Grüne Landwirtschaft

Die ökologischen Folgen konventioneller Landwirtschaft sind immens, die Umstellung auf Bio-Betriebe gilt als ineffizient und teuer. Doch in Wahrheit ist „bio“ auch marktwirtschaftlich die bessere Alternative.
Illustration: Carina Crenshaw
Illustration: Carina Crenshaw
Robert B. Fishman Redaktion

Ende Mai sind die Verhandlungen über die gemeinsame Europäische Agrarpolitik (GAP) wieder gescheitert. Jedes Jahr bezuschusst die EU die Landwirtschaft mit rund 60 Milliarden Euro. Davon fließen rund 6,3 Milliarden jährlich nach Deutschland. Jede EU-Bürgerin und jeder Bürger zahlt dafür rund 114 Euro im Jahr. Zwischen 70 und 80 Prozent der Zuschüsse gehen direkt an die Landwirte. Bezahlt wird nach Fläche, die der Betrieb bewirtschaftet – was die Bauern auf dem Land machen, spielt keine Rolle.

Gestritten wird nun vor allem über die sogenannten „Eco-Schemes“. Das sind die Zuschüsse, die Landwirte zusätzlich für Maßnahmen zum Klima- und Umweltschutz erhalten sollen. Das Europäische Parlament wollte dafür mindestens 30 Prozent der EU-Agrarsubventionen reservieren. Die Mehrheit der Landwirtschaftsminister ist dagegen. Dabei brauchen wir eine klimafreundlichere Landwirtschaft. Mindestens ein Fünftel bis ein Viertel der weltweiten Treibhausgasemissionen gehen auf das Konto der Agrarbetriebe.

Was vielen nicht klar ist: Wir bezahlen schon heute für die Umweltsünden der konventionellen Landwirtschaft. Denn unsere Lebensmittel sind nur scheinbar billig, die Preise an der Supermarktkasse verschweigen einen Großteil der Kosten. Diese entstehen zum Beispiel durch Überdüngung der Böden mit Mineraldünger und Gülle, deren Rückstände in vielen Regionen Flüsse, Seen und das Grundwasser belasten. Wasserwerke müssen immer tiefer bohren, um an sauberes Trinkwasser zu kommen. Hinzu kommen Rückstände von Ackergiften im Essen, der Energieaufwand für die Herstellung von Kunstdünger, Antibiotika-Rückstände aus der Tiermast, die ins Grundwasser sickern. Allein die hohe Nitratbelastung des Grundwassers verursacht in Deutschland jährlich Schäden von etwa zehn Milliarden Euro.

Die ökologischen Folgekosten der weltweiten Landwirtschaft summiert die UN-Welternährungsorganisation FAO auf weltweit etwa 2,1 Billionen US-Dollar. Hinzu kommen soziale Folgekosten von rund 2,7 Billionen US-Dollar, zum Beispiel für Menschen, die sich mit Pestiziden vergiftet haben. Britische Wissenschaftler haben in ihrer „True Cost“-Studie errechnet: Für jeden Euro, den die Menschen im Supermarkt für Lebensmittel ausgeben, entstehen versteckte, externe Kosten von einem weiteren Euro. Noch teurer kommt uns der Verlust an biologischer Vielfalt und das Insektensterben. Allein in Europa bestäuben die Bienen Pflanzen im Wert von 65 Milliarden Euro.

Eine Lösung wäre die Umstellung von konventionell auf bio. „Die Studie des Sustainable Food Trust zeigt, dass die meisten Bio-Lebensmittel günstiger sind als konventionell erzeugte, wenn man ihre wahren Kosten betrachtet“, schreibt etwa das Bundeszentrum für Ernährung (BZfE) auf seiner Internetseite.

