Herr Professor Heckl, Sie leiten das Institut für Experimentelle Pädiatrische Hämatologie und Onkologie, kurz EPHO. Können Sie die Ziele Ihrer Arbeit umreißen?
Unser Fokus liegt auf der Erforschung der akuten myeloischen Leukämie (AML). Sie macht zwar nur rund 20 Prozent aller Leukämien bei Kindern aus, geht aber mit einer deutlich geringeren Überlebenswahrscheinlichkeit einher. Standardbehandlungen gegen Krebs schädigen immer noch überwiegend sowohl Krebszellen als auch den Rest des Körpers – Kinder müssen oft ihr Leben lang mit den Spätfolgen wie Wachstumseinschränkungen, Intelligenzminderung oder Organschäden zurechtkommen. Daher suchen wir nach Ansätzen für gezielte Therapien, die möglichst nur den Krebs angreifen.
Wie gehen Sie dabei vor?
Zum einen manipulieren wir gesunde Zellen genetisch, um sie in der Krebsentwicklung voranzutreiben. Währenddessen untersuchen wir auf molekularer Ebene, was in den Zellen passiert, und versuchen daraus Rückschlüsse für potenzielle Behandlungen zu ziehen. Das gleiche Ziel verfolgen wir in umgekehrter Richtung beim Abtöten oder Ausdifferenzieren von Krebszellen durch genetische Veränderung. Durch die enge Kooperation mit der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums der Goethe-Universität Frankfurt können wir dabei Tumormaterial von Patienten verwenden. Nur wenige Forschungsgruppen verfügen über diesen Ressourcenzugriff und haben gleichzeitig so große Expertise in der Anwendung des CRISPR/ Cas-Verfahrens zur Gen-Editierung.
Welche Erfolge hat Ihre Arbeit bewirkt?
Das EPHO hat unter anderem detaillierte Arbeit zum Verständnis der molekularen Ursachen für AML bei Kindern mit Trisomie 21 geleistet. Momentan laufen vielversprechende Studien zum grundsätzlichen Zusammenhang zwischen embryonaler Entwicklung und Krebs – all das kostet viel Geld und wäre ohne die Frankfurter Stiftung für krebskranke Kinder kaum möglich.
Herr Professor Michaelis, woran arbeiten Sie am IDL, dem Interdisziplinären Labor für pädiatrische Tumor- und Virusforschung?
Krebstherapien scheitern, weil die Krebszellen in einem Patienten resistent gegen die verwendeten Medikamente werden. Wir erforschen, was warum in den Zellen dabei passiert, und suchen nach Möglichkeiten, diese Resistenzen zu überwinden – als Ausgangspunkt für potenzielle Therapien gegen Krebs bei Kindern.
Wie läuft dieser Prozess ab?
Unser wichtigstes Werkzeug ist die Resistant Cancer Cell Line Collection, die RCCL-Collection. Mit ungefähr 3.000 resistenten Krebszelllinien verfügt das IDL über die weltweit größte Sammlung dieser Art. Zelllinien sind Krebszellen aus Patienten, die man unbeschränkt im Labor züchten und tiefgekühlt in flüssigem Stickstoff lagern kann. Wir entwickeln aus Krebszelllinien Resistenzmodelle, mit denen wir nachvollziehen, wie Resistenzen entstehen. An den Modellen können wir sehr viele Substanzen testen: sowohl solche, die bekanntermaßen gegen Tumoren wirken, als auch andere Medikamente, die noch nicht in der Krebstherapie eingesetzt werden – wir suchen nach der Schwachstelle des Tumors, seiner Achillesferse.
Nutzen auch andere wissenschaftliche Einrichtungen die RCCL Collection?
Natürlich teilen wir diesen riesigen Schatz, den es nur gibt, weil die Frankfurter Stiftung für krebskranke Kinder ihn bewahrt. Mehr als 120 internationale Forschungsgruppen, forschende Pharma- und Biotechnologieunternehmen greifen auf die Sammlung zu. Und sie hat schon viel Konkretes bewirkt. Nur ein Beispiel: Wir haben gezeigt, dass die Menge des Enzyms SAMHD1 es erlaubt, die Therapieantwort bei der akuten myeloischen Leukämie besser vorauszusagen und damit eine zielgerichtetere Behandlung ermöglicht, wirkungslose oder gar schädliche Behandlungen werden vermieden.
Ein starker Partner für die Kinderkrebsforschung
Die Arbeit von Dirk Heckl am Institut für Experimentelle pädiatrische Hämatologie und Onkologie (EPHO) und von Martin Michaelis am Interdisziplinären Labor für pädiatrische Tumor- und Virusforschung (IDL) wäre ohne die Frankfurter Stiftung für krebskranke Kinder (FSfkK) nicht denkbar: Sie hat das stiftungseigene Dr. Petra Joh-Forschungshaus in Frankfurt finanziert, in dem EPHO und IDL untergebracht sind. Die FSfkK wurde 1994 von Eltern krebskranker Kinder sowie ehemals selbst Betroffenen gegründet und verfolgt das Ziel, Kindern und Jugendlichen mit Krebs eine Chance auf Heilung und ein Leben ohne Spätfolgen zu ermöglichen. Mehr Informationen über die FSfkK und Spenden:
www.kinderkrebsstiftung-frankfurt.de