»Wir füllen die Lücke zwischen Therapie und Patient«

Wer ein Medikament braucht, bekommt es nicht automatisch, selbst in reichen Ländern. Die Schweizer Ideogen AG schließt Lücken in der Versorgung – weltweit und am Patienten orientiert.
Murat Göker, CCO der Ideogen AG
Murat Göker, CCO der Ideogen AG
Ideogen AG Beitrag

Herr Göker, gerade Patienten mit seltenen Krankheiten haben oft keinen Zugang zu Therapien. Woran liegt das?
Diese Patienten stehen vor einer globalen gesundheitlichen Herausforderung– ich nenne sie manchmal auch „vergessene Patienten“ – die Folgen eines weltweiten medizinischen Problems. Weltweit gibt es 5.000 bis 8.000 seltene Krankheiten und schätzungsweise 400 Millionen Menschen – davon 30 Millionen in Europa. Es wurden aber bislang nur 400 Medikamente für rund 200 Anwendungsbereiche entwickelt. Anders gesagt: Für lediglich 3,5 Prozent aller seltenen Krankheiten sind auf dem Markt Therapien erhältlich. Abgesehen von der Verfügbarkeit von therapeutischen Optionen gibt es strukturelle Herausforderungen sowohl bei der Diagnostik als auch bei der Kostenübernahme durch die Kostenträger. Einige dieser seltenen Krankheiten sind den Ärzten zwar mit dem Namen nach bekannt, aber sie verfügen nicht über die klinische Erfahrung in der Diagnose oder Behandlung seltener Krankheiten, es sei denn, sie sind Spezialisten auf diesem Gebiet. Es liegt in der Natur der Sache, dass es sich um seltene Fälle handelt und die Identifizierung der Patienten eine multidisziplinäre Aufgabe ist. Da es sich bei den meisten seltenen Krankheiten um genetische Störungen handelt, müssen außerdem modernste Screening-Methoden und andere Parameter zur Verfügung stehen, um eine frühzeitige Diagnose zu ermöglichen. Sobald die Krankheit identifiziert ist, muss es ein Medikament dafür geben und die Bereitschaft der Kostenträger, für teure Behandlungen zu zahlen.   Bei einigen unserer eigenen Medikamente stellen wir fest, dass ein Arzt, der zwischen 1000 und 2500 Patienten pro Jahr behandelt, im Allgemeinen nicht mehr als 1-15 Patienten mit seltenen Krankheiten hat. Sie sehen diese Patienten zwischen 2 und 3 Mal pro Jahr. Diese Patienten sind eine Nadel im Heuhaufen, weshalb ich sie auch als vergessene Patienten bezeichne. In anderen Fällen zielt Ideogen auf seltene Krankheiten ab, bei denen es fast ein Jahrzehnt dauert, bis sie überhaupt diagnostiziert werden können, da der Krankheitsverlauf langsam ist und die Merkmale anderer häufigerer chronischer Krankheiten nachahmt.

Wie kommt es zu dieser Situation?
Ich habe oben bereits einige Punkte genannt: Nicht alle Gesundheitssys-teme sind bereit, die Kosten für die Diagnose und Behandlung zu decken. Es fehlt an finanziellen Förderungen für Forschung und Entwicklung und somit herrscht Mangel an therapeutischen Möglichkeiten für alle seltenen Krankheiten. Zudem mangelt es an einem regulierenden Streamlining, das meint das Fehlen einer universellen Verfügbarkeit von Orphan Drugs. Jedes Land muss die regulatorischen und klinischen Vorteile individuell bewerten. Hinsichtlich der Diagnose mangelt es eines obligatorischen Screenings und einer zuverlässigen Diagnostik auf der ganzen Welt. Mit der Eröffnung von Korridoren für nicht-zugelassene Arzneimittel könnte ein einfacher Zugang für die Behandlung seltener Krankheiten erreicht werden, bevor das Medikament in einem bestimmten Land zugelassen wird.

