Herr Professor Köhler, Ihre App soll dem metabolischen Syndrom vorbeugen. Können Sie uns bitte erläutern, was man darunter versteht?
Mit metabolischem Syndrom bezeichnet man eine Kombination verschiedener ungünstiger körperlicher Eigenschaften wie Übergewicht, insbesondere ausgeprägtes Bauchfett, zu hohe Blutfett- und Blutzuckerwerte sowie Bluthochdruck. Die Kombination belastet unter anderem Herz und Kreislauf.
Wie kann Ihre App davor schützen?
Unsere Idee hinter der App ist, dass wir im Vorfeld des metabolischen Syndroms eingreifen, also bevor die Risikofaktoren zur Krankheit führen. Wir wollen die Progression der Risikofaktoren aufhalten. Insbesondere sollen die Nutzer sich angewöhnen, Bewegung in ihren Alltag zu integrieren, aber auch mehr Obst und Gemüse zu essen. Ziel ist es, eine langfristige Verbesserung zu erreichen.
Die Gefahren, die von dem „tödlichen Quartett“ ausgehen, wie es auch genannt wird, sind weitgehend bekannt. Trotzdem sind viele Menschen zu dick. Bei freilebenden Tieren gibt es das nicht. Hat der Mensch keinen natürlichen Drang zur Gesundheit?
Im Tierreich gibt es das Ansammeln von Energiereserven in Form von Fett für Hungerphasen auch, zum Beispiel bei Bären vor dem Winterschlaf. Wir benötigen derartige Reserven nicht mehr, unser Energieaufwand für die Nahrungssuche kann bis auf nahezu null reduziert werden – bestellen, Sofa, essen. Trotzdem ist unsere Physiologie noch darauf angelegt, Fettdepots anzulegen. Das war während der längsten Zeit der Menschheitsgeschichte ja auch ein evolutionärer Vorteil. Die Nahrungssuche war mühsam, die Nahrung nicht besonders energiereich. Die „guten Futterverwerter“ hatten eindeutig einen Überlebensvorteil.
Inzwischen sehen die meisten Menschen in den Industrieländern aus wie „gute Futterverwerter“. In der OECD, auch in Deutschland, sind durchschnittlich etwa 60 Prozent der Erwachsenen übergewichtig. Rund zehn Prozent der Kinder in Deutschland haben schon bei der Einschulung Übergewicht. Weltweit nimmt diese Entwicklung zu. Warum?
Entscheidend ist unser gesamter Lebensstil. Viele Menschen essen zu fett- und zu zuckerlastig. Und sie bewegen sich zu wenig. Wenn ich diese ganzen E-Roller sehe, werde ich ungehalten. Die sind schlimm. Sie führen dazu, dass noch weniger zu Fuß gegangen wird. Zu einem gesunden Lebensstil gehören jedoch richtige Ernährung und Bewegung. Wichtig ist die Interaktion, die gezielte Kombination der beiden Komponenten.
Aber gerade während der Corona-Pandemie hat doch das Joggen offensichtlich einen riesigen Aufschwung erlebt. Man hatte den Eindruck, auf einmal rennen alle Leute draußen.
Eine Maßnahme allein hilft wenig. Manche Menschen machen Sport, essen aber ungesund. Sie nutzen Sport als Alibi. Wir drücken das so aus: Man kann einer schlechten Ernährung nicht davonlaufen.