Was bringen DiGA?

Mit dem neuen Digital-Gesetz sollen digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) stärker in die Versorgung integriert werden.

Illustrationen: Olga Aleksandrova
Illustrationen: Olga Aleksandrova
Mirko Heinemann Redaktion

Seit der Corona-Pandemie haben psychische Erkrankungen in Deutschland stark zugenommen. Auch die Zahl der Tage der Arbeitsunfähigkeit bei Arbeitnehmern ist 2024 stark angestiegen. Die häufigsten Erkrankungen sind Angststörungen, Depressionen und Suchterkrankungen. Die Wartezeiten auf einen Therapieplatz gestalten die Behandlung psychischer Erkrankungen schwierig: 40 Prozent der Patientinnen und Patienten warten drei bis neun Monate auf einen Behandlungsplatz und sind bei der Suche mit den individuellen Belastungen auf sich alleine gestellt. Dies kann zur Chronifizierung der Krankheit führen und hat einen negativen Einfluss auf die berufliche Wiedereingliederung. 

Um die Versorgungslücke zu schließen, können digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) ein Teil der Lösung sein. Es gibt sie als Seiten im Internet oder als App für das Smartphone oder das Tablet. Sie bieten Informationen, Anleitungen und Übungen bei psychischen Erkrankungen, etwa zur Akzeptanz und Achtsamkeit, zum Aufdecken des Zusammenhangs früher kindlicher Lernerfahrungen mit den aktuellen Symptomen bis hin zu angeleiteter Exposition von Angststörungen mithilfe von virtueller Realität. Sie können helfen, die Wartezeit auf einen Therapieplatz zu überbrücken oder zumindest erträglich zu gestalten. 

DiGA sind reguläre Medizinprodukte, sie werden von Mediziner:innen verschrieben, von der Krankenkasse übernommen und haben qua Definition einen medizinischen Zweck: Sie sollen dabei helfen, beim Patienten oder bei der Versorgung durch Leistungserbringer Krankheiten zu erkennen, zu überwachen, zu behandeln oder zu lindern oder Verletzungen oder Behinderungen zu erkennen. 

Seit 2025 können DiGA mittels eRezept verschrieben werden, was den Zugang erleichtert. Laut Digital-Gesetz erhalten seit Januar 2025 alle gesetzlich Krankenversicherte eine elektronische Patientenakte (ePA), sofern sie nicht widersprechen. Auch die ePa kann auf dem Smartphone per App installiert und eingesehen werden. Sie enthält Arztbriefe, Befunde, Diagnosen und Kopien des Notfalldatensatzes und des Medikationsplans. Auch Mutterpass, Impfausweis oder Zahnbonus Heft sind so immer bei der Hand.
 

»DiGA müssen in einem Zertifizierungsprozess anhand von umfangreichen Studien ihren medizinischen Nutzen belegen und viele Standards erfüllen.«


Damit sollen auch Doppeluntersuchungen und Fehldiagnosen reduziert werden. Auch Patientenverfügungen können künftig in der ePA gespeichert werden.

Wichtig ist: Obwohl die Begriffe „digitale Gesundheitsanwendung“ (DiGA) und „digitale Gesundheits-App“ oft gleichbedeutend verwendet werden, muss unterschieden werden: Gesundheits-Apps unterliegen keiner Prüfung durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Sie können nicht verordnet werden. Sie haben meist Krankheitsprävention oder die Unterstützung bei einer Krankheit als Ziel. Eine DiGA hingegen muss in einem Zertifizierungsprozess anhand von umfangreichen Studien ihren medizinischen Nutzen oder die Verbesserung der Patientenversorgung belegen und viele Standards erfüllen. Zudem werden DiGA ab 2026 erfolgsabhängig vergütet. Der Erfolg wird mit einer so genannten anwendungsbegleitenden Erfolgsmessung ermittelt und die Höhe der Vergütung zu 20 Prozent an den Erfolg angepasst. Die Daten müssen dann vierteljährlich erhoben und halbjährlich übermittelt werden. 

Die Branche wächst schnell: Was den Umsatz betrifft, wird erwartet, dass das gesamte Segment „Digital Health“ in Deutschland in diesem Jahr die Sechs-Milliarden-Euro-Grenze überschreiten wird. Dabei generiert das Segment „Digitale Behandlung und Pflege“, zu dem auch die DiGA gehören, den höchsten Umsatz. 

Während es sehr viele Gesundheits-Apps gibt, sind zertifizierte DiGA seltener: Seit der Einführung der DiGA im Jahr 2020 haben über 200 Hersteller einen Antrag beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gestellt. Mit Stand vom Dezember 2024 wurden 56 Anwendungen dauerhaft oder vorübergehend in das Verzeichnis aufgenommen. Sie sind vom BfArM zugelassen und werden von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Gleichwohl, so fordert der Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung, ein Zusammenschluss von Anbieter von E-Health-Lösungen, müssten viele Prozesse rund um die Integration von DiGA in die Versorgung weiter verbessert werden. Beispielsweise braucht es eine flächendeckende Aufklärung von Behandler:innen und Patient:innen, damit die digitalen Therapiemöglichkeiten allgemein bekannter würden. Ebenso müsse der Zugang für Patient:innen zu DiGA vereinfacht werden. 

Der Prozess hierzu ist bereits im Gange. Laut der Unternehmensberatung EY wird der DiGA-Markt zwar derzeit zu 73 Prozent von verhaltenstherapeutischen Ansätzen dominiert. Doch in Zukunft sollen DiGA stärker in Disease Management Programme (DMP) für chronisch Kranke eingebunden werden. Schwangere dürfen DiGA zur Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten oder Behinderungen nutzen. Und für Diabetiker:innen sollen digitalisierte Versorgungsprozesse in den Behandlungsprogrammen angeboten werden. Die Integration von DiGA und Künstlicher Intelligenz (KI) verspricht frühere Diagnosestellung, sensitive Symptomüberwachung und effektivere Arzt-Patienten-Kommunikation.

Inzwischen gibt es DiGA auch für immer mehr Anwendungsfälle jenseits psychischer Erkrankungen: DiGA können zu Verhaltensänderungen motivieren, dass man mit dem Rauchen aufhört, sich gesünder ernährt oder mehr bewegt. Sie begleiten eine ärztliche Therapie, etwa bei Depression, Tinnitus oder Multipler Sklerose, oder ermöglichen digitale Dokumentation bei chronischen Krankheiten wie Diabetes oder Migräne. Für Männer mit einer gutartigen Prostatavergrößerung und Problemen beim Wasserlassen gibt es eine App, die als Therapiebegleiter für diese Beschwerden dienen soll. Einige Funktionen verfolgen einen personalisierten Ansatz und liefern individuelle Tipps – je nach persönlichen Symptomen und Problemen. Ein wichtiger Teil der App sind ein Beckenbodentraining und physiotherapeutische Übungen, die über Text und Video vermittelt werden. Zusätzlich gibt es interaktive Elemente zum Mitmachen.

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