Herr Professor Leukefeld, in Asien kommen bereits Häuser aus dem 3D-Drucker. Ein Vorbild für hiesige Architekten und Ingenieure?
Der 3D-Druck ist eine mögliche Lösung für die aktuellen Herausforderungen am Bau. Die sind derzeit immens: In Deutschland fehlen hunderttausende Wohnungen, außerdem gibt es zu wenig Handwerker, weil sie angesichts des Baubooms vollständig ausgelastet sind. Außerdem bleibt der Nachwuchs aus. Dazu kommen steigende Preise am Bau, die sich zum einen aus den hohen Baugrundstückspreisen, vor allem in den Großstädten, erklären. Zum anderen sind die Kosten für die Handwerkerleistungen aufgrund der hohen Nachfrage ebenfalls explodiert. Der 3D-Druck kann dazu beitragen, die Kosten zu verringern.
Welche Rolle spielt die immer aufwendigere technische Ausstattung von Häusern?
Eine große. Die so genannte Kostengruppe 400, die Haustechnik, hat sich zu einem starken Kostentreiber entwickelt. Immer öfter werden Lüftungsanlagen eingebaut, Wärmepumpen, dicke Dämmungen, demnächst werden wahrscheinlich Smart-Home-Anwendungen dazukommen.
Wie funktioniert der 3D-Druck am Bau?
Ich war vor einiger Zeit in Schanghai und habe dort eines der führenden Unternehmen im 3D-Druck am Bau besucht. Da geht die Post ab, während wir in Deutschland noch schlafen. Aktuell drucken sie ein Hochhaus mit über 100 Meter Höhe. Man kann sich das wie einen riesigen Tintenstrahldrucker vorstellen, nur, dass dort nicht Tinte herauskommt, sondern ein Gemisch aus Beton und Sand, angereichert mit Glasfaseranteilen. Die genaue Zusammensetzung wird geheimgehalten. Dann wird das Substrat Schicht für Schicht aufgetragen, so dass eine extreme Festigkeit entsteht. Ich konnte als gelernter Schlosser selbst mit einem Hammer das Material prüfen und hatte den Eindruck, dass es extrem hart ist. Dazu kommt die Effizienz: Bei additiven Fertigungsverfahren bleiben keine Reste übrig, das Material wird vollständig verwendet. Außerdem wird eine hundertprozentige Qualität erzielt.
Der 3D-Drucker ist dem Handwerker überlegen?
Nicht überall, aber an manchen Stellen: Ja. Weil das Produkt eine exakte Abbildung der Datenbasis ist, ohne Qualitätsverlust. Es sind keine Menschen beteiligt, die vielleicht einen schlechten Tag haben oder denen die Hand ausrutscht. Stellen Sie sich nur vor, Sie wollten eine Stuckdecke von König Ludwig im Haus haben. Während die Restauratoren früher den Stuck aufwendig herausarbeiten mussten, scannen Sie heute das Vorbild ein und lassen sich den Stuck aus Gips ausdrucken.
Ist die eingangs erwähnte Betonmischung das Baumaterial der Zukunft?
Beton ist und bleibt sicherlich ein wichtiges Material. Aber wenn es um Nachhaltigkeit geht, muss man bei der Mischung aus Beton und Glasfaser ein großes Fragezeichen machen. Wie will man dieses Material recyceln? Oder nehmen Sie ein deutsches Wärmedämm-Verbundystem aus Styropor. Das muss man alle 30 bis 40 Jahre austauschen, und es ist bald so etwas wie Sondermüll, der uns noch lange beschäftigen wird. Wenn man hingegen auf den Lebenszyklus schaut, sehe ich in Zukunft eher monolithische Wände aus Ziegel, Holz, Porenbeton, die auch am Stück recycelt werden können. Dazu kommt: Immer mehr Bauherren suchen sich ihre Materialien bewusster aus als früher, nach Solidität, Dämmwirkung, Rezyklierbarkeit. Gesunde Innenraumluft ist auch ein großes Thema.
