Haut und Gehirn kommunizieren miteinander. Neben äußeren Reizen, etwa ein Mückenstich, werden auch innere Reize kommuniziert, wie emotionale Spannungen, Stress und andere Faktoren, die die Psyche belasten. Diese werden vom Gehirn an die Haut übermittelt – und die Haut „antwortet“ darauf. „Das konnten wir bei Neurodermitis-Patienten deutlich zeigen. Während einer menschlichen Stresssituation, zum Beispiel einen Vortrag halten, werden bei Menschen mit Neurodermitis bestimmte Neuropeptide, also Nervenbotenstoffe, aktiviert. Dadurch verstärkt sich der Juckreiz und die Betroffenen kratzen sich mehr“, erklärt Prof. Dr. Uwe Gieler. Der Chefarzt der Vitos Klinik für Psychosomatik in Gießen ist seit mehr als 40 Jahren Hautarzt und Psychotherapeut.
Seit Langem ist die sehr komplexe Hautkrankheit Forschungsgegenstand der Psychoimmunologie, ein Forschungsgebiet, das die Wechselwirkung zwischen Immunsystem, Nervensystem und Psyche untersucht. Man geht davon aus, dass etwa jeder vierte Patient mit Hauterkrankung auch psychische Probleme hat – das bedeutet aber nicht, dass psychische Faktoren der Auslöser sind.
Für die Betroffenen sei die Stigmatisierung am schlimmsten, stellt der Gießener Mediziner immer wieder fest. „Die Haut ist sichtbar und fühlbar – sie ist quasi unsere Marke, die wir nach außen tragen“,, sagt er. Es gibt die reale und die antizipierte, also die gefühlte Stigmatisierung. Die reale Stigmatisierung komme etwa bei Menschen mit Schuppenflechte sehr häufig vor. Betroffene werden direkt auf ihre Hautkrankheit angesprochen: „Ist das ansteckend?“. Oder sie werden mit Aussagen konfrontiert, wie: „Das ist eklig!“ „Das erleben leider sehr viele“, so Uwe Gieler.
Bei der antizipierten, also gefühlten, Stigmatisierung denken Betroffene, dass sie abgelehnt werden, weil sie etwa einen Hautausschlag am Knie oder Ellbogen haben – obwohl das in dem Moment gar nicht der Fall ist. Die Stigmatisierung führe meistens dazu, dass auch psychische Probleme entstehen, die Menschen sich sozial zurückziehen und unter traurigen Verstimmungen oder depressiven Zuständen leiden. „Bei Schuppenflechte ist die Neigung zu Alkohol auch groß“, so der Experte.
Etwas anders verhält es sich mit der Hautkrankheit Akne. „Hier gibt es keinen direkten Zusammenhang zwischen der Schwere der Akne und der Heftigkeit der gefühlten Entstehung. Wir haben beobachtet, dass etwa junge Frauen mit eher leichten Akne-Reaktionen, die gut behandelbar sind, teilweise so sehr darunter leiden, dass sie suizidal werden. Umgekehrt gibt es schwere Akne-Formen bei Männern, die sich aber nichts daraus machen“, erklärt Prof. Gieler. Bei anderen Hauterkrankungen wie Schuppenflechte und Neurodermitis hingegen gäbe es diese Korrelation. Also, je schwerer die Hauterkrankung, desto mehr psychische Probleme treten auf. Daher könne man eine Behandlung nicht nur auf die Hautpflege reduzieren. Hilfreich sind ganzheitliche Behandlungsansätze, wie sie etwa in spezialisierten Kliniken zu finden sind. Neben Gießen gibt es diese auch in Hersbruck bei Nürnberg, Stuttgart und Berlin.