Vor drei Jahren, Natascha Sippel war noch kein Jahr in ihrem neuen Job, fing es mit der Atemnot an. Schlappheit und Schmerzen machten der Restaurantfachfrau die Arbeit unmöglich. Ihr Hausarzt überwies die heute 54-Jährige ins Krankenhaus. Dort hieß es: Vorhofflimmern, Ursache unklar. Doch dann zeigte ein MRT Ablagerungen im Herzmuskel. Vier Monate später brachte ein Gentest Gewissheit: Natascha Sippel leidet an Morbus Fabry.
Breites Symptomspektrum
Morbus Fabry ist eine seltene Erkrankung. Durch einen angeborenen Gendefekt wird ein bestimmtes Enzym nicht produziert oder es funktioniert nur unzureichend. Dieses Enzym agiert wie eine Art Müllabfuhr für überschüssiges Zellmaterial. Das Material lagert sich deshalb überall im Körper ab – im Herzen etwa, den Nieren, aber auch den Nerven oder im Gehirn. Betroffene leiden oft schon als Kinder unter Schmerzen und Missempfindungen in Füßen und Händen, sind oft sehr müde. Es kann zu kleinen dunkelroten Flecken auf der Haut kommen. Oft ist die Schweiß-
bildung gestört, was unter anderem zu Überempfindlichkeit gegen Hitze führen kann. Unterleibsschmerzen und Verdauungsprobleme können ebenso Symptome sein wie Schwindel, Hörminderungen und Eintrübungen der Augenhornhaut. Die Symptome nehmen im Lauf des Lebens zu, bei Männern treten sie oft früher auf, auch Kinder zeigen häufig schon Symptome. Unbehandelt kommt es oft zu schweren, letztlich tödlichen Schäden am Herzen und den Nieren. Die Vielfalt der recht unspezifischen Symptome macht eine Diagnose schwierig, zumal viele Ärzt:innen auch mit dem Krankheitsbild nicht vertraut sind.
Auf Testung bestehen
Morbus Fabry ist nicht heilbar. Jedoch gibt es mehrere Therapieoptionen, die den Verlauf der Erkrankung günstig beeinflussen können. Eine therapeutische Option stellt die intravenöse Gabe des Enzyms dar, welches künstlich hergestellt werden kann. Eine weitere Möglichkeit ist eine oral eingenommene Chaperontherapie, bei der das körpereigene Enzym in der richtigen Faltung stabilisiert und dadurch wieder funktionsfähig wird.
„Das Entscheidende ist die frühe Diagnose durch einen Blut- bzw. Gentest“, betont Natascha Sippel, die heute die Geschäftsführerin der deutschen Morbus Fabry-Selbsthilfegruppe ist. „Je früher der Therapiebeginn, desto größer die Chance, dass die Organschäden erst gar nicht auftreten.“ Leider werden die Symptome oft nicht richtig zugeordnet. Typisch die Geschichte eines heute 16-Jährigen: „Schon mit sechs Jahren klagte der Junge über heftige Schmerzen, die als Wachstumsschmerzen abgetan wurden,“ berichtet Natascha Sippel. Zum Schulsport nicht fähig und dauermüde, erlebte er in der Schule Mobbing und leidet heute auch an psychischen Problemen. „Es ist ganz wichtig, dass Menschen mit den entsprechenden Symptomen hartnäckig bleiben, sich nicht als Simulanten abstempeln lassen und auf einer Testung bestehen.“ Wichtig: Morbus Fabry ist eine Erbkrankheit. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass auch andere Familienmitglieder betroffen sind. Selbst wenn sie noch keine Symptome zeigen, sollten sie sich ebenfalls einem Gentest unterziehen.
Die Selbsthilfegruppe versteht sich deshalb auch als Informationsplattform für Betroffene ebenso wie Ärzt:innen: „Wer Symptome bei sich oder bei Angehörigen entdeckt, kann sich an uns wenden. Wir informieren über Testmöglichkeiten – und bieten Betroffenen Austausch und seelische Unterstützung.“
Link zur Selbsthilfegruppe: www.fabry-shg.org