Online einkaufen steht bei den Deutschen nach wie vor hoch im Kurs – und das nicht nur bei Kleidung. Eine aktuelle repräsentative Umfrage des Marktforschungsinstituts GfK im Auftrag von Otto zeigt: Auch Geschenke kaufen die Menschen hierzulande bevorzugt online ein. 60 Prozent der Befragten gaben an, Geschenke mittlerweile im Netz zu kaufen.
Wie lukrativ das E-Commerce nach wie vor ist, zeigt auch Onlineriese Amazon. Zehn Milliarden Euro wollen die US-Amerikaner in Infrastrukturund Geschäftsausbau in Deutschland investieren. In einer Pressemitteilung Mitte des Jahres hat Amazon angekündigt, sowohl das eigene Logistiknetzwerk als auch die Cloud-Infrastruktur im Land weiter auszubauen. Mit der Investition sollen auch rund 4.000 neue Arbeitsplätze in drei neuen Logistikzentren in Nordrhein-Westfalen, Thüringen und Niedersachsen entstehen. Insgesamt will Amazon bis Ende dieses Jahres damit auf 40.000 festangestellte Mitarbeiter in Deutschland wachsen.
NEUER SCHWUNG DANK SOCIAL MEDIA
Das Geschäft im Onlinehandel boomt auch deshalb, weil immer mehr Social-Media-Influencer mit Millionen von Followern ihre Reichweite nutzen, um fast schon spielerisch oder zumindest unterschwellig zum Shoppen zu animieren. Social Commerce heißt dieses Phänomen, dessen Bedeutung die Unternehmensberatung KPMG gemeinsam mit dem IFH Köln Anfang März im „Consumer Barometer“ analysiert hat. Ihr Fazit: Das Gesamtpotenzial bei deutschen Konsumenten ist sehr hoch – vor allem, weil Social Commerce mit einer hohen Vertrauensbildung, sozialer Interaktion und ausreichend Produktinformationen gegenüber klassischen Onlineshops punktet.
„Social Commerce als eine Ausprägung des E-Commerce ist spätestens seit der Coronapandemie in der Masse der Konsumenten angekommen und hat wahnsinnig viel Potenzial. Händler und Hersteller sollten sich unbedingt mit diesem komplexen Thema auseinandersetzen und entsprechend untersuchen, inwieweit Social-Commerce-Konzepte für ihre Unternehmung als weiterer Absatzkanal zielführend sein können“, erklärt Dr. Kai Hudetz, Geschäftsführer des IFH Köln.
Laut Consumer Barometer zeigen sich 87 Prozent der Konsumenten dem Konzept des Social Commerce grundsätzlich offen gegenüber. 75 Prozent haben sogar schon einmal darüber eingekauft. Die gängigsten Produktkategorien sind dabei – ähnlich wie im klassischen E-Commerce – Fashion und Accessoires (23 Prozent), Consumer Electronics (16 Prozent) sowie Freizeit und Hobby (14 Prozent).
WETTBEWERB AUS CHINA NIMMT ZU
Laut KPMG zeige sich die große Marktrelevanz von Social Commerce auch in den durchschnittlichen Ausgaben: Vier von zehn Käufern haben beim letzten Einkauf mehr als 50 Euro ausgegeben – auch weil das Bezahlen immer einfacher wird. Anbieter wie Google Pay arbeiten daran, dass die hinterlegte Zahlmethode per Gesichtsscan oder Fingerabdruck authentifiziert werden kann, quasi Bezahlen, ohne es wirklich zu merken.
Dass angesichts solcher Zahlen auch Plattformbetreiber wie TikTok auf diesen Trend aufspringen, wundert nicht. Zwar wurde der geplante Deutschland-Launch von TikTok Shopping jetzt im Sommer kurzfristig verschoben. In den USA und Großbritannien zeigt sich aber bereits, wie das Angebot den E-Commerce-Markt ordentlich aufmischt. Allein in den USA will TikTok mit seinem In-App-Shop noch in diesem Jahr einen Umsatz von 17,5 Milliarden US-Dollar erreichen.
Weltweit nutzen 1,6 Milliarden Menschen TikTok. In Deutschland sind es etwa 20 Millionen. Welches Vertriebspotenzial dahinter steckt, zeigt ein Vergleich mit Amazon, die in Deutschland etwa über dieselbe Anzahl an Prime-Abonnenten verfügen. Wenn man dann noch davon ausgeht, dass der TikTok-Algorithmus jene Profile mit Shopanbindung „pusht“, also bevorzugt in die Feeds der Nutzer spült, ist der neue Verkaufstrend fast schon gesetzt.
VERBRAUCHER MÜSSEN SICH VORSEHEN
Die Schattenseite des chinesischen Vormarschs, den auch Plattformen wie Shein und Temu aggressiv vorantreiben, sind die sogenannten Dark Patterns, die diese Anbieter laut Stiftung Warentest verstärkt einsetzen. Dazu zählt beispielsweise Verkaufsdruck durch vermeintlich zeitlich stark begrenzte Sonderangebote, Mengenrabatt oder gar Geschenke, wenn man über Gratis-Onlinespiele Shopping-Punkte sammelt. Hier ist insbesondere Temu stark. Dass man mit dieser Art der „Gamification“ die Nutzer möglichst lange auf der eigenen Seite hält, ist ebenfalls Strategie. Mit Erfolg: Eine Analyse des US-Unternehmens Global Wireless Solutions ergab im vergangenen Jahr, dass Nutzer durchschnittlich 22 Minuten am Stück in der Temu-App verbringen, während es bei Amazon nur rund elf und auf Shein nur zwölf Minuten sind.
Hinzu kommt eine Datensammelflut, die etwa durch ein deutlich erschwertes Ablehnen der Cookie-Einstellungen forciert wird. Sie ist also nicht ganz so heile, die schöne neue Online-Shoppingwelt. Vielmehr müssen Verbraucher auch bei der Qualität und den Materialien „made in China“ genau hinschauen. Ansonsten wird der günstige Shopping-Spaß schnell zum teuren Vergnügen.
DEN LETZTEN SCHLIFF MACHT DIE KI
Und dann ist da noch die KI, genauer gesagt die generative Künstliche Intelligenz, die mittels Automatisierung und intelligenter Chatbots das Einkaufserlebnis der Kunden verbessern soll. Onlinehändler Otto setzt beispielsweise auf KI, um bei der Produktsuche zu helfen, der französische Händler Carrefour setzt auf KI-generierte Produktvorschläge und Rezepte, um den Umsatz anzukurbeln. Die Managementberatung Simon Kucher verweist auf Marken wie MediaMarkt und Saturn oder Africola, die KI einsetzen, um die eigene Kundenansprache zielgenauer zu gestalten.
Auch Werbung wird dank KI für Unternehmen günstiger und einfacher. Die spanische Modemarke Mango hat aktuell eine Kampagne am Start, die ausschließlich KI-generierte Inhalte zeigt – und beim Publikum ankommt. Laut Marktforscher Appinio empfinden 72 Prozent der Befragten Models und Kleidung als realitätsnah. Was für die Branche zunächst positiv ist, heißt aus Verbrauchersicht allerdings auch: Einfacher wird der Durchblick im E-Commerce-Dschungel dadurch sicherlich nicht.