Bulgarien hat besonders viele Covid-Tote zu beklagen: 302 durch Covid-19 verursachte Todesfälle pro 100.000 Einwohner verzeichnet das Corona-Forschungszentrum an der Johns Hopkins Universität (JHU) in dem zur Europäischen Union gehörenden Balkanstaat. Das ist die höchste Todesrate weltweit, verglichen mit der Gesamtbevölkerung. Zum Vergleich: In Deutschland sind 110 von 100.000 Einwohnern an Covid gestorben. Stellt man den Todesfällen die Zahl der Corona-Infektionen gegenüber, dann überholt ein anderer trauriger Rekordhalter Bulgarien und rückt an die Spitze: Mexiko. Dort sind 7,6 Prozent der an Covid-Erkrankten gestorben. Zum Vergleich: In den USA sterben 1,8 Prozent der Erkrankten.
Woran liegt das? Zum einen an der Anzahl der getesteten Personen, so die JHU: Je mehr Tests durchgeführt werden, desto mehr Menschen mit milderen Fällen werden identifiziert. Dadurch sinkt die Sterblichkeitsrate. Dazu kommen demografische Faktoren: Die Sterblichkeit in älteren Bevölkerungsgruppen ist tendenziell höher. Aber auch das Gesundheitssystem spielt eine Rolle: Sind Krankenhäuser überlastet, verfügen sie über weniger Ressourcen, steigt die Sterblichkeit.
Ein weiterer Grund sind niedrige Impfquoten. In Bulgarien wurden bis Anfang Oktober nur etwa 1,3 Millionen Menschen vollständig geimpft, das entspricht 19 Prozent der Bevölkerung. Dabei gebe es Impfangebote nahezu überall, berichtet die ARD: in Parkanlagen, großen Einkaufszentren, in entlegenen Dörfern, bei Behörden, in Firmen und Schulen. „Aber sie werden kaum angenommen.“Als Grund nennt ein Interviewpartner aus dem bulgarischen Gesundheitsministerium den dortigen Hang zu Verschwörungstheorien, die in den sozialen Netzwerken weite Verbreitung fänden. Ihnen werde auch vielfach geglaubt. Bulgarien sei nach einer Medienerhebung EU-weit das einzige Land, in dem Jahr für Jahr immer mehr Menschen den Inhalten auf sozialen Netzwerken Glauben schenken – ganz im Gegensatz zu allen anderen EU-Ländern, in denen dieser Trend umgekehrt sei. Dazu komme ein geringes Vertrauen in die Regierung, das für Skepsis gegenüber den Impfmaßnahmen führe.
Ganz ähnliche Gründe könnten die niedrigen Impfzahlen in Russland haben, dem Land, das den ersten Impfstoff gegen Covid-19 zugelassen hat. Anders wäre wohl kaum zu erklären, warum trotz des gut organisierten russischen Gesundheitssystems bislang nur knapp 30 Prozent der Bevölkerung geimpft sind. Vier russische Vakzine sind verfügbar, mit ausländischen Impfstoffen kann man sich in Russland nicht impfen lassen. Zwar steigt laut Umfragen das Vertrauen der Russen in eine Impfung allmählich, dennoch werde sie noch immer von über der Hälfte der Erwachsenen abgelehnt, berichtet die Deutsche Welle. „Viele fürchten Nebenwirkungen oder wollen zunächst die Ergebnisse von Impfstudien abwarten.“
Beobachter gehen davon aus, dass in Russland für bestimmte Berufsgruppen im Lauf des Herbsts eine Impfpflicht eingeführt wird. Eine verpflichtende Impfquote für Betriebe gibt es bereits in Moskau: Gastronomie-, Dienstleistungs-, Handels- und Verkehrsbetriebe in der russischen Hauptstadt müssen nachweisen, dass mindestens 60 Prozent ihrer Belegschaft vollständig geimpft sind. Gleiches gilt für den Bildungs- und Gesundheitssektor sowie im Öffentlichen Dienst. Mittlerweile haben sich weit über 40 russische Regionen dem Moskauer Impfpflicht-Modell angeschlossen.
Anfang Oktober waren in Deutschland 65 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft, die meisten übrigens im Bundesland Bremen, die wenigsten in Sachsen. Eine „Impfpflicht durch die Hintertür“, befürchten so manche Impfskeptiker. Zumindest wächst der Druck, sich impfen zu lassen, beständig. Einige Bundesländer haben erlaubt, dass Privatunternehmen bei Veranstaltungen nur Geimpfte oder Genesene zulassen können. Auch die politische Diskussion zeigt, wohin der Weg gehen könnte. So sprach sich Grünen-Spitzenkandidatin Annalena Baerbock für eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen aus. Eine hohe Impfquote ist das A und O zur Überwindung der Pandemie, darüber sind sich Experten einig. Wer nicht auf Dauer mit AHA-Regeln, Maskenpflicht und Abstand leben möchte, sollte sich also einen Ruck geben.
Dass die AHA-Regeln lebensrettend waren, und zwar nicht nur im Zusammenhang mit Corona, haben Forscher der Universität Tübingen und der Hebräischen Universität Jerusalem herausgefunden. Sie haben weltweite Sterbedaten in einer Studie aufbereitet und durch die Pandemie hindurch analysiert. Danach blieb in Deutschland die Übersterblichkeitsrate – die Zahl der Toten über die zu erwartende Sterblichkeitsrate hinaus – unter der der europäischen Nachbarländer: bei 40.000. „Das sind viel weniger als die 90.000 offiziell gemeldeten Toten durch Covid-19“, so einer der Studienautoren, Dr. Dmitry Kobak. Wahrscheinlich ist ein Grund dafür, dass die Sterbezahlen bei anderen Atemwegserkrankungen durch die Corona-Schutzmaßnahmen gesunken sind – die AHA-Regeln haben also viele Leben gerettet.
Corona-Impfungen weltweit:
6,54 Mrd. verabreichte Dosen
2,78 Mrd. Menschen vollständig geimpft
35,6% der Weltbevölkerung vollständig geimpft