Was tut Ideogen, um diese Situation zu verbessern/zu unterstützen?
Wir schauen uns das Thema ganzheitlich an. Fast alle Patienten, die wir betreuen, haben keinen Zugang zu bestimmten Medikamenten für verschiedene Stadien ihres Krankheitsverlaufs, für die es irgendwo auf der Welt bereits verfügbare und zugelassene Therapien gibt, die aber nicht unbedingt in ihrem jeweiligen Land verfügbar sind. Dies hat oft soziale Auswirkungen, verzögert die Verbesserung der Lebensqualität und erschwert die wirtschaftliche Situation der Patienten, die möglicherweise Schwierigkeiten haben, den Zugang zu nicht zugelassenen Spezialtherapien zu finanzieren. Wir setzen uns nachdrücklich für die Belange von Patienten mit seltenen Krankheiten ein. Wir lösen die Herausforderungen, mit denen die Patienten konfrontiert sind, Schritt für Schritt, indem wir die fehlenden Bausteine umsetzen, um einen nahtlosen Zugang, die Kostenerstattung und schließlich die Zulassung des Medikaments für eine langfristige Nachhaltigkeit zu gewährleisten.  Für zugelassene Therapien sehen wir uns als „Medical Concierge“, der einen zuverlässigen und schnellen Zugang zu Spezialarzneimitteln bietet und gleichzeitig den wissenschaftlichen Dialog, das Krankheitsbewusstsein und die neuesten Informationen über den klinischen Fortschritt der von uns vertretenen Therapeutika unterstützt. Wir verfügen über ein medizinisches, klinisches und kommerzielles Team, das auf Abruf bereitsteht und die Bedürfnisse von Ärzten, Apothekern und Patienten-Selbsthilfegruppe unterstützt. Für Biotech-, Pharma- und F&E-Unternehmen, die in Europa und im Nahen Osten über keine Vermarktungskapazitäten verfügen, sind wir ein Sprungbrett, das eine einzige Partnerlösung für eine beschleunigte Abdeckung dieser Gebiete sowohl für nicht zugelassene als auch für zugelassene Arzneimittel bietet. Wir helfen dabei, den Zugang zu therapeutischen Optionen, die wir vertreten, zu verbessern und sie mit den richtigen Interessenvertretern zusammenzubringen, um sicherzustellen, dass mehr Patienten auf der Grundlage der Beurteilung ihres Arztes und unaufgeforderter Empfehlungen einen bedarfsgerechten Zugang erhalten können. Und letztlich stellen wir im Falle globaler Engpässe und Pandemien Regierungen lebensrettende Medikamente zur Verfügung, wenn sie diese dringend und unter Notfallbedingungen benötigen.


Können Sie uns ein Beispiel Ihrer Arbeit geben?
Zusammengefasst: Unmet Medical Needs in the Speed of Life ist unser Modus Operandi! Die Wilson-Krankheit ist eine genetisch bedingte seltene Krankheit, von der einer von 30.000 Menschen betroffen ist. In der Schweiz gab es für die Patienten jahrzehntelang keine Behandlungsmöglichkeiten, obwohl man annehmen sollte, dass ein so wohlhabendes Land als führendes Land im Gesundheitswesen Zugang zu allen verfügbaren Ressourcen hat. Die Patienten mussten ihre Medikamente durch nicht zugelassene Lieferungen erhalten, was viele Schwierigkeiten mit sich brachte, vom nachhaltigen Zugang bis hin zu Problemen bei der Kostenerstattung. Kein Unternehmen war bereit, die anspruchsvollen Schritte zu unternehmen, um die Schwierigkeiten bei der Regulierung und beim Marktzugang zu lösen und so die langfristige Stabilität für diese Patienten zu gewährleisten. Wir leisteten Pionier-
arbeit mit der Erstzulassung von Swissmedic und erhielten eine allge-meine Kostenerstattung für Triogen® (Trientine) mit einer emendierten Formulierung, die die Lebensqualität von Schweizer Patienten mit Morbus Wilson verbesserte. Weitere sind exklusiv für die Special-Access-Programme von zwei von der US-FDA zugelassenen Therapien verantwortlich: Folotyn® (Pralatrexat) und Beleodaq® (Belinostat), die für das extrem aggressive peripherale T-Zell-Lymphom indiziert sind. Diese Arzneimittel für seltene Erkrankungen werden als Salvage-Therapie für Patienten eingesetzt, die alle anderen lokal verfügbaren und zugelassenen Alternativen in mehreren Kontinenten bei einem rezidiven/refraktären Zustand* ausgeschöpft haben. Diese Patienten haben oft nur noch eine begrenzte Lebenszeit und unsere Geschwindigkeit entscheidet darüber, ob die Therapie ihnen eine Chance auf ein längeres Überleben bieten kann.  Auch globale Engpässe sind eine ständige Realität bei einer Reihe von Produkten, deren Herstellung komplex ist oder für die es nur wenige Lieferanten gibt. Die COVID-Pandemie verursachte gleichzeitig anfänglich weltweite Engpässe bei fast allen Medikamenten für die Intensivstation. Während der ersten Welle versorgten wir viele Krankenhäuser und Regierungen auf der ganzen Welt mit Notlieferungen, um die Lücken zu schließen und lebenswichtige Medikamente zur Verfügung zu stellen.  

Was treibt Sie an?
Wir sind der Meinung, dass jeder Mensch ein Recht auf medizinische Behandlung hat. Mit unserer Arbeit wollen wir dazu beitragen, dass jeder Mensch die benötigte Behandlung erhält – und zwar so schnell wie möglich. Deshalb lautet unsere Mission auch „Medicine at the speed of life“. Für uns steht der einzelne Patient im Vordergrund.


www.ideogen.com

*in Europa, Naher Osten, Nordafrika und GUS

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