Stellen Sie sich vor, Sie dürften als Kind weder Fahrrad fahren noch auf Bäume klettern – zu groß ist die Gefahr einer Bagatellverletzung, die dann wiederum den nächsten Krankheitsschub auslösen könnte. Genau mit dieser Angst ist Marin W. aufgewachsen. Die mittlerweile erwachsene Kanadierin leidet unter Fibrodysplasia Ossificans Progressiva, kurz FOP, einer sehr seltenen genetischen Erkrankung. Bei dieser können vereinfacht ausgedrückt Muskeln, Binde- und Stützgewebe fortschreitend verknöchern. Durch eine komplette Versteifung des Skeletts wird der Körper daher zunehmend zum eigenen Gefängnis.
Marin W. war drei Jahre alt, als FOP bei ihr diagnostiziert wurde. Ihr Umfeld hatte Versteifungen im Nackenbereich bemerkt und sie ins Krankenhaus gebracht. Sie sagt, dass es heute erstaunlich sei, auf einen Arzt zu treffen, der FOP kennt. Damals sei es fast unmöglich gewesen. Kein Wunder: Statistisch gesehen sind nur 1,3 Menschen unter einer Million von diesem Gendefekt betroffen1. Erste Anzeichen sind häufig nach der Geburt zu erkennen: typische Fehlstellungen der großen Zehen.
So glücklich die Fügung für Marin W. auch war einen dieser wenigen Ärzte zu finden, der von ihren Symptomen auf die richtige Diagnose schließen konnte, so zehrend ist ihr Krankheitsverlauf bisher. Ihren Nacken, die Wirbelsäule, ihre Schultern sowie den linken Ellenbogen habe sie bereits an die Krankheit „verloren“, wie sie sagt. Was sie damit meint sind die fortschreitenden Einsteifungen und Verknöcherungen des umliegenden Gewebes in diesen Bereichen, die man ihr deutlich ansieht und sie in ihren Bewegungen stark eingrenzen.
Dennoch strahlt Marin W. eine gewisse Lebensfreude aus – auch, weil die Forschung heute schon recht weit ist, wie sie betont. Das nehme ihr eine große Last von den doch sehr schmalen Schultern. „Die Angst vor dem, was passiert, wenn ich auch noch meine letzten Körperteile verliere, ist allgegenwärtig“, sagt Marin W. tapfer.