Krebs trifft vor allem Erwachsene: Von den rund 500.000 Menschen, die nach Angaben der Deutschen Krebshilfe in Deutschland jährlich neu daran erkranken, sind nur etwa 2.200 jünger als 18 Jahre. Damit haben Kinder und Jugendliche mit einer Krebsdiagnose per se eine Seltene Erkrankung, die gemäß der EU-Definition dann vorliegt, wenn weniger als fünf von 10.000 Menschen davon betroffen sind.
Minderjährige leiden in der Regel unter anderen Formen der Krankheit als Erwachsene: Knapp 30 Prozent haben Leukämie, 24 Prozent einen Hirntumor und 14 Prozent ein Lymphom. Bei älteren Menschen dagegen sind mehr als 90 Prozent aller Krebserkrankungen Karzinome, also Tumoren des Epithelgewebes, das die inneren und äußeren Oberflächen des Körpers bedeckt. Bei Kindern und Jugendlichen machen sie gerade einmal 1,5 Prozent aus.
LANGZEITFOLGEN DROHEN
Rund 80 Prozent der jungen Patientinnen und Patienten mit einem Tumor können geheilt werden, so das Hopp Kindertumorzentrum Heidelberg (KiTZ). Dabei stehen die Ärztinnen und Ärzte vor der Herausforderung, dass die Zielgruppe nicht einfach aus kleinen Erwachsenen besteht. Zwar ruht die Behandlung ebenso auf den Säulen Operation, Chemo- und Strahlentherapie – doch Nebenwirkungen und Langzeitfolgen können erhebliche Probleme schaffen. Bestrahlungen etwa greifen auch gesunde Zellen an und können so beispielsweise Reifungsprozesse des Gehirns stören, die für die Entwicklung verschiedenster Funktionen des Organismus nötig sind. Und schon die Einnahme von Medikamenten kann ein Problem sein: Gerade kleinen Kindern fällt es nicht immer leicht, Tabletten oder Kapseln zu schlucken. Hier braucht es alternative Darreichungsformen. Abgesehen davon gibt es eine weitere Hürde: Ungefähr fünf Prozent aller Kinder und Jugendlichen mit Krebs leiden an Tumoren, die höchstens zehn Mal pro Jahr diagnostiziert werden. Wegen ihrer Seltenheit können sie nicht im Rahmen von Studien behandelt werden. Zu diesen Krebsarten zählen unter anderem Melanome, bestimmte Tumoren der Speichel- und Tränendrüsen, des Kehlkopfes und des Gastrointestinaltraktes, Speiseröhren-, Magen- und Eierstockkarzinome sowie Bauchspeicheldrüsenblastome.
ANGRIFFSZIEL TUMOR
Verschiedene Initiativen und Projekte widmen sich der Erforschung dieser Erkrankungen – beispielsweise INFORM, das erste länderübergreifende europäische Genomsequenzierungsprogramm für Kinder mit Krebs. Die Beteiligten identifizieren auf molekularer Ebene Angriffsziele in Tumoren. Dazu schicken Medizinerinnen und Mediziner von mehr als 100 Zentren aus ganz Europa Tumorgewebeproben ans KiTZ, die federführende Institution von INFORM. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums Heidelberg und Medizinerinnen und Mediziner der Uniklinik erzeugen aus diesen Proben weitere baugleiche Tumoren, an denen sie verschiedenste Medikamente in variabler Dosierung und Kombination testen.
Seit rund zehn Jahren können Kinder und Jugendliche im Rahmen von INFORM an klinischen Studien teilnehmen, manche erhalten Medikamente, die bislang erst für Erwachsene zugelassen sind – natürlich unter strenger medizinischer Kontrolle. Mehr als 1.700 junge Krebserkrankte sind mittlerweile im Register des Genomsequenzierungsprogramms registriert, mithilfe der Ergebnisse von INFORM werden weitere innovative Studien entwickelt – die Basis für künftige Therapien.