Jährlich erkranken in Deutschland etwa 2.200 Kinder und Jugendliche an Krebs, die Hälfte von ihnen an soliden Tumoren. Obwohl diese Erkrankungen als selten gelten, stellen sie – ähnlich wie andere seltene Krankheiten – große Herausforderungen dar, insbesondere bei der Entwicklung neuer Therapien und der Bewältigung von Spätfolgen. Die gute Nachricht: Heute können um die 80 Prozent der betroffenen Kinder und Jugendlichen geheilt werden. Doch dieser Erfolg hat oft seinen Preis: Viele Überlebende leiden unter erheblichen, teils irreversiblen Langzeitfolgen. Eine davon ist Hörverlust oder eine deutliche Hörminderung, verursacht durch Schäden am Innenohr infolge der Chemotherapie.
EIN UNSICHTBARES HANDICAP
Cisplatin, ein unverzichtbarer Bestandteil vieler Chemotherapien, rettet jährlich zahlreiche Leben. Doch es hat auch eine Kehrseite: Es kann das Gehör irreversibel schädigen, besonders im Hochfrequenzbereich. Hiervon sind bis zu 60 Prozent der mit Cisplatin behandelten Kinder betroffen. Hörverluste in diesem Bereich beeinträchtigen nicht nur die Wahrnehmung von Musik und feinen Klängen, sondern haben auch massive Auswirkungen auf die Sprachentwicklung kleiner Kinder, insbesondere bei Kindern unter fünf Jahren. Werden Hörschäden nicht rechtzeitig erkannt, können Kinder sprachlich und sozial den Anschluss verlieren. Diese Kinder starten mit einem unsichtbaren Handicap ins Leben, das ihre Entwicklung und soziale Integration nachhaltig erschweren kann.
PRÄVENTIVE BEGLEITTHERAPIE ALS SCHLÜSSEL
Diese Langzeitfolgen belasten nicht nur die Kinder und ihre Familien, sondern auch das Gesundheitssystem. Betroffene benötigen meist Hörhilfen und pädagogische Unterstützung, leiden häufiger an psychologischen Erkrankungen und stehen vor zusätzliche Hürden am Arbeitsmarkt.
Fortschritte in der Kinderonkologie ermöglichen neue Präventionsstrategien. Das Risiko von Cisplatin-bedingten Gehörschäden kann durch geeignete, präventive Begleittherapien vermindert werden. „Es wäre äußerst wichtig, den Hörverlust bei Kindern aller Altersgruppen zu verringern, damit sie nicht nur von ihrem Krebs geheilt werden, sondern auch ein erfülltes, sozial integriertes Leben führen können“, kommentiert Kinderonkologin Dr. Penelope Brock.
DER MENSCH IM FOKUS
Krebs belastet Familien weit über die Akutphase hinaus. Fortschritte wie die präventive Therapie gegen Hörverlust zeigen, dass die moderne Medizin mehr leisten kann, als nur das Überleben zu sichern. Sie gibt jungen Überlebenden die Chance auf ein erfülltes Leben.
Der Tag der Seltenen Erkrankungen bietet einen wichtigen Anlass, diesen oft wenig beachteten Bereich der pädiatrischen Onkologie in den Fokus zu rücken. Nur durch kontinuierliche Forschung und interdisziplinäre Zusammenarbeit können junge Patientinnen und Patienten nicht nur ihre Krebserkrankung überleben, sondern auch ein Leben mit Qualität führen.
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