Die Interessenvertreter der Agrar- und Lebensmittelindustrie machen dagegen geltend, dass die Erträge der Bio-Landwirtschaft allein nicht ausreichten, um die Ernährung der Weltbevölkerung zu sichern. Allerdings wächst auf rund 70 Prozent der weltweit landwirtschaftlich genutzten Flächen heute Tierfutter oder es grasen dort Rinder, Schafe oder Schweine. Würde man auf den dafür geeigneten Äckern pflanzliche Lebensmittel anbauen und den Anteil an nicht genutzten Lebensmitteln (heute etwa ein Drittel der weltweiten Produktion) reduzieren, sähe die Rechnung anders aus.

Das Problem: Bisher bezahlt den Landwirten niemand den Mehrwert, den sie für Artenvielfalt, Naturkreisläufe und für ihre jeweilige Region erbringen. Was auch daran liegt, dass kaum jemand exakt beziffern kann, was sauberes Wasser, gute Luft und gesunde Nahrungsmittel wert sind. Die Regionalwert AG in Freiburg hat mit der „landwirtschaftlichen Leistungsrechnung“ im vergangenen Herbst ein Verfahren dafür vorgestellt. Aus den landwirtschaftlichen Betriebsdaten erfasst die Seite 130 Leistungskennzahlen aus sieben Kategorien. Im Ergebnis erfahren die Landwirte, wie viel Mehrwert sie schaffen, indem sie etwa junge Leute ausbilden, Blühstreifen für Insekten anlegen oder durch schonende Wirtschaftsweise die Bodenfruchtbarkeit erhalten.

Andere Wege geht die Bioboden-Genossenschaft bioboden.de. Sie kauft von den Einlagen ihrer Mitglieder Land und Höfe, die sie an Bio-Bauern verpachtet, die sonst gar keine Chance hätten, an bezahlbares Ackerland zu kommen. Auf den meisten Flächen dominieren inzwischen vor allem konventionell wirtschaftende Großbetriebe. Die Zahl der Bauernhöfe ist in Deutschland von 1,6 Millionen im Jahr 1950 auf 267.000 im Jahr 2018 geschrumpft. Allein in den letzten zehn Jahren musste jeder dritte Milchbauer aufgeben.

Dabei würden viele Landwirte ihr Land nachhaltiger, umwelt- und klimaverträglicher bewirtschaften, wenn sie damit Geld verdienen könnten. Den weitaus größten Teil der Ernte kaufen jedoch nur wenige Verarbeiter, die ihre Produkte mangels Alternativen an große Lebensmittelketten liefern. Ihren Wettbewerb fechten diese über Kampfpreise aus. Den Preisdruck geben sie an ihre Lieferanten und diese an die Landwirte weiter.

Entlastung verschaffen sich Bäuerinnen und Bauern über die Direktvermarktung. Diesen Weg geht etwa die Genossenschaft Wochenmarkt24. Auf der Internetseite wochenmarkt24.de kaufen die Verbraucherinnen und Verbraucher in immer mehr deutschen Regionen direkt beim Bauern. Ein Logistikunternehmen liefert den Kundinnen und Kunden die Ware vor die Haustür.

Ähnlich funktionieren die Marktschwärmer unter marktschwärmer.de. Auch hier bestellen die Verbraucher online direkt bei Landwirten in ihrer Region. Diese liefern dann zu einem festen Termin an einen Übergabepunkt, an dem die Kunden ihre Waren entgegennehmen. Vorteil für die Bauern: Sie erhalten deutlich höhere Preise, ohne dass die Verbraucher:innen mehr bezahlen als im Handel. Weil die Landwirte nur das produzieren und liefern, was vorher bestellt wurde, wird auch weniger weggeworfen.

Den entscheidenden Beitrag zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft aber kann nur die Politik leisten: Sie muss ihre Subventionen aus Steuergeldern auf umwelt- und naturverträgliche Wirtschaftsweisen beschränken. Denn wie jedes andere Unternehmen produzieren Betriebe  diejenigen Produkte, die ihnen den höchsten Gewinn versprechen.

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