Europa gegen den Krebs

Die neue EU-Kommission bläst zum Angriff: Früherkennung und Behandlung sollen europaweit verbessert werden.
Illustration: Wyn Tiedmers
Dr. Ulrike Schupp Redaktion

Krebs ist nicht das Ende. „Sondern wenn wir erfahren, dass wir Krebs haben, beginnt eine neue Phase unseres Lebens, die wir durchstehen müssen“, sagte Janina Ochojska anlässlich des Weltkrebstages am 4. Februar. Die polnische EU-Abgeordnete wird selbst wegen Brustkrebs behandelt. Moderne und vielfältige Therapien für die über 100 unterschiedlichen Krebserkrankungen erzielen zwar immer höhere Erfolgsquoten bei der Heilung und bei der Verbesserung der Lebensqualität für die Erkrankten. Doch zwischen den EU-Ländern gebe es eine viel zu große Ungleichheiten beim Zugang zu einer hochwertigen Versorgung, kritisierte Ochojska. Dabei „kämpfen wir gemeinsam gegen etwas, das jeden betrifft“. In Europa müssten noch bessere Maßnahmenpakete geschnürt werden, mehr Information und Beratung für die Betroffenen, verstärkte Investitionen in die Forschung.

 

Krebs steht ganz oben auf der Agenda

 

Das Entwickeln einer Strategie gegen Krebs steht für die EU im Gesundheitsbereich ganz oben auf der Agenda. Auf der Basis von Gesprächen mit Betroffenen, Politikerinnen, Politikern, Medizinern, Angehörigen der Nichtregierungs- und Lobbyorganisationen soll ein „Plan gegen Krebs“ entstehen. Die Krebsbekämpfung ist dabei für Europa nicht nur aus humanitären Gründen wichtig. Die Erkrankungen stellen eine massive Belastung für die Gesundheits- und Sozialsysteme dar, gehen auf Kosten der öffentlichen Haushalte und der Produktivität. Alle neun Sekunden wird in den Ländern der EU ein Krebsfall diagnostiziert. Schätzungsweise werden rund 40 Prozent der Menschen im Laufe ihres Lebens mit einer Krebserkrankung konfrontiert. Handlungsbedarf sieht die Union nicht zuletzt deshalb, weil sich die Zahl der Krebsfälle bis 2035 verdoppeln und Krebs in der Europäischen Union zur häufigsten Todesursache werden könnte.


Die gute Nachricht:  Schätzungsweise sind bis zu 40 Prozent der Erkrankungen vermeidbar. Der Krebs wird – so die Hoffnung – aufgrund der Fortschritte in der Medizin zunehmend zu einer chronischen Krankheit, mit der man sich mehr oder weniger arrangieren kann. Um das zu erreichen sollen Vorbeugung, Früherkennung, Therapie, Nachbehandlung und Versorgung auf europäischer Ebene koordiniert und weiter verbessert werden, so dass alle Länder von der Zusammenarbeit profitieren.


Die Bedeutung von Prävention darf dabei nicht unterschätzt werden, betont auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Es werden jedoch nur 3 Prozent des Gesundheitsbudgets hier investiert, kritisierte sie am Weltkrebstag.


Zu den Präventionsmaßnahmen, die im „Plan gegen Krebs“ gebündelt werden sollten, gehören zum Beispiel ein besserer Zugang zu gesunder Ernährung und zwar von Kindheit an, eine höhere Durchimpfungsrate, aber auch der Abbau umweltbedingter Risikofaktoren wie Luftverschmutzung und Kontakt mit Chemikalien. Der Europäische Kodex zur Krebsbekämpfung rät außerdem zu einem gesunden Lebensstil, ohne Alkohol, aber mit regelmäßiger Bewegung im Alltag und wenn möglich auch ohne Hormonersatztherapien.

 

Früher erkennen

 

Früherkennung und Diagnostik haben ebenfalls einen großen Einfluss auf den Verlauf einer Krebserkrankung. Wird ein bösartiger Tumor im Frühstadium erkannt, wirkt sich das in vielen Fällen günstig auf die Heilungschancen aus. Beispielsweise können bei Gebärmutterhals- und Darmkrebs schon bei der Vorsorge Vorformen von Tumoren entdeckt und so behandelt werden, dass es nicht zu einer weiteren, schwereren Erkrankung kommt. Auch Hautkrebs ist im Frühstadium gut zu therapieren. In Deutschland sieht es allerdings so aus, dass 42 Prozent der Versicherten gar nicht zu den Krebs-Vorsorgeuntersuchungen gehen, die ihnen die Krankenkasse zahlt. Während 67 Prozent der Frauen das Angebot nutzen, sind es bei den Männern nur 48 Prozent, ergab eine aktuelle Umfrage der DAK. Als Grund dafür gaben Befragte im Rahmen einer Studie „Angst vor Krankheiten“ an.


Und auch Risiken der Vorsorgeuntersuchungen wie falsche Diagnosen oder unnötige weitere Abklärungsprozesse spielen eine Rolle. Genau deshalb muss es die Möglichkeit einer „informierten Entscheidung“ für oder gegen die Untersuchung geben. Noch mehr verständliche Informationen zu den Vor- und Nachteilen der Vorsorge sind notwendig.


Sowohl für die Diagnostik als auch für die Behandlung von Krebserkrankungen sei es wichtig, europaweit moderne Technologien bestmöglich zu nutzen, sagt von der Leyen. Künstliche Intelligenz könne die Präzision von frühen Diagnosen verbessern. Eine Dateninfrastruktur für Gesundheitsdaten müsse es Wissenschaftlern und Klinikern ermöglichen, auch von einem gemeinsamen Ergebnispool zu profitieren.


Fortschritte durch die moderne Medizin zeigen sich zum Beispiel bei der Behandlung von Brust-, Prostata- und Darmkrebs. Hier ist die Zahl der Todesfälle in den letzten 25 Jahren deutlich gesunken.

 

Chancen europaweit angleichen

 

Allerdings zeige sich hier auch besonders deutlich die Ungleichheit in den EU Ländern: »Für eine Frau mit Gebärmutterhalskrebs in Rumänien ist es 16 Mal wahrscheinlicher, daran zu sterben, als für eine Frau in Italien«, kritisiert von der Leyen. Das europäische Gesundheitssystem müsse so verbessert werden, dass alle Bürgerinnen und Bürger Zugang zu Screenings, zu Impfungen und zu anderen Präventionsprogrammen haben. Europäische Maßnahmen für mehr Erfolg bei der Versorgung und bei der Behandlung von Krebskranken sollten beim Zugang zu hochwertiger Behandlung und zu neuen Therapien ansetzen. Und dazu gehört auch, dass die nötigen Medikamente nicht nur verfügbar, sondern auch erschwinglich sind.


Dadurch, dass inzwischen viele Krebserkrankungen mithilfe verbesserter Therapien zu einer „chronischen Krankheit“ werden können rückt der Aspekt der Lebensqualität verstärkt in den Vordergrund. Für Krebspatienten, Krebsüberlebende und Pflegepersonen in den Ländern der Europäischen Union geht es hier um die Verbesserung der beruflichen Wiedereingliederung, um Maßnahmen gegen Diskriminierung, um Zugang zu hochwertiger Palliativbehandlung und auch wieder um den grenzübergreifenden Austausch von Expertinnen und Experten zu den Verfahren, die sich bereits bewährt haben.

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