Individuell, gezielt, wirksam

Illustrationen: Olga Aleksandrova
Illustrationen: Olga Aleksandrova
Petra Lahnstein Redaktion

Zielgerichtete molekularbiologische Therapien, zelluläre Therapien, Immuntherapien und individualisierte Krebsimpfstoffe – Die moderne Krebstherapie setzt neben traditionellen Verfahren wie Chemotherapie, Strahlentherapie und Operationen zunehmend mehr auf neue, individuellere Verfahren, die als hochwirksam gelten. Wir stellen einige dieser neuen und teils als bahnbrechend geltenden Methoden vor, die heute und in Zukunft vielen Menschen mit einer Krebsdiagnose Zuversicht bringen können.
 

ZIELGERICHTETE MOLEKULARBIOLOGISCHE THERAPIEN


Das Interesse der Krebsforschung richtet sich zunehmend auf die Entwicklung von Therapien, die Krebszellen zielgerichtet angreifen, ohne dabei gesunde Körperzellen in Mitleidenschaft zu ziehen, wie dies häufig bei einer Chemotherapie der Fall ist. Diese sogenannten zielgerichteten Präzisionstherapien sind nicht nur in der Lage, das unkontrollierte Wachstum von Krebszellen aufzuhalten, sondern sie überzeugen auch dadurch, dass in der Regel geringere Nebenwirkungen auftreten. „Genetische Veränderungen im Krebsgenom (Mutationen, Genumlagerungen oder Genvermehrungen) führen häufig zur erhöhten Aktivität dieser Gene und im Resultat zu einer dauerhaften, unkontrollierten Stimulation von zellulärem Wachstum. Molekular gerichtete Therapien erkennen diese fehlerhaften Signalmoleküle und schalten deren Aktivität wieder ab“, beschreibt Prof. Dr. Büttner, Direktor des Instituts für Allgemeine Pathologie und Pathologische Anatomie an der Uniklinik Köln, den Zusammenhang. Die Behandlung von Krebs könnte demnach in Zukunft nicht mehr organspezifisch erfolgen, also abhängig davon, ob es sich beispielsweise um Brustkrebs, Darmkrebs oder eine andere Krebsart handelt. Stattdessen gehen Experten davon aus, dass künftig die jeweiligen genetischen Störungen, die zur Entstehung des Krebses geführt haben, zielgerichtet bekämpft werden können – vorausgesetzt die jeweilige Zielstruktur ist in den Krebszellen auch tatsächlich vorhanden. Umfangreiche Voruntersuchungen können hierüber Auskunft geben.
 

ZELLULÄRE THERAPIE


Bei zellulären Therapien (etwa mit CAR-T-Zellen) handelt es sich um Behandlungsformen, bei denen körpereigene Immunzellen des Krebspatienten so umgebaut werden, dass sie sich gegen die vorhandenen Krebszellen richten. So können beispielsweise Lymphozyten (weiße Blutkörperchen) eines Patienten, deren Aufgabe es ohnehin ist, Krankheitserreger und Krebszellen zu bekämpfen, wieder in die Lage versetzt werden, dies auch entsprechend zu tun.


Diese CAR-T-Zelltherapien werden häufig bei bestimmten Formen des weißen Blutkrebses, wie z.B. akuten Leukämien und aggressiven Lymphomen eingesetzt. Das Wirkprinzip beschreibt Prof. Büttner so: „CAR steht für die Abkürzung ‚chimärer Antigenrezeptor‘. Dieser Antigenrezeptor wird aus unterschiedlichen Bestandteilen zusammengesetzt, die eigentlich nicht zusammen gehören – dies bezeichnet man als Chimäre. Der CAR wird dann in T-Lymphozyten exprimiert und zurück in den Patienten gespritzt. Er richtet sich dann gegen Oberflächenmoleküle von Tumorzellen und bringt diese zum Absterben.“
 

IMMUNTHERAPIEN


Die Idee, Krebszellen mithilfe des eigenen Immunsystems zu bekämpfen, ist mehr als einhundert Jahre alt. Inzwischen gibt es markante Erfolge, zum Beispiel bei der Bekämpfung des schwarzen Hautkrebses, an dem heute dank Immuntherapien kaum noch jemand verstirbt. Immuntherapien setzen dabei auf unterschiedliche Wirkprinzipien: „Wir kennen sogenannte Immuncheckpoints, das sind Interaktionen etwa zwischen Tumorzellen und Immunzellen, die zur Blockade (Lähmung) der Immunantwort auf den Tumor führen. Monoklonale Antikörper, die diese Checkpoint-Interaktionen aufbrechen, nennen wir Immuncheckpoint-Inhibitoren (wie z.B. PD1-Antikörper), für deren Entdeckung vor einigen Jahren der Nobelpreis verliehen wurde. Dann gibt es künstlich veränderte zytotoxische T-Zellen, die man so verändert kann, dass sie sich hocheffektiv gegen Tumorzell-Oberflächen richten. Solche CAR-T-Zellen werden immer intelligenter und sind aus der Therapie aggressiver Lymphome und Leukämien nicht mehr wegzudenken. Daneben gibt es monoklonale Antikörper, die auf Tumorzelloberflächen binden und dort eine Komplement-vermittelte Immunreaktion auslösen können, manchmal sogar in Kombination mit einem Zytostatikum“, so Prof. Büttner.
 

INDIVIDUALISIERTE KREBSIMPFSTOFFE


Therapeutische Krebsimpfungen funktionieren im Prinzip wie herkömmliche Impfungen gegen Krankheitserreger, indem sie dem Immunsystem zeigen, welche Strukturen es bekämpfen soll. Eine mögliche Form der Krebsimpfung ist die mRNA-Impfung, die ausschließlich bei bereits an Krebs erkranken Patienten eingesetzt wird. Mit der mRNA-Technologie gelingt zu meistern, was bislang eine der größten Herausforderungen in der Krebstherapie war: Die Tatsache, dass Tumorzellen gesunden Köperzellen sehr ähneln und es daher oft schwer ist, geeignete Strukturen zu finden – zumal diese sich von Patient zu Patient unterscheiden können. Die Wirkstoffe der mRNA-Technologie können schnell und einfach angepasst werden, so dass es möglich ist, den Impfstoff zu personalisieren. Vor einer Impfung werden im Tumormaterial des Patienten mögliche Angriffspunkte für das Immunsystem gesucht und der individuelle Impfstoff wird damit ausgestattet. Der Impfstoff gelangt in verschiedene Zellen und wird dort in Eiweiße übersetzt, die das Immunsystem aktivieren sollen, den Tumor zu bekämpfen.

Die Forschung im Bereich der individualisierten Krebsimpfstoffe, sogenannte Tumorvakzine, läuft auf Hochtouren. Spezialisierte Wissenschaftler, Forscher und Ärzte gehen davon aus, dass dies die Zukunft der Krebsmedizin sein wird. „Ich denke, in Kürze wird jedes Krebsgenom sequenziert werden, um alle Mutationen im Krebs und mögliche Zielstrukturen für das Immunsystem zu ermitteln. Dann wird man eine komplett individualisierte Tumorvakzine herstellen können, um angepasst an das patienteneigene Immunsystem eine Immuntherapie durchzuführen“, so Prof. Büttner.

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