Sie haben selbst zwei beispielhafte Gebäude entwickelt, in denen Sie wohnen und arbeiten. Sie nennen sie „energieautarke Häuser“. Was verstehen Sie darunter?
Wir haben damit ein Phänomen aufgelöst, das wir die „saisonale Illusion“ nennen. Der hängen nämlich viele Konstrukteure so genannter Null- oder Plusenergiehäuser nach. Sie setzen in der Regel auf Photovoltaik, um möglichst viel Strom zu erzeugen. In der Praxis erlebt man dann, dass man im Sommer den größten Energieertrag hat – und im Winter mit den Wärmepumpen den größten Energiebedarf. Im Sommer, wenn alle Strom produzieren, wird man aber nur geringe Einspeisevergütungen erhalten, im Winter aber muss Strom immer teuer bezogen werden. Deshalb sieht das auf dem Papier in der Jahresbilanz gut aus, in der Praxis rechnet sich das in der Regel nicht. Ich habe zwar dann ein Plus an Energie in der Jahresbilanz, aber ein Minus in der Geldbörse.
Wie haben Sie das Problem gelöst?
Indem wir zwar auch auf Photovoltaik zur Strom-
erzeugung setzen, aber noch stärker auf die Solarthermie, weil ihr Wirkungsgrad viel höher ist. Sie erzeugt im Winterhalbjahr dreimal so viel Energie wie die Photovoltaik. Das zentrale Element ist unser Langzeitwärmespeicher, ein Wassertank mit 9000 Liter Wasser, der die Sommerhitze bis in den Winter hinein mitnimmt. Das ist der Schlüssel. Anfang Dezember legen wir das erste Stück Holz in unserem Zentralofen auf, Anfang Februar das letzte. Ein Beispiel: Unser Bürohaus braucht zwei bis drei Raummeter Holz, das ist alles.
Mit 100 Euro durch den Winter? Respekt! Und der Strom?
Den erzeugen wir über Photovoltaik-Zellen auf dem Dach. Der Stromüberschuss wird in einer Batterie gespeichert. Mit dem Solarstrom können wir nicht nur unseren gesamten Haushaltsbedarf abdecken, sondern in zehn von 12 Monaten auch unser Elektroauto betreiben. Wir wenden praktisch für unsere gesamte Energieversorgung 200 Euro Betriebskosten pro Jahr auf. Darin enthalten sind das Holz für den Ofen und der Strom für das Elektroauto.
Ist das Konzept übertragbar?
Natürlich. Wir haben es schwer, weil wir keinen Lobbyverband haben oder eine Norm, die hinter uns steht. Weil wir wissenschaftlich arbeiten, steht das Konzept jedem Interessierten offen, und jeder kann uns mit der Planung beauftragen. Ein Bauunternehmen realisiert derzeit in Cottbus zwei energieautarke Mehrfamilienhäuser für eine Wohnungsgenossenschaft. Das ist noch spannender als unser Haus: Die Genossenschaft bietet ihren Mietern eine auf zehn Jahre garantierte Pauschalmiete von 10,50 Euro pro Quadratmeter inklusive Energieflatrate. Darin enthalten ist der gesamte Haushaltsstrom, die Wärme und der Strom für ein Elektroauto. Sie haben niedrige und planbare Kosten für Energie, noch dazu fällt der Stress zwischen Mieter und Vermieter um die Neben- oder Energiekosten sowie Rechtsstreitigkeiten weg. Ich finde das revolutionär.
Timo Leukefeld
ist Professor für Solarthermie an der Berufsakademie Sachsen und lehrt an der TU Bergakademie Freiberg das Fach „Energieautarke Gebäude“. Leukefeld wohnt selbst mit seiner Familie in einem von ihm konzipierten energieautarken Haus. Die deutsche Bundesregierung zeichnete ihn als „Energiebotschafter“ aus.