Kampf gegen Krebs

Kann die seelische Konstitution Krebserkrankungen positiv oder negativ beeinflussen? Forscher:innen aus der Schweiz legen neue Fakten auf den Tisch.
Illustration: Antje Kahl
Illustration: Antje Kahl
Dr. Ulrike Schupp Redaktion

Dauerstress und Anspannung als Ursache für Krebs, Gelassenheit als Möglichkeit, die Erkrankung zu verhindern oder zumindest den Verlauf deutlich abzumildern – Wissenschaft und Schulmedizin blieben da bislang eher skeptisch. Erfahrungsberichte von Menschen, die angaben, ihre Erkrankung auch durch innere Arbeit, Stressreduktion und ein positives Mindset überwunden zu haben, landeten schnell in der großen, bunten Esoterik-Schublade.

Seit Kurzem liegen neue Fakten auf dem Tisch und beleben die Debatte. Forschende von der Universität Basel konnten Mechanismen aufdecken, die deutlich für einen Zusammenhang zwischen einer beschleunigten Bildung von Brustkrebsmetastasen und einem erhöhten Level an Stresshormonen im Körper sprechen. Die Hochschule meldete darüber hinaus, dass synthetische Derivate von Stresshormonen, die häufig als entzündungshemmende Mittel in der Krebstherapie eingesetzt werden, die Wirksamkeit der Chemotherapie einschränken können.

Die Forschungsgruppe aus der Schweiz hatte mithilfe von Mausmodellen die Zellen des sogenannten dreifach negativen Brustkrebses untersucht. Mäuse mit Metastasen wiesen eine höhere Konzentration von Stresshormonen auf als andere. Im Verlauf der Erkrankung werden die einzelnen Krebszellen immer heterogener, was eine wirkungsvolle Therapie zusätzlich erschwert. „Die Tumorheterogenität ist ein großes Hindernis bei der Behandlung. Die Bedeutung von Stressmanagement kann nicht überbetont werden – insbesondere bei Patientinnen mit dreifach negativem Brustkrebs“, sagt der Basler Brustkrebsforscher Professor Mohamed Bentires-Alj. „Moderates Bewegungstraining und Entspannungstechniken sind nachweislich mit einer verbesserten Lebensqualität und Lebenserwartung der Patientinnen verbunden.“

 

Achtsamkeit im Alltag

 

Eine der wichtigsten Methoden, um Psyche und Körper beim Entspannen zu unterstützen, ist Mindfulness Based Stress Reduction (MBSR). Das Programm des amerikanischen Molekularbiologen Jon Kabat-Zinn verbindet frei von religiösen Inhalten achtsame Körperwahrnehmung, Yoga, Atmung und Meditation. MBSR kommt in den USA und in Europa unter anderem in psychosomatischen Kliniken und auch in der Psychoonkologie schon vielfach zum Einsatz. Es soll Patientinnen und Patienten dabei helfen, ihre Situation anzunehmen und gleichzeitig eigene Bedürfnisse stärker wahrzunehmen. Braucht der Körper in diesem Augenblick zum Beispiel eher Ruhe, frische Luft und einen Spaziergang oder einen knackigen Salat mit einer Extraportion an Vitaminen?

Viele der Achtsamkeitsübungen lassen sich ohne großen Aufwand in den Alltag integrieren, ein kurzer Bodyscan etwa. Beim mentalen Durchgang durch die einzelnen Körperteile wird erspürt, wo gerade alles gut ist und wo vielleicht eher Anspannung oder Schmerz sitzen. Auch das Trainieren der Fähigkeit, bei etwas so Alltäglichem wie dem Händewaschen oder Essen ganz im Moment zu bleiben, anstatt gehetzt nebenbei noch wenigstens ein paar WhatsApp-Nachrichten zu checken, gehört zur Achtsamkeit. Es hilft bereits Erkrankten ebenso wie Gesunden, Stress zu reduzieren.

Regelmäßige, moderate Bewegung gilt allerdings schon lange als Präventionsbooster. Beispielsweise sollen körperlich aktive Menschen ein um 25 Prozent geringeres Darm- und Brustkrebsrisiko haben als Inaktive. Empfohlen werden fünfmal wöchentlich 30 bis 60 Minuten Bewegung. Mediziner:innen empfehlen Ausdauersportarten wie Joggen, Radfahren oder Schwimmen. Es hilft der Gesundheit, das Auto öfter mal stehen zu lassen, stattdessen zu Fuß zu gehen und dabei die eine oder andere Treppe mitzunehmen. Wer bereits erkrankt ist, kann seine Prognose durch moderaten Sport oft sogar verbessern. Körperliche Bewegung trägt aktuellen Erkenntnissen zufolge dazu bei, chronische Entzündungsprozesse im Körper zu regulieren. Sie hat einen günstigen Einfluss auf das Immunsystem sowie überhaupt auf körpereigene Reparaturmechanismen.

Die WHO, die Weltgesundheitsorganisation, geht davon aus, dass weltweit rund 40 Prozent aller Krebserkrankungen durch einen gesunden Lebensstil, durch Impfungen gegen Hepatitis B und Humane Papillomviren sowie durch das Vermeiden krebserregender Schadstoffe vermieden werden könnten. Für Deutschland nimmt das Deutsche Krebsforschungszentrum ähnliche Zahlen an. Dabei verbergen sich hinter dem Begriff „Krebs“ über 100 verschiedene Erkrankungen, die alle auf einer unkontrollierten Vermehrung bösartig veränderter Körperzellen beruhen, die das körpereigene Gewebe schädigen. Einen umfassenden Schutz vor der Erkrankung gibt es nicht. Krebs entsteht auch durch zufällige, genetisch bedingte Fehler bei der Zellteilung, die mit zunehmendem Alter immer wahrscheinlicher und damit häufiger werden.

 

Gesundheitskompetenz für Schüler:innen

 

Weil der gesunde Lebensstil aber für die Prävention so wichtig ist, sollen mittlerweile schon die Jüngsten in der Schule Gesundheitskompetenz und gute Gewohnheiten trainieren, die sie dann bestenfalls bis ins Alter beibehalten. Die Deutsche Krebshilfe und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung unterstützen dies mit dem Unterrichtsprogramm „Eigenständig werden“ für Schülerinnen und Schüler bis zur sechsten Klasse.

Schon vor der Corona-Pandemie litten viele Kinder in Deutschland an Bewegungsmangel und brachten dementsprechend mehr Gewicht als nötig auf die Waage. Ein hoher Körperfettanteil erhöht jedoch bei vielen Krebsarten das Risiko zu erkranken. Bereits nach einigen Tagen ohne körperliche Bewegung steigt der Blutzuckerspiegel und der Stoffwechsel verlangsamt sich. Wenig später lässt die Ausdauer nach, der Blutdruck steigt und der Körper baut Muskelmasse ab. „Psychosomatische depressive Symptome und eine stark sinkende Lebenszufriedenheit im Kindes- und Jugendalter nehmen immer mehr zu“, sagt Professor Reiner Hanewinkel, Leiter des Instituts für Therapie- und Gesundheitsforschung in Kiel, welches das Unterrichtsprogramm entwickelt hat. Um die zusätzlichen Belastungen abzufedern, die durch die Pandemie für Kinder und Jugendliche entstanden sind, brauche es vielfältige Angebote, die das gesunde Aufwachsen unterstützen.

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