird damit künftig nicht mehr zur Kostenfalle – und für Eigentümer ist es nur noch ein kleiner Schritt, Mietern direkt auch Wallboxen anzubieten.
 

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